Das alljährlich am letzten Oktoberwochenende jeden Jahres in unserer Ortschaft stattfindende beliebte Fisch- und Waldfest soll Anlass sein, sich an die Anfänge der hiesigen Teichwirtschaft zu erinnern. Der sehr auch um die ökonomische Entwicklung seines Herrschaftsbereiches bemühte Sachsenherzog Georg der Bärtige (regiert von 1500 bis 1539) ließ im Jahre 1501 in unserer Region die ersten Teiche mit dem Ziel der Versorgung seines Hofes mit einheimischem Fisch anlegen. Es waren zunächst die in einer Geländemulde bei Volkersdorf befindlichen Waldteiche. Sie nehmen heute eine Fläche von 39,1 Hektar(ha) ein. Ihnen folgte bereits ein Jahr später der Großteich bei Bärnsdorf mit einer Fläche von 88,4 ha vor seiner späteren Teilung. Die Teichwirtschaft erlebte in der Folgezeit einen raschen Aufschwung. Noch im 16. Jahrhundert wurden außerdem der Köckritzteich, der Furtteich, der Neuteich und der Dippelsdorfer Teich (alle 1528), der Frauenteich, die beiden Altenteiche, der Mittelteich, der Sophienteich (alle 1537) und der Ilschenteich sowie der Neu- und der Großteich in der Nähe der Mistschänke (alle 1570) angelegt. Die im Jahre 1570 erfolgte Vermessung der Moritzburger kurfürstlichen Teiche ergab eine Fläche von „1077 Acker und 112 Quadratruten“. Das entsprach stattlichen 596,22 Hektar(ha).
Mit 39 Teichen im Amt Moritzburg wird im Jahre 1576 zunächst deren größte Anzahl im 16. Jahrhundert erreicht. Das war der erste Höhepunkt des Teichbaus. Dementsprechend erhöhten sich auch die Fischerträge. Nach den Unterlagen für die Jahre 1735 bis 1752 wurden im Bereich des Amtes Moritzburg jährlich durchschnittlich 17,1 Tonnen Fisch geerntet, davon knapp 90% Karpfen. Damit entfielen ca. 30% der gesamten sächsischen Fischproduktion auf Moritzburg. Dennoch nahm sich der damalige Fischertrag im Vergleich zu späteren Zeiten bescheiden aus. Aber insbesondere der Karpfen galt als gefragte Delikatesse am kurfürstlichen Hof während der jährlichen Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern.
In einem Verzeichnis des weit gefassten Amtes Moritzburg vom 26.08.1828 sind 48 Teiche aufgelistet. Bis zum Jahre 1849 hat sich die Teichfläche im Moritzburger Gebiet mit 38 Teichen verkleinert (516,8 ha). Unser Moritzburger Ortschronist Dr. Grünwald listet in unserer Region im Jahr 1873 insgesamt wieder 42 Teiche auf. Bis 1869 verringerte sich die Teichfläche jedoch auf 379 ha. Zahlreiche Teiche wurden vor allem zur Gewinnung von landwirtschaftlicher Nutzfläche trockengelegt. Außerdem konnten die Erträge je ha Teichfläche gesteigert werden. Um 1945 sind noch 34 Teiche mit 394,7 ha dokumentiert. Dazu ist zu berücksichtigen, dass bei diesen Flächenangaben neben der nutzbaren Wasserfläche auch der Uferraum, die verschilfte Wasserfläche und Wiesenwuchs, einbezogen sind.
Die Teiche dienten von Anbeginn nicht nur der Fischzucht, sondern auch Rohr, Schilf und Gras auf den Dämmen fanden Verwertung. Außerdem wurden in früheren Jahrhunderten entsprechend der seinerzeitigen Wirtschaftsweise die Teiche aller 7 bis 9 Jahre trockengelegt und zum Anbau von Hafer und Gerste oder als Wiese genutzt. In der Feudalzeit hatten die Untertanen Frondienste an den Teichen zu leisten. Sie bestanden aus so genannten Hand- und Gespanndiensten beim Abfischen oder aus Reparaturarbeiten. Ab dem Jahre 1784 wurde die gesamte Moritzburger Teichwirtschaft von sächsischen Kurfürsten an den Grafen Marcolini verpachtet.
Bis zur Novemberrevolution 1918 blieb die Moritzburger Teichwirtschaft zunächst in königlichem Besitz. Mit dem Thronverzicht von Friedrich August III. fiel das gesamte fiskalische Eigentum der Krone zunächst dem Staat zu. Im Ergebnis der Auseinandersetzung zwischen dem Freistaat Sachsen und dem Hause Wettin wurden jedoch im Jahre 1924 Vermögensteile auf den Familienverein „Haus Wettin Albertinische Linie e. V.“ übertragen. Dazu zählte auch die Moritzburger Teichwirtschaft. Das blieb so bis zum Jahre 1945. Die Teichwirtschaft wurde bis dahin als selbständige Wirtschaftseinheit verpachtet. Ab 1920 war der renommierte Fischzüchter W. Rosengarten der Pächter.
Auf der Grundlage eines Befehls der Sowjetischen Militäradministration vom 30.10.1945 wurde der Verein „Haus Wettin Albertinische Linie“ aufgelöst und dessen Vermögen in behördliche Verwahrung genommen, soweit es nicht schon durch die Bodenreform enteignet worden war. Letzteres traf für die Moritzburger Teiche zu. Bis zum Jahre 1960 wurde die Teichwirtschaft Moritzburg durch die Firma Rosengarten jun. privat bewirtschaftet. 1961 stellte man sie im Rahmen der Gründung eines volkseigenen Großbetriebes der Binnenfischerei im Bezirk Dresden zusammen mit weiteren Fischereibetrieben unter staatliche Leitung. Alle Pächter wurden dabei abgelöst. Sie erhielten ihr Eigentum finanziell vergütet und konnten jedoch nach ihrem Wunsch sowie bei entsprechender Qualifizierung im volkseigenen Betrieb weiterarbeiten.
