Die Lößnitz mit ihrem gleichnamigen Bach verbindet vier Kirchgemeinden

Im Evangelisch-Lutherischen Kirchspiel in der Lößnitz machen sich seit einem Jahr die vier Kirchgemeinden aus Radebeul, Reichenberg und Moritzburg gemeinsam auf den Weg

Friedenskirche Radebeul


Vielleicht ist einigen Radebeulern im vergangenen Jahr an der einen oder anderen Stelle aufgefallen, dass die beiden im Elbtal gelegenen evangelischen Radebeuler Kirchgemeinden (Luther- und Friedenskirche) sowie jene beiden im sogenannten Oberland der Lößnitz (Reichenberg und Moritzburg) gemeinsam, z.B. in der regionalen Zeitung, informieren. Sehr deutlich wurde dies bei den verschiedenen Angeboten der einzelnen Gemeinden zum Heiligen Abend, die von Gottesdiensten im Freien über Angebote an und in der offenen Kirche bis hin zu kurzen Christvespern mit kostenfreier Eintrittskarte unter Einhaltung der 2G-Regeln reichten. Viele hatten sich auf den Weg gemacht, um mit dem Besuch einer Kirche dem weihnachtlichen Fest durch das Hören der Weihnachtsgeschichte, durch Musik und Worte sowie Begegnungen den besonderen Glanz zu geben, mit dem dieser Tag seit der Kindheit verbunden ist. Möglicherweise war die eine oder der andere an diesem Tag erstmals in einer anderen als der angestammten Kirchgemeinde, weil ein bestimmtes Angebot der persönlichen Situation und den eigenen Bedürfnissen besonders entgegen kam.

Lutherkirche Radebeul


Die vier genannten evangelischen Kirchgemeinden begannen schon vor einiger Zeit, sich über eine gemeinsame Zukunft Gedanken zu machen. Ganz freiwillig geschah dies nicht, sondern erfolgte im Ergebnis eines mehrjährigen Strukturanpassungsprozesses innerhalb der sächsischen Landeskirche. Ziel dieser Veränderungen war und ist es noch immer, Kirchgemeinden über längere Zeit regionale und personelle Strukturen zu geben, durch die auch bei weiter sinkenden Mitgliederzahlen verlässlich Gemeindearbeit möglich ist. Die Landeskirche hatte die Gemeinden in diesen Prozess eingebunden und damit versucht, ihnen einen gewissen Gestaltungsspielraum einzuräumen. In unserer Region war das ein sehr produktiver und konstruktiver Prozess, denn so ganz fremd waren sich die vier Gemeinden ja auch nicht gewesen. Seit Jahren feiern alle Gemeinden zusammen mit der katholischen Christus-König-Gemeinde am Pfingstmontag auf der Schlossterrasse in Moritzburg einen ökumenischen Gottesdienst. Jugendliche aller Orte lernen zum Teil gemeinsam an der gleiche Schule. In der Jugendarbeit war seit längerem mindestens in Radebeul das Zusammenrücken der Jugendgruppen zu erleben. Zum 1. Januar 2021 schlossen sich nun die vier Gemeinden mit rund 8000 Gemeindegliedern und viereinhalb Pfarrstellen offiziell, d.h. vertraglich besiegelt, zu einem Kirchspiel zusammen, das seit Juli 2021 den Namen „Evangelisch-Lutherisches Kirchspiel in der Lößnitz“ trägt. Nun könnte man fragen: Was wird denn in einem Kirchspiel gespielt? Bei Wikipedia ist nachzulesen, dass der Begriff des Kirchspiels auf das niederländische Wort „dingspel” als Bezeichnung eines Rechtsgebietes im 13. Jahrhundert zurückgeht. Das althochdeutsche „spël“ bedeutet „Rede, Verkündigung, Erzählung“ oder aus theologischer Sicht „Predigt“. In dem Sinne beschreibt der Begriff Kirchspiel einen Predigtbezirk eines Pfarrers bzw. einer Pfarrerin. In der sächsischen Landeskirche wird damit im juristischen Sinne eine Gebietskörperschaft bezeichnet, in die Pfarrer und Pfarrerinnen durch die Landeskirche in das Kirchspiel entsandt werden. Sie sind jedoch durch ihre Seelsorgebezirke weiterhin vorwiegend in ihren Gemeinden tätig – stimmen sich aber viel regelmäßiger über ihre Arbeit ab und entwickeln gemeinsame Projekte. Derzeit sind im Kirchspielgebiet über 40 Mitarbeitende in den Bereichen Gemeindepädagogik, Kirchenmusik, Kinderhaus, Verwaltung, Kirchner/ Hausmeister, Friedhöfe angestellt. Das Kirchspiel ist deren Anstellungsträger und verwaltet den gemeinsamen Haushalt. Dafür ist der Kirchenvorstand als Leitungsgremium des Kirchspiels verantwortlich. Dem gehören neben den z.Z. vier im Kirchspiel tätigen Pfarrerinnen und Pfarrern weitere 16 Mitglieder aus allen Kirchgemeinden an. Alle rechtlich bindenden Beschlüsse sind durch den Kirchenvorstand zu fassen. Die Beschlüsse werden inhaltlich durch die verschiedenen Fachausschüsse und die vier Kirchgemeindevertretungen vorbereitet. Letztere beraten als gewählte Leitungsgremien der jeweiligen Kirchgemeinden in monatlichen Sitzungen die konkreten Aufgaben der Ortsgemeinde.

