Da fehlt was …

Notwendige Anmerkungen zum Beitrag „Mit Schweiß gedüngt“

„Ein gewisser ernsthafter Idealismus erfaßt uns in unserer Jugend, deshalb sind so viele Freiwillige achtzehn – und tot.“
Sue Crafton soll das irgendwann geschrieben haben, vielleicht finde ich die Originalquelle noch irgendwo. Die Worte kamen mir in den Sinn beim Lesen des o.a. Beitrags von Burkhard Zscheischler im letzten Heft Vorschau und Rückblick (Heft 2/2021, S. 19ff), in dem der Autor in Erinnerungen seines Vaters kramt. Der war, wie zu lesen ist, 1936 einundzwanzig Jahre alt und hat als Dienstverpflichteter – also nicht ganz „freiwillig“ aber mit viel Spaß – Lößnitzer Weinberge „mit seinem Schweiß gedüngt“. Und sicher nicht ohne Idealismus, aber ganz bestimmt ohne nachzudenken hat er es im nachfolgenden Weltkrieg, wie berichtet wird, „bis zum Hauptmann“ gebracht. Nun, andere sind direkt in den Himmel gekommen. Das ist je bekannt: Wen der Barras erstmal in den Klauen hat, den läßt er so leicht nicht wieder los.
Über hier referierten den Radebeuler Tagen aber lag ganz offensichtlich nichts als jugendliche Romantik. Die für den Abschied zusammengestoppelte Reimerei spricht da für sich.

Was die jungen Leute damals nicht wußten – und was sie, hätten sie es gewußt, in ihrer pangermanischen Fröhlichkeit auch nicht beeinträchtigt hätte, war folgendes:
Der Bürgermeister Heinrich Severit, der auf dem beigegebenen Foto die uniformierten jungen Leute verabschiedete, hatte als strammer „Parteigenosse“ erst kurz vorher gemeinsam mit dem „Gauleiter“ Mutschmann den Zusammenschluß der Städte Radebeul und Kötzschenbroda betrieben und sich an die Spitze der nun größer gewordenen Gemeinde gesetzt. Dr. Wilhelm Brunner, der Bürgermeister von Kötzschenbroda, war in diesen Prozeß nicht einbezogen worden – er war kein Parteimitglied. Stattdessen stand ein Fahrzeug bereit ihn nach Hohnstein ins KZ zu bringen. Dank einer gezielten Indiskretion war er nicht zu Hause, als er „abgeholt“ werden sollte.
Zudem ist B. Zscheischlers Beitrag zu entnehmen, daß die Dienstverpflichteten im „Lager Immelmann“ untergebracht waren. Laut dtv-Lexikon (Brockhaus1995 Band 8) war der Namensgeber Max Immelmann 1890 in Dresden geboren. Abermals dürfte es „ein gewisser (ernsthafter) Idealismus“ gewesen sein, der ihn Offizier und Kampfflieger hatte werden lassen. Zudem wird ihm ein großer Anteil an der Entwicklung „deutscher Luftkriegstechnik“ zugeschrieben. Nach, wie es heißt, „15 Luftsiegen“ (was gewiß keine Luftnummern waren) ist er 1916 in Nordfrankreich ums Leben gekommen. Er hat es somit auf stolze sechsundzwanzig Lebensjahre gebracht und eignete sich dadurch ganz hervorragend als Vorbild für eine neue Kriegergeneration. Selbst von einen fatalen Idealismus erfaßt, haben das die jungen Leute damals nicht durchschauen können oder wollen. Anscheinend haben sie auch später keine weiterreichenden Schlüsse daraus gezogen.

Es ist gut, daß Burkhard Zscheischler ans Licht brachte, was es in „unserem schönen Radebeul“ so alles gegeben hat. Doch so ganz unkommentiert wollte ich die Sache nicht lassen. Das gehört auch zur Erinnerungskultur.
Thomas Gerlach

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