Unweit und südlich der Baumwiese gibt es einen Ort der Stille. Nein, keine Kapelle, kein Epitaph, nicht einmal ein Wegekreuz. Wir sind ja nicht in der Lausitz oder in Bayern. Und doch würde ich ihn als einen Ort der Stille bezeichnen, der insbesondere jetzt im Winter die Zeit für einen kurzen
Moment still stellt, wenn man sich auf ihn einlässt. Eine Futterkrippe. Jahr um Jahr ging ich früher in winterlichen Tagen dort mit meinen damals kleinen, staunenden Kindern hin, um ihnen zu sagen: Seht ihr, es gibt diese Rast- und Ruheplätze nicht nur in den Kinderbüchern oder in Märchenfilmen, es gibt sie wirklich. Inzwischen sind meine Kinder schon ziemlich groß und das Staunen darüber hat sich gelegt, aber etwas ist uns geblieben: Die stille Freude beim Anblick von Stroh, Möhren, Äpfeln, Kastanien, Eicheln, auch Maiskolben und Brotstückchen. Beim Gedanken daran, dass in frühen und späten Stunden, wenn die Spaziergänger die Junge Heide ihrem natürlichen Tagesrhythmus überlassen, dort das Rotwild in ungestörter Ruhe äsen kann. Welch ein unverhofftes Glück, wenn wir, wie erst jetzt wieder Anfang des Jahres, in der Nähe tatsächlich ein Reh erblicken wie es mühelos den Wald durchschnellt. Das Auge heftet sich an die springende Grazie, verfolgt sie durch das Unterholz, bis sie mit einem eleganten Satz die Böschung herabjagt und uns eigentümlich verzaubert, berührt zurücklässt. Futterkrippe, Reh, Stille: Der
Motorenlärm des nahen Autobahnzubringers kommt nicht an gegen den Frieden dieses Ortes, den Ortskundige wohl finden würden, gingen sie vom Katzenhuckel schräg durch den Tann zum Eichgartenweg. Wer aber bringt das Futter, wer bessert die Krippe aus?
Hatte ich früher Sorgen, dass das Dach irgendwann einmal einem Herbststurm oder Schneeabbruch nicht standhalten würde (siehe Foto von 2013), so beruhigt der Zustand von Anfang 2021 immerhin, denn das Dach ist kreativ ausgebessert worden. Ein Dank an alle, mir unbekannten Menschen, die mit wenig Aufwand, aber reichem Ertrag, diesen Ort als ein Stück stille Heimat erhalten. Für die Tiere. Für meine Kinder. Für mich.
Bertram Kazmirowski
Ein Kommentar
Lieber Bertram, Sprache ist etwas Wunderbares! Dieser warmherzige Text über „ein Stück stille Heimat“ hat mich sehr berührt. Deine Redaktionskollegin Karin Baum