Alles auf Lüftung
In der Nachbarschaft wird Fisch gebraten. Der scheint, wie es bei Asterix hieße, „ganz frisch mit dem Ochsenkarren aus Massilia gekommen“ zu sein. Die in der eigenen Küche unwillkommenen Gerüche werden per Abzug durch die Hauswand gegen unsere geblasen. Ulrike wollte, wie sie sagte, lüften und hat Türen und Fenster aufgerissen. Nun ist die fremde Küchenfrische bei uns allgegenwärtig.
Ich hab nichts gegen Fische, wirklich nicht! Wenn sie in den Meeren jagen und sich mit den Teeren plagen, die neben all unseren anderen Hinterlassenschaften sogar die Ozeane in Sümpfe verwandeln, können sie mir sogar leid tun. Auch den Teichen würde ich nicht weichen, in denen sie sich tummeln. Hier sind sie mir sogar ausgesprochen angenehm, denn sie bellen nicht plötzlich, wenn ich vorübergehe. Auf dem Teller aber möchte ich sie nicht sehen, oder gar angesäuert und mit Zwiebeln zwischen eine Semmel geklemmt. Da zieht sich mir schon beim Anblick alles zusammen. In solch einem Moment hat Schiller, so meine Überzeugung, die schöne Zeile geschrieben, „…da wendet sich der Gast mit Grausen…“
Na, jedenfalls haben wir jetzt den Geruch so richtig schön in alle Ecken hineingelüftet.
Lüften ist aber wichtig, ruft Ulrike und wedelt mit einer schon etwas angestaubten Zeitungsseite. Hier, lies: Experten empfehlen das.
Das mag alles sein, sag ich, aber nicht, wenn Fisch in der Luft liegt, und dann auch noch so alter…
Als ich eine Stunde später vor die Türe trete, hat sich die Wolke verzogen. Nachdem bei uns kein Reinkommen mehr war, hat sies offenbar anderswo versucht.
Ich versuchs nochmal mit Stoßlüften, ruft Ulrike fröhlich. Nach Expertenrat genügen fünf Minuten Querlüften, die Luft komplett auszutauschen.
Es riecht immer noch, stelle ich hinterher fest. Deine Experten haben offenbar nicht bedacht, daß unsere Zimmer nicht leer sind und besonders die Ecken – wie heißt das – ausgelastet sind. Versuchs doch mal mit Kreuzlüften.
Kreuzlüften? Ulrike starrt auf ihr Blatt. Was meinst du damit? Ich kanns hier nicht finden.
Denk doch mal mit! brause ich auf. Wenn beim Querlüften die gegenüberliegenden Fenster aufgemacht werden, öffnen wir beim Kreuzlüften auch noch die Türen. Da strömen die Frischlinge aus allen Richtungen durch- und übereinander. Am besten wäre ein ausgewachsener Polarsturm, der nimmt alles mit.
Weißt du was, sagt Ulrike, du trinkst jetzt einen Whisky, son richtigen bösen Schotten, der nach Phenol riecht. Den magst du doch, oder? Und hinterher haste endlich ein anderes Aroma in der Nase.
Richtig, ruf ich, hoch die Tassen und Schluß mit der Lüfterei…
Thomas Gerlach