Thomas Rosenlöcher – ein Nachruf

Was wir mit Thomas Rosenlöcher verbinden – ein ganz persönlicher Nachruf

Redakteur Sascha Graedtke, Thomas Rosenlöcher und seine Frau im Anschluss der Lesung unter den Kastanienbäumen von Hoflößnitz Foto: Karin (Gerhardt) Baum

Die meisten Leser werden sich noch daran erinnern, dass wir 2019 in unserem Heft allmonatlich Texte vom Dresdner Dichter Thomas Rosenlöcher abgedruckt hatten. Und all jene, die dabei waren, werden sich sicherlich gern noch an die stimmungsvolle Lesung mit ihm im Festsaal der Hoflößnitz erinnern. Eine solche Lesung, die wir gern noch einmal wiederholt hätten, wird es leider nicht mehr geben können, denn Thomas Rosenlöcher ist kurz vor Ostern in Kreischa verstorben. Die Feuilletons auch der überregionalen Medien würdigten ihn zurecht als einen bedeutenden Autor, der insbesondere der Dresdner Seele, der sächsischen Lebensart, der ostdeutschen Mentalität Stimme verliehen und diese deutschlandweit vernehmbar gemacht hat. Rosenlöchers Tod berührt uns beide auf ganz persönliche Weise, wie wir im Folgenden erzählen möchten.

1996 in Dresden

Im Januar 1996 hatte ich meine erste Begegnung mit ihm. Ich begleitete eine Freundin in das Café Büchel auf der Hauptstraße in Dresden, weil sie für eine Projektarbeit zu Rosenlöchers Gedichten ein Interview mit ihm führen und mich als Fotografen und fachliche Unterstützung dabei haben wollte. Schon damals beeindruckte mich seine Nahbarkeit, Bodenständigkeit, auch sein Interesse an mir als Germanistikstudenten. Wir fanden schnell gemeinsame Themen. Ermutigt durch diese unverhofft unkomplizierte Erfahrung gewann ich Rosenlöcher vier Jahre später für ein Projekt im Deutschunterricht einer 11. Klasse. Die Schüler setzten sich mit einigen seiner Texte auseinander und schrieben ihm daraufhin Briefe, in denen sie ihre Gedanken und Fragen ausbreiteten. Der Dichter lies mich dann anlässlich eines Besuches bei ihm in Kleinzschachwitz wissen, dass ihn die Sicht der Jugendlichen sehr interessiert hätte, denn normalerweise bekäme er Zuschriften nur von erwachsenen Lesern. Wieder einige Jahre später, es muss 2010 oder 2011 gewesen sein, hatte ich den Einfall, Thomas Rosenlöcher zu einer Lesung an der Schule einzuladen, an der ich damals arbeitete. Ich weiß noch, dass es ein grandioser, weil unterhaltsam-bildender Nachmittag war, an dessen Ende ich mir eines seiner inzwischen auch erschienenen Kinderbücher, „Das langgestreckte Wunder“ kaufte, denn inzwischen war ich dreifacher Vater geworden. Was mir an Rosenlöcher bei meinen Begegnungen immer imponiert hatte, war seine aus dem Herzen kommende Hinwendung zum Moment und den Menschen, die diesen Moment mit ihm teilten. Diese Haltung gepaart mit großer Lebensweisheit spricht aus einer seiner Widmungen für mich in einem seiner Bücher: „Denn wer begriffen hat, wie kurz das Leben ist, hat Zeit.“ Danke, lieber Thomas Rosenlöcher, für Ihre Zeit.
Bertram Kazmirowski

Meine Autorensuche für unsere Lyrikseite des Jahres 2019 führte mich als kühne und doch so naheliegende Idee zu Thomas Rosenlöcher, der mir bis dahin mit einigen Bändchen in meinem Bücherregal seit den Wendejahren bereits wohlvertraut war. Nachdem ich ihn im Herbst 2018 zur Ansicht und Lektüre einige Exemplare unserer „Vorschau“ geschickt hatte, erhielt ich schon bald die Zusage von ausgewählter Lyrik für den kommenden Jahreskreis. In der Folge kam es für Detailbesprechungen und weit über das Jahr hinaus zu einem regen Schriftverkehr und zahlreichen amüsanten Telefongesprächen, nicht selten auch zu fortgeschrittener Stunde. Heute darf ich es wohl als Privileg betrachten, seine wohlbekannte Stimme im Duktus einer selbstbewusst vorgetragenen sächsischen Mundart nicht nur als Kolumne im Radio, sondern oftmals direkt am Telefonhörer gehört zu haben. Zu seiner Bodenständigkeit zählte wohl auch, dass er nach zwei, drei Telefonaten sagte: „Ach, was soll das alberne Gesieze, ich bin der Thomas“, was im inspirierenden Austausch fast zu einer zarten Freundschaft führte.

Zur Lesung am 13.9.19 im Festsaal von Hoflößnnitz

Als literarischen Höhepunkt unseres Lyrik-Projektes 2019 war es mir ein besonderes Anliegen eine Lesung mit Rosenlöcher in Radebeul zu organisieren. In dankbarer Kooperation mit den Mitveranstaltern von Hoflößnitz gelang uns dies am 13.9.19 im wunderschönen Festsaal. Der Abend wurde zu einem überaus gelungenen Ereignis, weshalb die Gäste erheitert und mit zum Teil persönlichen Widmungen in erstandenen Büchern den Raum verließen. Der „Vorschau“- Redaktion und einigen Freunden wurde im Anschluss die Ehre zuteil, diesen herrlichen Herbstabend unter den Kastanienbäumen von Hoflößnitz mit Thomas Rosenlöcher und seiner ihn stets begleitenden Frau bei Wein und verzweigten Gesprächen verbringen zu dürfen. Mit diesen Bildern im Kopf werden wir ihn in Erinnerung behalten.
Wenige Monate später folgte das kulturelle Corona-Vakuum. Im Frühjahr 2021 erhielt ich schließlich eine letzte Mail von ihm mit vielleicht unerkannt ahnungsvollen Vorzeichen:
„Und dichten tu ich schon weiter; scheint freilich eher nur noch langsamer zu gehen als sonst; weil die Zeit stille steht und heimlich doch noch rascher rennt als sonst.“

Sascha Graedtke

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