Ein etwas nüchternes Thema, meinen Sie, sind die im Volksmund Trafohäuschen genannten kleinen, technischen Bauwerke. Wir finden noch ein paar in Radebeul und in den umgebenden Gemeinden, aber sie verschwinden langsam. Ja, ein paar sind auch als Kulturdenkmale in die Denkmallisten eingetragen, die so an die Technikgeschichte erinnern können. In Radebeul sind 4 von 7 ausgewählten Objekten Denkmale, zumindest die äußere Hülle. Seit etwa Beginn des 20. Jh. und z.T. bis heute versorgen diese Bauwerke der Stromversorgung Wohnhäuser, Gesellschaftsbauten und Betriebe mit Strom. Wie ich in der Prinzipskizze darstellen möchte, sind Trafohäuschen ein wichtiges Glied in der Strecke vom oft weit entfernt liegenden Kraftwerk über ein Umspannwerk bis zum Verbraucher.
Die Verbindungen der vier Objekte der Stromversorgung erfolgten zunächst durch Freileitungen unterschiedlicher Spannungsebenen, wurden und werden aber im Laufe der Zeit durch erdverlegte Kabel ersetzt. Soweit zur elektrischen Notwendigkeit vorweg, ich möchte mich aber langsam der äußeren Form, dem städtebaulichen Einfügen und der Frage, ob es auch Nachnutzungen gibt, zuwenden, das fällt mehr in mein Fach. Aus der früheren Zeit, als es nur Freileitungen gab, stammen die hohen, turmartigen Umspannstationen (ca. 10m hoch), weil man ja unter den Freileitungen sich bewegen und auch mit Fahrzeugen durchfahren musste, ohne dass Mensch und Material zu Schaden kommen durften. So wurden vor und auch nach dem 1. Weltkrieg diese turmartigen Gebäude errichtet, wie wir sie in Radebeul noch an der Meißner Straße, der Kötitzer Straße und in Altwahnsdorf finden. An derartigen Trafohäuschen kann man den Baugrundsatz Form folgt der Funktion ablesen – Länge und Breite am Fuß des Turms musste den Trafo aufnehmen können und etwas Bewegungsfreiheit für das technische Personal des E-Werks zulassen. Länge und Breite im oberen Bereich dagegen waren nur für Freileitungsansprung, innere Kabelverbindungen und Leitungsabgänge nötig, hatte also geringere Abmessungen als am Fuß. So kamen die sich nach oben verjüngenden, bzw. nach oben hin abgestuften Bauwerke zustande, was zu den charakteristischen Bauten führte (Beisp. Boxdorf). Zwischen den beiden Kriegen und auch noch nach dem 2. Weltkrieg wurden bei gleicher Höhe die Formen vereinfacht (Beisp. Dippelsdorf). Nach 1945 kamen dann auch ein paar eingeschossige Umspannstationen hinzu (Beisp. Hoflößnitz, 1950 u. Nizzastr.). Zu den älteren, eingeschossigen Trafohäusern gehört das in angepasster Bauweise neben dem Winzerhaus Augustusweg 76 wohl auch um 1950 errichtete. In der 2. Hälfte der 90-er Jahre wurde auf dem Altkötzschenbrodaer Dorfanger ein neues, chices Trafohaus mit Toilette (Büro Atelier 2) gebaut. Heute sind diese Anlagen so verbessert und dadurch geschrumpft, dass sie in einen Betonkubus von etwa 3x2x2m (zB. neben Meißner Str. 285) passen und relativ unauffällig sind. An anderen Stellen, so in Hessen, NRW und Niedersachsen, wurde das Verstecken der Technik auch übertrieben: Trafos erhielten Einhausungen in Form von Litfaßsäulen, neu gebauten Wehrtürmen oder gar kleinen Burgen.
Bei keiner der Bauarten wurde hier Holz, abgesehen von Sparren und Dachlatten, verwendet, weil die Möglichkeit eines Trafobrandes nicht restlos ausgeschlossen werden kann. Die älteren Modelle haben durch Gestaltung, Materialwahl und Standort eine gewisse Ästhetik und Wirkung im Stadtgebiet (Beisp. Moritzburg) und können als interessante Bauwerke wahrgenommen werden oder haben eine Orientierungsfunktion (Beisp. Meißner Str., um 1910). Eine gute gestalterische Einbindung muss auch den drei eingeschossigen, in den frühen 50-er Jahren entstandenen Umspannstationen an der Hoflößnitz, an der Nizzastr. und am Augustusweg attestiert werden, die nachweislich von Architekten (Gottfried Kinzer u. Otto Röder) entworfen wurden, wo im Falle unterhalb der Hoflößnitz die Einbindung des Trafohäuschens mit Natursteinwänden in eine ältere Natursteinmauer gelang und in der Nizzastr. ein Künstler (Reinhold Langner, zwei Holzfiguren) mitwirkte und wo eine kleine Grünanlage mit Sitzgelegenheiten entstanden ist. An allen anderen Trafohäuschen ließ sich kein Entwerfer mehr ermitteln.