In den Jahren bis 1990 erreichte die Teichwirtschaft Moritzburg unter Leitung von Gerhard Schulze in der Fischerzeugung Spitzenleistungen in Höhe von durchschnittlich 1522 kg/ha Teichnutzfläche. Durch immer höher werdende Belastungen der Teiche mit Phosphaten und Stickstoff seitens der Industrie und der Kommunen kam es in den 80er Jahren zu Störungen im Ökosystem der Teiche. Es verringerten sich die Unterwasser-Pflanzen und spezielle Tierarten wie Lurche und Vögel wurden verdrängt. Andererseits nahmen die Bestände an fischfressenden Tieren wie Graureiher, Komoran, Fischotter und Nerz zu. Das beeinträchtigte die Erträge.
Nach der gesellschaftlichen Wende 1989/1990 ging die intensive Fischproduktion in den Moritzburger Teichen zu Ende. Das Massenangebot an Seefisch und an billigen Fertigerzeugnissen erschwerte den hiesigen Süßwasserfischabsatz erheblich. Nach der Privatisierung der Großbetriebe der Binnenfischerei im Jahre 1992 wurden die weiter in staatlichem Besitz befindlichen Teiche an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) unter der bewährten Leitung von Gerhard Schulze verpachtet.
Die Ertragsgrenze liegt heute unter Nutzung der natürlichen Produktivität der Teiche und bei nur geringer Zufütterung mit 500 kg je ha Teichnutzfläche wesentlich niedriger. Dadurch wird aber eine verbesserte Fischqualität erzielt und die Umwelt spürbar entlastet.
Gegenwärtig liegt die Moritzburger Teichwirtschaft GmbH in den sicheren Händen von Henry Lindner und seiner Mannschaft, die zum Zeitpunkt des Abfischens von weiteren Helfern in Form von Pauschalkräften unterstützt wird. Abgefischt werden vornehmlich dreisömmrige Speisekarpfen – Fische, die über drei Jahre bis zu ihrer Verkaufsreife herangezogen worden sind.
Die natürlichen Gegebenheiten und der fortbestehende nahe Absatzmarkt bei entsprechender Nachfrage mögen der von Generationen geschaffenen und unterhaltenen mehr als fünfhundertjährigen Moritzburger Teichwirtschaft auch künftigen Fortbestand sichern. Die letzten Jahre waren für den neuen Teichwirt Henry Lindner nicht einfach. Einerseits fehlte es in den Teichen durch die vorangegangenen Hitzesommer erheblich an Wasser Außerdem fielen gefiederte Fischräuber – die Komorane – oft in Scharen von bis zu über 100 Vögeln über die Teiche her. Zwar darf Henry Lindner mittlerweile zur Vergrämung der Vögel schießen, jedoch ist das nach seiner Aussage sehr zeitaufwändig und nicht immer erfolgreich. In einigen Teichen holen sich die Fischräuber Komoran und Fischotter auch einjährigen Fischnachwuchs, so dass der Teichwirt gezwungen ist, zusätzliches Geld für den Kauf von Satzfischen auszugeben. Da zudem in einem Winter durch milde Temperaturen das Eis als Schutz vor den gefräßigen Vögeln fehlte, gab es im Niederen Großteich fast einen Totalausfall. Statt geplanter 30 Tonnen wurden nur 5 Tonnen Fisch herausgeholt. Im vergangenen Jahr betrug die gesamte Fischernte gerade einmal 80 Tonnen – der bislang schlechteste Ertrag. In der Regel werden jährlich 130 bis 150 Tonnen geerntet, in guten Jahren sogar 180 Tonnen. Geringere Mengen werden nach Auffassung von Henry Lindner wohl künftig zur Normalität werden.
Neben diesen Problemen verringerten sich die Verkaufsmöglichkeiten sowohl durch die Corona-Epidemie (ausgefallenes Fisch- und Waldfest im Vergangenen Jahr) als auch durch Importe aus Tschechien, die der Großhandel zu Dumpingpreisen angeboten hatte. Henry Lindner versucht deshalb, neue Verkaufsmöglichkeiten zu erschließen. Er bietet jetzt auch höherwertige Produkte in Form von Filets oder geräuchertem Fisch aus eigener Räucherei an. So läuft der Absatz nach seiner Einschätzung gegenwärtig zufriedenstellend. An eine ernsthafte Gefährdung der Moritzburger Teichwirtschaft glaubt Henry Lindner offensichtlich nicht. Deshalb widmet er sich auch der Ausbildung von Nachwuchs. Zurzeit hat sein Betrieb zwei männliche Lehrlinge. Günstig für eine gut funktionierende Teichwirtschaft wäre indessen, die in letzter Zeit etwas ins Stocken geratene Entschlammung weiterer von seinen 24 bewirtschafteten Teichen durch den Freistaat Sachsen zügig fortzusetzen. Der Dippelsdorfer Teich, der Mittelteich, der Sophienteich, der Köckritzteich, der Obere Waldteich u. a. Teiche warten noch darauf.
Mit dem alljährlich am ersten Septemberwochenende stattfindenden Hoffest in Bärnsdorf leistet Henry Lindner außerdem einen willkommenen Beitrag zur breit gefächerten regionalen Festkultur.
Die Gruppe Ortschronik Moritzburg,
die sich dankbar auf Quellenmaterial von Gerhard Schulze sowie auf Informationen von Henry Lindner stützen konnte.