Beckert – der Brachialromantiker

 

Der Mensch ist nicht gern allein. Wer Beckert sagt, muss in diesem Fall nicht nur Jürgen B. Wolff erwähnen, sondern mindestens auch Peter Till anfügen, der sicher nicht nur den Radebeulern als Duo „Herr Beckert & Vergissmeinnicht“ noch bekannt sein dürfte. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an ihren Auftritt zum Künstlerfest 2008 im Rahmen des Sommerprojektes „ArbeitsWelten“, veranstaltet von der Stadtgalerie Radebeul. Aber auch Solo ist Peter Till mit seinem „Universal Druckluft Orchester“ bestens bekannt. Für Tills Geburtstag 1991 verfasste Beckert u. a. diese Zeilen:

Mit übler Rede schlimmster Sorte –
Im Gehirnsaft gut gegart
Lallten druckreif aus ihm Worte –
Wein und Veritas gepaart

Darum freilich geht es in diesem Beitrag nicht, wenngleich hier die Richtung schon etwas angedeutet werden soll. Es geht auch nicht so sehr um das „Duo Sonnenschirm“, deren Protagonisten Dieter Beckert und Jürgen B. Wolff sind, als vielmehr um Dieter Beckert selbst. Wer aber Beckert sagt, kann zumindest die beiden anderen nicht links liegenlassen. Aber der Reihe nach.

Buchcover Rückseite:Ballhornsche VerlagsAnstalt Leipzig/Dresden 1997

Beckert und Wolff sind gewissermaßen ein Paar. Also nicht im herkömmlichen Sinne. Sie sind vielmehr Vollblutmusiker mit vielseitigen Begabungen, die sich bereits 1986 zum „Duo Sonnenschirm“ zusammenfanden, welches sie auch als „brachialromantisches Kabarett“ verstehen. In Daniil Charms (1905–1942), Lene Voigt (1891–1962) und den polnischen Dichter Konstanty Ildefons Ga?czy?ski (1905–1953), der behauptete, ein „Haus ohne Käse ist wie ein Hund ohne Grammophon“, sieht u. a. die Musik-Formation als ihre „Ahnen“. Gemeinsam haben Beckert und Wolff im Laufe der Jahre viele Musikprojekte verwirklicht, für die sie mehrfach mit dem „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ ausgezeichnet wurden. Die Wurzeln des Duos liegen in der Folkmusikbewegung der 1970er Jahre in der DDR. Man könnte sie auch als etwas eigenartige „Liedermacher“ bezeichnen.
Aber beide musizieren nicht nur miteinander. Ihre selbstverfasste Musik braucht natürlich auch Texte und die stammen größtenteils von Dieter Beckert. Schade wäre freilich, wenn diese nur zu den Konzerten zu hören wären. Was also tun? Ganz einfach: Man schreibt ein Buch! Und so erschien im TOM VERLAG LEIPZIG 1993 DIE LIEBE IN DEN ZEITEN DER KOHLÄRA. EIN BRETTLBUCH. Die Herausgeber: Dieter Beckert & Jürgen B. Wolff vom „Duo Sonnenschirm“. Es umfasst auf annähernd 200 Seiten Texte, Gedichte, ein kleines Stück, Grafiken (Wolff) sowie zwischen all den Köstlichkeiten auch ein wenig zur Geschichte vom „Duo Sonnenschirm“, angereichert mit Fotos. Der Tagespiegel (Berlin) schätze damals ein: „Da kann man noch so lange suchen – andere Kleinkünstler, die mit vergleichbaren oder ähnlichen Darbietungen wie das Dresdner Duo Sonnenschirm ins Rampenlicht treten, sind derzeit auf der gesamtdeutschen Brettl-Szene nirgends auszumachen.“.
Ganze zwei Jahre später brachten die Beiden mit dem Roman Das Hanebuch von 1984. DIE BRACHIALROMATISCHE URFAUS oder DAS ENDE DER LEBERTRANEN-DYNASTIE heraus, eine hanebüchende Geschichte, die dem Leser in das XXXV. Jahr der Lebertranen-Dynastie führt. Die Illustrationen und Schaubilder stammen wieder von Jürgen B. Wolff.

Buchcover Rückseite: Connewitzer Verlagsbuchhandlung Leipzig 1995 und dem »Igel-Verlag

Das dritte Buch dieser Art kam 1997 unter dem Titel ZuverSicht Ist | Des | Schiffers UferLicht in der Ballhornschen Verlags Anstalt heraus und enthält neben den Texten auch Fotos, Grafiken und Collagen.
Beckert’s Texte folgen nicht dem Tradierten. Vielmehr strotzen sie vor eigenen Wortschöpfungen, Verballhornungen bis ins Obskure gehend, bleiben aber eng am alltäglichen Leben. Man sollte sie nicht bierernst nehmen, sich vielmehr am Fluss des Textes und dessen Wendungen erfreuen.
Für die zwölf Ausgaben von Vorschau & Rückblick des Jahres 2023 werden Geschichten und Gedichte aus allen drei Bänden ausgewählt.

Karl Uwe Baum

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