Die Standorte sind in den Ortschaften jeweils so zentral gewählt, dass ein Wohngebiet mit möglichst kurzen Leitungen oder Kabeln versorgt werden kann. Das kann an Plätzen, Straßenkreuzungen oder in der Nähe des Gasthofs sein (Beisp. Wilschdorf). Bei ein paar Umspannstationen muss es wohl ein Wiederverwendungsprojekt gegeben haben (Beisp. Wahnsdorf, Reichenberg, Boxdorf u. Wilschdorf), weil diese Bauwerke sich sehr ähneln.
Irgendwann haben die Umspannstationen dann ausgedient, was zuständigkeitshalber durch die örtliche Energieversorgung festgelegt wird. Üblich ist dann der Abriss des Trafohäuschens, sofern es nicht als Kulturdenkmal erfaßt ist. Ein solcher Abriss erfolgte in Radebeul um 2000 an der Kötitzer Str. / Tännichtweg, da, wo heute nur noch eine dreieckige Wiese zu sehen ist. Bei solchen Trafohäuschen ohne elektrische Funktion kann man eventuell über eine neue Nutzung nachdenken, es bieten sich aber leider nur wenige Möglichkeiten an. Auf Grund der geringen Abmessungen dürfte Wohnen schon mal ausscheiden. An den Standorten Wahnsdorf und Boxdorf hat die Sächsische Landesstiftung Natur und Umwelt versucht, die Türme als Schlafplätze für Fledermäuse herzurichten. Mit welchem Erfolg konnte mir in Wahnsdorf bisher niemand sagen. Hier finden wir Schilder, die auf die mögliche Anwesenheit von Fledermäusen hinweisen. Das nicht mehr am Netz befindliche Wahnsdorfer Trafohäuschen ist so sehr von Efeu umsponnen, dass die Fledermäuse kaum noch Einflugstellen finden würden. In der Gemeinde Wilschdorf hatte man das graue Gebäude wohl satt und gewann einen Künstler dafür, die Umspannstation zu bemalen. Das sieht ganz lustig aus, wenn eine nette Oma aus einem nicht existierenden Fenster schaut, ist aber nach meinem Geschmack etwas zu viel des Guten. Im linkselbischen Weistropp steht z.Z. ein Trafohäuschen, das fast die gleiche Bauart hat wie das Moritzburger, ohne Putz da. Vielleicht ist hier mit einer neuen Nutzung zu rechnen? Man erkennt hier, dass sie üblicherweise in Ziegelbauweise errichtet wurden. Angedachte Nutzungen als Umbau zum Kiosk sind aber bisher daran gescheitert, dass die Fußböden durch geringe Mengen Tropföl von den Trafos über die Jahre kontaminiert sind und auch die Wände noch lange den herben Ölgeruch verströmen. Daran scheiterte vor ca. 12 Jahren der Versuch, Speiseeis im Trafohäuschen neben der Gaststätte „Zu den Linden“ zu verkaufen. Schade, denn dieses Objekt liegt zentral und hat eine besonders charakteristische Form, die mit den Jugendstilbauten Karl-Marx-Str. 1 und 2 korrespondiert und den Platz vor der Gaststätte beherrscht. Hier wird jetzt aber ein von der Stadtverwaltung ausgelöstes Projekt zu Sanierung und neuer Nutzung im Architekturbüro ASI erarbeitet. Das Ziel ist es, dass im ehem. Trafohaus Schaltschränke anderer Rechtsträger einen sicheren Platz finden und damit im Stadtbild nicht mehr stören sollten. An diesem Objekt ist ersichtlich, dass um 1910 schon versucht wurde, die Außenwände aus dem modernen Baustoff Beton herzustellen.
Danken möchte ich meinem ehemaligen Kollegen Ingenieur Karlfried Müller für Gespräche über Elektrotechnik und damit in Zusammenhang stehende Gebäude. Architekt Scharrer danke ich für den Einblick in ein neues Radebeuler Projekt.
In Betrieb befindliche Umspannstationen erkennt man in der Regel an den amtlichen Blechschildern „Vorsicht Hochspannung“ oder salopp ausgedrückt daran, dass sie selten von Spraychaoten auf ihre Art farblich gestaltet wurden. Aber verlässlich ist letzteres auch nicht, denn das Beispiel Nizzastr., offenbar am Netz, wurde trotzdem besprüht.
Mit dem heutigen Thema nun habe ich die meisten Trafohäuschen in Radebeul und Umgebung Revue passieren lassen und so etwas Interesse für ein eher trockenes, dennoch wichtiges Thema wecken können, das würde mich freuen.
Der Aufsatz ist dem Kunsthistoriker Dr. Volker Helas (gest. 12.08.22) gewidmet, der bereits in den 80-er Jahren in Hessen einige dieser technischen Bauwerke als Kulturdenkmale erkannt hatte.
Dietrich Lohse
Literaturhinweis: „Zwischen Kraftwerk und Steckdose“, Michael Neumann, Jonas Verlag Marburg, 1987