Kirche Reichenberg


Eine besondere Herausforderung war es, diese neuen Strukturen mit Leben zu füllen. Durch die immer wieder erforderlichen pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen sind bisher persönliche Begegnungen sowohl in der eigentlichen Gemeindearbeit mit den Menschen als auch in den unterschiedlichen Arbeitsgremien sehr eingeschränkt möglich gewesen. Vielfältige Sitzungen und Dienstberatungen konnten nur im virtuellen Umfeld stattfinden. Auch das eigentlich geplante „Kirchspiel-Hochzeitfest“ konnte nicht gefeiert werden. Dennoch blickt die Kirchspielleitung dankbar zurück auf das in den ersten 365 Tagen Erreichte und Erlebte. So haben die jeweiligen Ortsgemeinden alle im Kirchspiel tätigen Pfarrerinnen und Pfarrer in ihren Ortskirchen erleben können. Auch in den digitalen Sonntagsgrüßen, die in wechselnden Abständen aufgrund der Pandemiesituation über den YouTube-Kanal des Kirchspielsi erschienen und noch immer abrufbar sind, wirkten viele haupt- und ehrenamtlich Tätige mit und wurden gemeindeübergreifend sichtbar. Über diesen Kanal sind ebenso noch immer die kleinen Rätsel-Videos zu finden, die einiges über die vielen Besonderheiten der Gemeinden und der Kirchen erzählen, ebenso wie Eindrücke vom Rundflug über das Kirchspiel mit dem Gewinner der Rätsels. Im Juni waren alle unter dem Motto „Geh doch mal woanders hin“ eingeladen, mit Gemeindegliedern der anderen Gemeinden ins Gespräch zu kommen. Jugend- und Konfirmandenarbeit wird zunehmend gemeinsam geplant und durchgeführt. Mit Spannung und Freude warten insbesondere die Jugendlichen auf den neuen Gemeindepädagogen, der ab März mit vielen Visionen diesen Arbeitsbereich kirchspielweit mitgestalten wird. Geplant ist, dass in diesem Jahr die gemeinsame Internetseite online gehen und das Kirchspiel über ein einheitliches Logo in der Außenkommunikation erkennbar wird. Seit August 2020, fünf Monate vor dem offiziellen Zusammenschluss der Gemeinden im Kirchspiel, ist der gemeinsame alle zwei Monate erscheinende Gemeindebrief ein inzwischen bekanntes „Gesicht“. Er hält vielfältige Informationen zum Leben in den Gemeinden bereit, beleuchtet, erklärt und diskutiert darüber hinaus auch inhaltliche Themen in ihren Zusammenhängen und mit ihren Hintergründen. Im Interview für den im Februar 2022 erscheinenden Gemeindebrief habe ich den Wunsch geäußert, dass es mit Blick auf die Zukunft wunderbar wäre, wenn der uns gewöhnliche Begriff des Spiels, verbunden mit Tätigkeiten zur eigenen und gemeinsamen Freude, zur Vergnügung oder Entspannung auch auf viele Aktivitäten und Angebote im Kirchspiel zutreffen könnte. Schön wäre es, wenn wir bald mit den Puzzleteilen der einzelnen Gemeinden so zu spielen gelernt haben, dass ein zukunftsfrohes und Mut machendes Bild entsteht, das Lust zum Weiterspielen macht und sich viele Menschen unabhängig ihrer Kirchenzugehörigkeit angesprochen fühlen.

Kirche Moritzburg


Gertraud Schäfer

Vorsitzende des Kirchenvorstandes des Ev.-Luth. Kirchspiels in der Lößnitz

i www.youtube.com/c/KirchspielRadebeulReichenbergMoritzburg

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