Verleger Jens Kuhbandner kann es wohl selbst kaum fassen. Sein „NOTschriften Verlag“ feiert dieser Tage seinen 25. Geburtstag. Die Jahre sind ins Land gegangen, doch von seinem langen Haar mit Zopf kann sich der Verlagsinhaber, vielleicht auch in Reminizenz an ungestüme Jugendtage, bis heute nicht trennen.
Die Urspünge zur Verlagsidee gehen tief in die Wendezeit zurück. Aufkeimende, bislang ungeahnte Möglichkeiten schufen nun sprichwörtlich Raum für kreative Findungsprozesse. Die Keimzelle für das Kulturengagement des Literaturbegeisterten war im 1992 gegründeten „Jugend-Kultur-Treff Noteingang“ (etwas später gleichnamiger Verein mit u.a. Jens Kuhbandner und Falk Wenzel als Gründungsmitglieder) im Lutherhaus der Friedenskirche zu finden: „Wir linderten die Not mit kleinen Konzerten, Kleinkunst, Filmvorführungen, Ausstellungen und Lesungen. In unserem Monatsprogramm spielten wir bei der Ankündigung mit dem Namen NOT. „NOTArt“, „zur NOT auch Musik“ … Die Lesungen kündigten wir immer mit dem Slogan „NOTschriften präsentiert …“ an.“ Eigene Texte entstanden: Krimis, utopische Erzählungen, viele Fragmente. Es häuften sich schreibmaschinengetippte Stapel in Klemmheftern. 1995 erschienen eigene Gedichte mit Grafitti-Zeichnungen von Edgar Kupfer in einer handkopierten Broschüre, die bereits mit „NOTschriften“ untertitelt war. 1996 dann die ersten gedruckten Bücher in Wellpappe gebunden: Edward Güldner „Lyrik“ und Jens Kuhbandner „Traum“. Sie wurden am 22. September im „Noteingang“ mit einer Auflage von 30 handkopierten Stück öffentlich präsentiert. Der Gedanke eines eigenen Verlages ließ Kuhbandner seither nicht mehr los.
„Wir haben den Verlag damals begründet, um für die da zu sein, die Not haben, ihre Texte zu veröffentlichen! Das sehen wir mittlerweile nicht mehr so dramatisch, vielmehr fühlen wir uns jenen Themen und Manuskripten verantwortlich, an die sich „Große Verlage“ nicht wagen.“
Die Erstauflagen mussten bald neu aufgelegt werden und bisher erschienenen Bücher bekamen eine ISBN-Nummer, womit der Verlag „Notschriften“ mit Sitz auf der Gartenstraße und später im Lutherhaus offiziell gelistet wurde. Durch die Bekanntschaft mit „DEKAdance“-Chef Bert Stephan (verschiedene Auftritte im „Noteingang“ mit seinen Nebenbands „Aufruhr in der Savanne“, „Die Rockys“, „Olaf Schubert“) erfolgte 1998 die Veröffentlichung seines Buches „Der Tisch der Frauen“ in einer Auflage von 2000 Exemplaren. Von nun an war der Verlag schlagartig regional und überregional bekannt.
Zum Verlagsprogramm gehören heute Bildbände über Radebeul und Meißen, Reiseberichte, Lyrikbände, Hörspiele, Essays, Kindheitserinnerungen und gelegentlich auch Romane.
Eine Verlagsgeschichte ist nicht zuletzt von glücklichen Fügungen und Begegnungen abhängig, von Katastrophen wie Fehldrucke oder verheerenden Verkaufsflops gar zu schweigen. Aber die Erfolge wiederholten sich: 1999 erschien der Anekdoten-Band „… einfach absurd!“ von Wolfgang Dehler und führte ebenso zum überregionalen Erfolg. Im Herbst 2001 erfolgte der erste Bildband über Radebeul in einer Auflage von 5000 Exemplaren. 2004 war der Verlag zum ersten Mal mit einem eigenen Stand auf der Leipziger Buchmesse und 2016 auf der Frankfurter Buchmesse am Gemeinschaftsstand „Sachsen“ vertreten.
2005 erschien ein Sammelband von Hanns Cibulka. 2009 wird der langjährige Notschriften-Autor Thomas Gerlach Kunstpreisträger der Stadt Radebeul. 2010 überregionaler Erfolg der Bücher „Transit – Illegal durch die Weiten der Sowjetunion“ und Tommy Lehmann „Allein auf der Elbe – Tausend Kilometer im Faltboot“ – zahlreiche Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen in ganz Deutschland berichten darüber. Es folgen bis heute weitere zahlreiche Bücher mit insgesamt 315 Publikationen.
Für sein kulturelles Engagement wird der Verleger 2018 schließlich selbst mit dem Kunstpreis der Stadt Radebeul geehrt.
Seit über zwei Jahren ist der NOTschriften Verlag mit eigenem Laden in der Bahnhofstr. 19a zu finden. Ein Besuch zum Stöbern und Fachsimpeln lohnt sich!
Sascha Graedtke
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Öffnungszeiten: Mo-Fr 11-18, Sa 10-12 Uhr
Jubiläumsfeier am 4.7., 11-19 Uhr im Hof der Stadtgalerie, Altkötzschenbroda 21 (siehe Kulturtermine)