Schreibwerkstatt (2. Teil) – Elina Markalous

Elina Markalous – Klasse 12 – Lößnitzgymnasium Radebeul

Bis alles anders ist

Mein Schulweg ist jeden Tag der gleiche. Nichts verändert sich, bis ich bemerke, dass alles anders ist.

Meine Nachbarschaft ist klein, gemütlich. Viele Einfamilienhäuser, Nachbarn, die ich täglich grüße. Straßen, die so eng sind, dass die Autos einer Richtung halten müssen.

Jeder Morgen ist gleich, bis ich bemerke, dass die Forsythien blühen und es Frühling ist. Auch jetzt grüße ich meine Nachbarn, die Autos halten nicht immer, wenn sie mich und mein Fahrrad eigentlich durchlassen sollten. Die Vögel zwitschern und meine Freundin fragt, ob ich für Mathe gelernt habe.

Jeder Morgen ist gleich, bis ich bemerke, dass Jeans selbst am Morgen zu warm sind und es Sommer ist. Die Nachbarskinder lärmen beim Fußballspielen, die Autos halten manchmal. In der Pause kauft jemand Eiscreme und teilt mit uns allen.

Jeder Morgen ist gleich, bis ich die Gänse ziehen sehe und es Herbst ist. Ich überlege, ob ich meinen Nachbarn nach seinen Kakteen frage. Ich habe gelernt, in der Mitte der Straße zu fahren, damit die Autofahrer gezwungen sind zu halten. Ich nehme mir Tee in die Schule mit und beschwere mich mit meinen Freunden, dass das Schulgebäude so kalt ist.

Jeder Morgen ist gleich, bis auf einmal der erste Schnee fällt und es Winter ist. Die Nachbarn sehe ich jetzt beim Schneeschippen, auf die Autos muss ich nicht mehr achten, da ich sowieso nicht mehr Fahrrad fahre. Meine Schwester und ich werfen auf dem Schulweg Schneebälle hin und her.

Jeder Morgen ist gleich, bis ich irgendwann keinen Schulweg mehr habe. Nichts verändert sich, bis ich bemerke, dass alles anders ist.

Ich bin nun bald erwachsen, irgendwann ziehe ich weg, versuche meinen Weg in der Welt zu finden. Ich werde andere Nachbarn grüßen, mich über andere Autofahrer ärgern und andere Freunde finden.

Mein Schulweg bedeutet mir meine Welt, denn meine kleine Nachbarschaft wird irgendwann nur noch Teil meiner Erinnerung sein. Denn nichts ändert sich, bis ich bemerke, dass alles anders ist.

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