Säulen waren für mich früher immer mit großen Prachtbauten wie Schlösser, Theater oder Museen verbunden, die Baumeister Ziller hatten aber kaum Schlösser gebaut, allenfalls Ernst Ziller in Athen, die kennt man aber hier kaum. In Radebeul ist auch nicht jedes Zillerhaus mit Säulen versehen worden, aber doch einige. Wir finden Säulen vor allem bei den frühen Bauten, etwa von 1860 bis 1880. Hierbei kann man von einer Nachwirkung des Klassizismus von Schinkel sprechen, der, als Ernst (1837-1923), Moritz (1838-1895) und Gustav (1842-1901) Ziller auf Bau- und Hochschulen in Dresden und Wien ausgebildet wurden, noch im Lehrplan war. Der Klassizismus stand am Anfang des 19.Jh. in seiner Blüte und sein Einfluss wirkte bis etwa 1880 nach. Er wollte die üppigen Formen von Barock und Rokoko überwinden und entwickelte neue, strengere Formen aus der griechischen Antike heraus.
Nach der Definition ist eine Säule eine Stütze von zylindrischer Form, welche eine darauf ruhende Last auf den Boden überträgt. Die Säule besteht aus einem oberen Teil, dem Kapitell, dem Schaft und einer Basis. Sie hat in der Regel zwei Funktionen, eine statische und eine schmückende. Manchmal finden wir als Sonderform Halbsäulen, längs geschnittene und an die Hauswand gestellte Säulen. Die antiken Säulen werden durch drei Kapitellformen unterschieden und deren Namen – dorische, ionische und korinthische Säule – beziehen sich auf griechische Landschaften bzw. Städte. Die baugeschichtlich ältesten sind die dorischen Säulen, gefolgt von den ionischen, dann den korinthischen. Beim genaueren Betrachten der Radebeuler Zillerhäuser erkennen wir, dass hier alle drei klassischen Säulen Verwendung fanden.
Der älteste der Zillerbrüder, Ernst, war in Radebeul kaum in Erscheinung getreten, hatte aber in Griechenland und Athen Staatsbauten und viele Villen realisiert: u.a. das Nationaltheater Athen, die Villa für seinen Freund und Archäologen Heinrich Schliemann und eine Villa für O. u. A. Stathatos, natürlich auch mit Säulen. Die waren durchaus Vorbilder für seine Brüder in der Lößnitz, Moritz und Gustav Ziller, die ab 1867 als Gebr. Ziller firmierten. Sie wollten in Ober- und Niederlößnitz sowie Serkowitz Häuser für breite Schichten der Bevölkerung, Villen, Mietvillen und Landhäuser (darunter Schweizerhäuser), bauen. Säulen finden wir aber nur bei Villen und Mietvillen, also bei Häusern für die obere Klientel. Für das Studium der Säulen bieten sich Spaziergänge in der Zillerstraße, der Dr.-Schmincke-Allee und der Eduard-Bilz-Straße an. Im Vergleich mit hier zeitgleich tätigen Kollegen, u.a. F.E. Kießling, Gebr. Kießling, Gebr. Große, A. Neumann oder F.W. Eisold, erkennen wir, sie verwendeten vergleichsweise weniger Säulen als die Gebr. Ziller bei ihren Bauten.
Bei den Zillervillen fällt die Baugruppe Loggien mit Balkonen ins Auge, wo wir immer wieder Säulen in Kombination mit quadratischen Stützen erkennen – Stütze, Säule, Säule, Stütze eine Reihe bildend, z.B. „Villa Falkenstein“ Eduard-Bilz-Str. 44. Oder als andere Kombination Säulen verschiedener Form übereinander bei zweigeschossigen Loggien, unten 2 dorische Säulen, darüber 2 ionische (Dr.-Schmincke-Allee 9).
Diese Anordnung erfolgte offensichtlich bewusst: unten die ältesten Säulen, darüber jüngere Säulenarten. Bei den Säulenschäften aus Sandstein dominieren glatte Schäfte. Gelegentlich sehen wir auch kannelierte Säulen wie an der Zillerstr. 1, Meißner Str. 150 und Friedhofstr. 11. Die Basen variieren weit weniger, sie ähneln in der Form am ehesten den dorischen Kapitellen. Im Falle des Kindergartens Mohrenhaus, Moritzburger Str. 51, finden wir 4 korinthische Säulen, deren Schäfte mit Netz- und Blattwerk verziert wurden. Bei einem Objekt gibt es den Hinweis auf eine Athen-Radebeuler Zusammenarbeit. Nach einer in Athen 1901 von Ernst Ziller auf Wunsch gefertigten Zeichnung (Verkleinerung der Front der Athener Akademie) baute Paul Ziller (1846-1931), er betrieb unabhängig von der Firma Gebr. Ziller ein eigenes Baugeschäft, im Friedhof Radebeul Ost das spätere Grabmal für Karl May. Aber eigentlich gebaut wurde es für den 1901 verstorbenen Mann von Klara Plöhn, Mays späterer Ehefrau – etwas komplizierte Zusammenhänge, die bei o.g. Thema
aber nicht weiter dargelegt werden müssen. Bei diesem Grabmal dominieren in der Front (von Süden gesehen) 4 ionische kannelierte Säulen, links und rechts im gleichen Abstand, in der Mitte etwa mit doppeltem Abstand, d.h., die Säulen sind hier rhythmisch geordnet. Hier fällt auf, dass die jeweiligen Enden der Säulenreihe nicht durch eckige Stützen sondern durch Säulen mit vierseitigen ionischen Kapitellen (eine Sonderform!) gebildet wurden. Als weitere Möglichkeit des Einsatzes von Säulen können wir Eingangsbereiche betrachten, wie z.B. beim historischen Hauptgebäude des Krankenhauses, Heinrich-Zille-Str. 13 oder der alten Schule Serkowitz, Straße des Friedens 35 (die bunte Gestaltung dieser Säulen dürfte nicht im Sinne der Zillers erfolgt sein), wo auffallend ähnliche Säulen die jeweiligen Haupteingangstüren flankieren.
Wir sehen an den o.g. Beispielen, die Säulen können vom Architekten in verschiedenen Kompositionen angeordnet und variiert werden. Durch die Säulen wird die Gestaltung eines Hauses bereichert, das Haus wird dadurch auch einprägsamer und schöner. Bei den Zillerschen Säulen erkennen wir, dass der Faktor „Schönheit“ im Vordergrund steht und die „Statik“, zweifellos vorhanden, aber nur zu erahnen ist, also in den Hintergrund tritt. Die hier mit Adresse aufgeführten Gebäude sind bis auf die Straße des Friedens alle Kulturdenkmale.
Dietrich Lohse