Gleich zu Beginn meiner Arbeit im Lügenmuseum wurde ich Teil eines Kunstprojektes „Labylysium“ auf den gerade fertig gestellten Burgplatz, mitten in der Innenstadt, von Leipzig. Der Radebeuler Kunstverein Kunst der Lüge e.V. hatte 33 KünstlerInnen zum Thema 30 Jahre Deutsche Einheit eingeladen, 10 Tage auf dem Platz zu wirken. Sie sollten nicht einfach Kunstwerke ausstellen oder sonst etwas aufführen. Sie waren eingeladen auf dem Burgplatz zu erscheinen und wie selbstverständlich in ihrem Atelier zu wirken. Das konnte ich nachvollziehen als Martin Hoffmann seine Bildtafeln an Zabkas Ausstellungsarchitektur befestigte und dort vier Tage lang klebte und seine Collagen entstehen ließ. Es ging also nicht darum Objekte auszustellen, sondern um den Prozess des kreativen Schaffens zu zeigen. Die PassantInnen eilten zum nächsten Termin, schauten verwundert herüber, blieben stehen, wollten weiter oder blieben doch noch länger stehen.
Dabei lernte ich, dass Kunst nicht nur künstlerisches Schaffen ist, sondern auch Lebensqualität und Bildungsarbeit bedeutet. Mein persönliches Highlight war Pastor Leumund mit seinem dadaistischen Gottesdienst und Klobürsten Weihwasser sowie seinem Rap-Hit „Aliens Welcome“. Das weckte vor allem die Aufmerksamkeit der Bauarbeiter.
Man erreicht an öffentlichen Plätzen die verschiedensten Menschen: Senioren, Kinder, Jugendliche, sozial benachteiligte Familien und diverse ethnische Gruppen. Mit einer aktiven Teilhabe und der Möglichkeit zur Partizipation gestaltet man einen unvergesslichen, kostenfreien Kulturgenuss und stärkt zeitgleich den sozialen Zusammenhalt. Unverzichtbar in einer Zeit, wo Krisen und Unsicherheiten unsere Aufmerksamkeit aufsaugen. Die Kunst und Kultur trägt dabei eine große soziale Verantwortung und hat eine unverzichtbare sozioökonomische Bedeutung.
Nach meiner prägenden Erfahrung in Leipzig war ich dann im Lügenmuseum beschäftigt, welches mit Beschränkungen konfrontiert war. Geplante Veranstaltungen konnten nicht stattfinden, Projekte und Einnahmen fielen aus. Nun sammelte ich neue Erfahrungen im Umgang mit Krisen und wie Probleme gemanagt werden. Wir eröffneten eine Fassadengalerie, welche man sich von der Straße aus 24 Stunden anschauen kann. Ein haptisches Kulturangebot ist unsere „Museum To Go Box“, welche einfach zu bestellen ist. Zuhause kann man dann ein individuelles Museumserlebnis entpacken und sich mit einer Freikarte auf die Zukunft freuen. Unser nächstes geplantes Kulturereignis ist die Freie Kunsthalle mitten im Dorf Serkowitz – Umsonst und Draußen. Das Dorf ist 700 Jahre alt mit einem historischen Dorfkern und wurde vor über 80 Jahren in Radebeul eingemeindet. Dafür lädt der Radebeuler Kunstverein Kunst der Lüge e.V, KünstlerInnen ein auf den Höfen ihr Atelier einzurichten und an den Zäunen und in den Gärten auszustellen.
Was bedeutet nun aber eine Kunsthalle? Eine Kunsthalle leisten sich größere Städte, die etwas auf die Kultur setzen. Plant die Stadt Radebeul als Stadt der Bildenden Künste einen Neubau? Nein!
Der Radebeuler Kunstverein geht ganz andere Wege. Er erklärt einfach das Dorf als Kunsthalle. Klimaneutral wird auf den Neubau einer Radebeuler Kunsthalle verzichtet. Das Dorf wird zum Ausstellungsort, die BesucherInnen wandeln über den Dorfanger und erleben die Kunst im wirklichen Leben eines Dorfes.
Nach den langen Wintermonaten werden die KünstlerInnen mit ihrem kreativen Schaffen ihre Ateliers verlassen. Sie ziehen in das Dorf, machen ihr Wirken sichtbar und praktizieren öffentliches Leben. Die EinwohnerInnen und PassantInnen können den Akteuren über die Schulter schauen oder auch fragen, ob sie mitmachen können. Die Kunsthalle wird von Juni bis September stetig wachsen und sich von der Friedensstraße bis nach Dresden ziehen.
Da war ich dabei, als Jule und Reinhard die 20 Höfe des alten Dorfkerns befragten. Alle Höfe sagten zu, das war eine großer Erfolg. So zogen wir weiter und fragten die AnwohnerInnen der Friedensstrasse und fanden auch dort Mitwirkende und dann zogen wir in die andere Richtung bis nach Dresden mit positiver Resonanz. Viele erinnerten sich an die erfolgreiche 700 Jahr Feier 2014 welche Wolf Gööck und Reinhard Zabka initiiert und geschmissen haben.
Zur Freien Kunsthalle kommen viele Radebeuler KünstlerInnen , wie Andre Uhlig, Klaus Liebscher oder Sopie Cau.
Gefördert wird die Freie Kunsthalle von Fonds Soziokultur, der Stadt Radebeul und dem Landkreis Meißen. Die Eigenmittel für dieses Projekt werden mit einer Crowdfunding Aktion eingeworben.
Zur Unterstützung entwickelten wir die „Klima – Museum To Go Box“.
Was ist an der Klimabox so besonders? Die Klimabox ist eine limitierte Edition und ein künstlerisches Sammlerstück. Damit kann man erfahren, wie das Museum Ressourcen freundlich und ökologisch arbeitet. Zudem fordert die Klimabox heraus, sich mit der Thematik auseinander zu setzen, über das Konsumverhalten nachzudenken und das eigene Handeln anzupassen. Eine klimaneutrale Gesellschaft ist kein abstraktes Ziel. Das Thema Sparsamkeit, Eindämmung des Konsumverhaltens geht einher mit der Freien Kunsthalle und dem Lügenmuseum.
Stützpunkt für die Freie Kunsthalle bietet das Lügenmuseum im historischen Gasthof Serkowitz, ein lebendiges Kulturzentrum, ein beliebtes Ausflugsziel welches weit über Sachsen hinaus strahlt, aber dann auch wieder zurück.
Theresa Dietrich
Die „Klima – Museum To Go Box“ erhält man für eine Spende unter: www.startnext.com/freiekunsthalle.