Trends

Eine Glosse
Moden sind „heiße Sachen“. Hier spiele ich jetzt nicht auf Hotpants oder so an. Schließlich will ich nicht als „sexistisch“ abgestempelt werden. Eh du dich aber versiehst, ist die aktuelle Mode wieder vorüber. Und dann hast du dich ins gesellschaftlich „Aus“ geschossen, bist gewissermaßen nicht mehr „salonfähig“, um mal einen Begriff von vorvorgestern zu verwenden. Auf alle Fälle gehörst du dann nicht mehr dazu, und das ist heute doch das Allerbeschissenste. Dazugehören ist eben alles! Noch brandgefährlicher aber verhält sich die Sache mit den Trends. Da muss man gewissermaßen erahnen, was künftig Mode werden könnte. Bekanntermaßen drehen sich aber in diesen Breitengraden die Winde besonders schnell. Mitteleuropa ist ja auch rein meteorologisch gesehen bekannt für seine „wechselnden Winde“. Da will ich jetzt nicht auf Almudena Grandes erfolgreichen Familienroman anspielen, der vielleicht noch eine amüsante Sommerlektüre abgeben könnte. Da bilden die spanischen Winde eher eine Klammer.
Mit der Mode ist es aber nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Die lässt sich eben nicht auf alles und jedes übertragen. Einen modischen Fummel kann man schnell wieder ablegen, wenn das Modeinstitut „XXL“ eine neue Kreation herausgebracht hat. Selbstverständlich kann ich mir jedes Jahr neue Weihnachtsbaumkugeln kaufen, weil die Farbe der letzten dieses Jahr „out“ ist – vorausgesetzt, ich will für diesen Schwachsinn Geld ausgeben. Diese „Freiheit“ haben uns die Segnungen der „neuen Zeit“ gottlob gebracht, wobei ich mich immer frage, ob das wirklich sein Wille war? Es soll ja Menschen geben, die sich ständig neue Autos zulegen, nur weil die Farbe der Karosse nicht mehr „in“ ist. Bei meinem Privat-Jet ist das schon schwieriger. Da herrscht selbst bei den neuesten Modellen eher eine gewisse eintönige Farbgestaltung vor. Auch Immobilien sollte man nicht ständig umstreichen, bloß weil sich der Trend gerade gewandelt hat.
Überhaupt ist das ein ganz schwieriges Pflaster, das wusste schon der alte Goethe. Deshalb hat er seine literarischen Ergüssen gegen Ende des Lebens eher als unbedeutend eingestuft. Was wohl die wenigsten wissen, Goethes Hauptwerk ist nicht der „Faust“, sondern sind seine wissenschaftlichen Arbeiten zur Farbenlehre. Diese besteht aus vier Bänden und ist das umfangreichste Werk, welches der Meister je herausgebracht hat. Da äußert er sich auch zu den psychischen Wirkungen von Farben. Nun war das allerdings auch keine Erfindung des Weimarer Ministers. Bereits die alten Griechen und die Chinesen hatten den Farben gewisse psychische Merkmale zugeordnet. Noch heute reden Volk und Dichter von der „goldenen Sonne“, die uns nach einem heißen Sommer so „golden“ nicht mehr erscheinen mag. Ist halt alles relativ.
Aber diese Seite der Medaille sollte man eben nicht ganz vernachlässigen. Glaubt man den Behauptungen des Lüscher-Farbtestes, so soll man über die Vorlieben für bestimmte Farben und Farbkombinationen auf die Persönlichkeit der jeweiligen Person schließen können. Und wenn ich mir dann die Tafel der verschiedenen Farben und mit den ihnen zugeordneten Assoziationen anschaue, komme ich schon ganz schön ins Grübeln. Da steigen in mir wirklich Zweifel auf, ob das den Farbpanschern in der Endkonsequenz alles ganz bewusst ist. Sollte ihnen aber!
In einer Skala von 28 Assoziationen sind beispielsweise bei der Farbe Rot 46 Prozent mit negativen Eigenschaften belegt. Ganz oben stehen dabei Begriffe wie Wut, Zorn, Aggressivität, Hass und Gefahr. Nun will ich mir überhaupt nicht ausmalen, was das beispielsweise mit den Bewohnern eines Wohngebietes macht, die in ihrer Straße dem ständigen Anblick eines mit roter Farbe angemalten Gebäudes ausgesetzt sind. Als Radebeuler – eigentlich gibt es ja nur wenig Radebeuler, dafür mehr Zitzschewiger, Naundorfer, Serkowitzer oder Oberlößnitzer – komm ich ja in der langgestreckten Stadt nur wenig rum. Neulich aber habe ich mich coronabedingt doch mal auf die Socken gemacht und mich einem Stadtgang ausgesetzt. Da bin ich unter anderem auch in Radebeul-West gelandet. Und ich dachte mich laust der Affe, sehe ich doch in einer Straße mit meist beige gehaltenen Villen ein knallrotes Haus, eher ins bordeauxrot gehend! Nun verbindet sich nach alter Lesart diese Farbe mit den Begriffen der „Würde“ und „Erhabenheit“. Sie war in grauer Vorzeit nur hohen kirchlichen Tieren, also Kardinälen, vorbehalten. Dabei ist die „neue Kathedrale“ in der besagten Straße keinesfalls ein repräsentativer Bau. Aber eine gewissen „Führungsanspruch“ schien das Gebäude mit den erst unlängst erfolgten Farbwechsel wohl schon zu beanspruchen. Wer weiß, vielleicht wird es eines Tages noch zum Pilgerort…? Das wirkt wie eine kalte Übernahme, so ungefähr wie etwa vor 30 Jahren. „Das könn‘se doch mit uns ni machn!“, schoss es mir sofort durch den Kopf. Da kann ich mir gut vorstellen, wie die Anwohner „dumm aus der Wäsche geguggt“ haben. Aber außer „guggn“ war da nichts. Laut der Vorschriften soll man da auch nichts dagegen unternehmen können, obwohl die „Sächsische Bausatzung“ im Paragraph 9 festlegt, dass Bauanlagen auch ein Straßenbild „nicht verunstalten“ dürfen. Viele Gemeinden haben deswegen vorsorglich in ihren Gestaltungssatzungen, teilweise sehr detailliert, rechtsverbindliche Festlegungen getroffen.
Wie ist das eigentlich in Radebeul, wollte man hier nicht auch mal…?

Euer Motzi

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