Erziehung…?
Lange habe ich gegrübelt, wo dieses schreckliche Wort herkommt und wie lange sich die Menschen schon damit gegenseitig tyrannisieren. Das Wort beginnt ja mit den drei Buchstaben E R Z, und blitzartig schoss mir dann dieser vermaledeite Spruch „des großen Führers“ durch den Kopf, den ich sicher jetzt nicht zitieren muss. Der Spruch stammt wohl von 1935. Erz ist hingegen seit dem 9. Jahrhundert im Althochdeutschen als aruz (Roherz) bekannt. Über den Begriff „Erziehung“ bin ich mir eher unschlüssig, seit wann der durch die Welt geistert und alle verrückt macht. Forscher meinen gar, dass es ein derartiges Wort oder eben eine anverwandte Bezeichnung rein hypothetisch schon im Urgermanischen, etwa im 1. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, gegeben haben könnte. Gut möglich! Auch an mir wurde und wird schon immer herumerzogen. Da will ich jetzt nicht ins Detail gehen. Gefruchtet hat es vermutlich kaum, so glaube ich zumindest. Aber man kann ja nie wissen… Denn das ist ja bei dieser Sache das Perfide: Die Erziehung erfolgt meist über das Unterbewusstsein. Da nützt es wenig, wenn beständig der Ruf nach mehr Respekt laut wird. Hier fragt man sich doch wofür und vor wem? Vor einem vergeigten Sanierungsgebiet, einer verkorksten Schulplanung, einem unfähigen Beamten oder einer desolaten Pandemiebewältigung? Von den anderen Dingen ganz zu Schweigen. Meine Erfahrung ist, dass wir ein Leben lang damit beschäftigt sind, die eigenen und die Unzulänglichkeiten der Anderen auszubügeln. Und vermutlich wird das auch nicht anders – mit und ohne Respekt.
Respekt, was für ein fürchterliches Wort! Es ist sicher kein Zufall, dass es erst im 16./17. Jahrhundert aufgekommen ist und aus dem Französischen stammt. Wie war das gleich nochmal? Hatte nicht das absolutistische Frankreich unter Louis XIV. im Dreißigjährigen Krieg gerade die Vorherrschaft über Europa gewonnen? Da bekommt das Wort „Respekt“ zwangsläufig einen ganz andern Klang, mal davon abgesehen, dass dieser Begriff in verschiedenen Sprachräumen ganz unterschiedliche Gebrauchsgeschichten aufweist und verschieden ausgedeutet wird. Im englischsprachigen Raum versteht man darunter mehr die Achtung vor jedem Menschen. Hierzulande wird es eher als eine Art von soldatischer Unterwerfung verstanden, die auch noch heute zu spüren ist in der Form von Hörigkeit vor Vorgesetzten oder Amts- und Uniformträgern. Der Herr Schutzmann war in Deutschland schon immer eine Respektsperson, schien er doch das Gesetz an sich zu sein. So ist es eben nur ein kleiner Schritt vom eingeforderten Respekt zum unbedingten Gehorsam. Freilich hat sich da im Laufe der Zeit viel geändert. Vor der Polizei hat man schon lange den Respekt verloren, auch weil sie ihrerseits mitunter den Respekt vorm Volk vermissen lässt.
Nun ist der Begriff „Erziehung“, wie die Experten sagen, reichlich „unscharf“. Er hängt sicher maßgeblich von der politischen Wettererlage ab und die schwankt ja bekanntlich, wie man nicht nur an dem Spruch vom „auch so lieben Adolf“ sehen kann. So wie ich aber vermute, erziehen nicht nur die Erziehungsbeauftragten, sondern auch der Staat und die Behörden pausenlos an ihrem Volk herum. Da klingen mir Worthülsen wie „unsere sozialistischen Menschen“, von einem „Land, das sich unterhakt“ oder vom „fruchtbringenden Zusammenleben“ in den Ohren.
Ganz allgemein sieht der österreichische Erziehungswissenschaftler Wolfgang Brezinka in der Erziehung die Beeinflussung von Menschen mit dem Ziel, sie „dauerhaft zu verbessern oder ihre als wertvoll beurteilten Komponenten zu erhalten“. Hm…, Naivität oder Absicht?
Und wenn ich mich recht an meine Kindheit erinnere, hatten die allgemeinen moralischen Gardinenpredigten meiner Erziehungsberechtigten und derer, die sich dafür hielten, keinerlei Einfluss auf mich und taugten bestenfalls dazu, deren persönliches Gewissen zu beruhigen. Da hatte die Zwangsmitgliedschaft in der HJ ab 1939 schon eine ganz andere Wirkung. Aber diese Zeiten haben wir ja glücklich hinter uns gelassen. Schließlich muss in einer Demokratie auch was für die kleine Frau und den kleinen Mann herauskommen, wenn schon alles teurer geworden ist.
Ich für meinen Teil halte es lieber mit der englischen Auslegung des Wortes Respekt, meint
Euer Motzi