Dresdener Straßenbahnfahrzeuge in Radebeul im Wandel der Zeiten
Nach recht kurzer Planungs- und Bauzeit konnte 1899 im jetzigen Radebeul eine elektrische Straßenbahn mit einer Spurweite von 1000 mm eröffnet werden. Sie führte entlang der Meißner Straße vorerst von Kötzschenbroda in west-östlicher Richtung analog der heutigen Linie 4 nach Dresden-Mickten, dort dann allerdings mit Umstieg zur Weiterfahrt in das Dresdener Liniennetz.
Die Versorgung mit dem erforderlichen Gleichstrom von 500 Volt besorgte das im Lößnitzgrund befindliche Elektrizitätswerk Niederlößnitz (EWN) mit eigens dafür installierten Dampf-Generatoren. Die dafür erforderliche Kohle fuhr die 750 mm-spurige Lößnitzgrundbahn auf speziellen Güterzügen heran.
1920 erfolgte noch eine eingleisige Verlängerung der Lößnitzbahn von Kötzschenbroda/Bahnhofstraße nach Alt-Zitzschewig – an den Fahrzeugen war aber „Coswig“ angeschrieben.
Die 1899 beschafften Fahrzeuge in der damals üblichen Spurweite (Bild 1) waren relativ klein, genügten aber anfangs durchaus den Erfordernissen.
Der Gleisunterbau war im Straßenbereich recht einfach und bewirkte im Fahrbetrieb durch Unebenheiten gelegentliches Schaukeln, daher wohl auch der nette Name „Lößnitzschaukel“.
In den Jahren 1929 und 1930 erfolgte eine Modernisierung der gesamten Strecke mit gleichzeitigem Umbau auf das in Dresden noch aus der Pferdebahnzeit stammende Spurmaß von 1450 mm. Die große Eisenbahn hatte schon 1835 eine Spurweite von 1435 mm.
Durch den Umbau gab es nun einen durchgehenden Linienbetrieb ins Dresdner Zentrum, der unbequeme Umstieg in Dresden-Mickten entfiel.
Im Anschluss und während dieser Baumaßnahmen wurde die Strecke von Kötzschenbroda nach Coswig und danach noch bis Weinböhla, vornehmlich auf eigenem Bahnkörper verlängert. Dabei entstand in Coswig ein neuer Betriebshof mit Werkstatt und Wagenhalle sowie eine Gleisschleife, ein Gleichrichterunterwerk und ein Verwaltungs- und Wohngebäude.
Der zweigleisige Ausbau des Streckenabschnittes nach Weinböhla war auch geplant, deren Realisierung aber nie vollzogen.
1930 konstruierte der bei der Dresdener Straßenbahn angestellte junge Ingenieur Alfred Bockemühl, ohne dienstlichem Auftrag gemeinsam mit dem Sachsenwerk Dresden-Niedersedlitz einen völlig neuartigen Großraum-Straßenbahnwagen mit fast 15 m Länge und gänzlich veränderter Technik. So gab es am Fahrerstand keinen Fahrschalter mehr, der Fahrer saß vorn und steuerte den unter dem Fahrzeugboden angeordneten Fahrschalter mit einer Druckknopf-Fernsteuerung.
Auch war der Fahrzeug-Innenraum mit Ledersitzen völlig neu und modern gestaltet.
Damit das Fahrzeug in Kurven sich nicht mit anderen Straßenbahnen im Gegenverkehr behindert, waren die Wagenenden sehr schmal gehalten. Diese Lösung brachte dem Wagen den Zusatznamen „Hecht“ ein.
Sein erster Einsatz in Dresden und auch in Radebeul löste weltweite Beachtung aus und führte sogleich zur Bestellung weiterer 32 Exemplare (Bild 2)
1931/32 kamen dann diese Fahrzeuge in Dresden nach Bühlau und auf der neu geschaffenen Linie 15 zwischen Weinböhla, Radebeul und Dresden-Niedersedlitz zum Einsatz. Diese Linie war dadurch 30,4 km lang.
Verkehrsplaner der damaligen Zeit entwickelten sogar Pläne für einen durchgehenden Schnell-Straßenbahnbetrieb von Pirna über Dresden nach Meißen, der aber nie in die Realität umgesetzt wurde. Lediglich Versuche dazu wurden unternommen, so gab es einmal eine Eil-Linie 115 mit 3 neu konstruierten Gelenk-Wagen auf einem Teilstück dieses Projektes, so auch in Radebeul (Bild 3).
Die Zerstörung Dresdens im Februar und April 1945 durch Bombenangriffe hatte auch den erheblichen Verlust von 175 Straßenbahnfahrzeugen zur Folge. So gingen u. a. auch 8 große Hechtwagen verloren. Eine 1937 noch ausgelöste Nachbestellung über weitere 22 Exemplare wurde nicht mehr ausgeführt. Lediglich ein aus vorhandenen Ersatzteilen entstandener Nachbau 1954 von 2 Fahrzeugen linderte den ohnehin großen Fahrzeugmangel etwas.
Für die Strecke der Linie 15 jedoch konnten diese Fahrzeuge nun nicht mehr zum Einsatz kommen, die bergigen Abschnitte in Dresden nach Bühlau und Coschütz erforderten den konzentrierten Einsatz der verbliebenen Fahrzeuge und das bei weiterem Mangel.
So wurde die bisherige Linie 15 verkürzt, sie fuhr seit 1945 nun nur noch zwischen Weinböhla über Radebeul in die Dresdener Südvorstadt.
Als Fahrzeuge bediente man sich dann der relativ jungen MAN-Fahrzeuge aus den Baujahren 1925/26 (Bild 4).
Als Ergänzung und Ausgleich für den Linienbetrieb von Radebeul nach Dresden-Niedersedlitz wurde am 1. 9. 1949 eine neue Linie 14 eingerichtet. Diese konnte allerdings nur mit sehr alten Fahrzeugen, zum Teil noch aus der Zeit vor 1900 ausgestattet werden.
Ein gewisser Lichtblick, aber nur einer war der zeitweilig begrenzte Einsatz neuer Fahrzeuge, wie dem Kriegsstraßenbahnwagen ET 44 (Bild 5) aus Heidelberg oder dem Lowa-Wagen ET 50 (Bild 6) aus Werdau.
(Fortsetzung folgt)
Wilfried Heinrich, seit 1966 in Dresden