Museum der Zukunft in Radebeul?

Aus einer Gesprächsrunde im Lügenmuseum

„Das Museum of the Future an der bekannten Schnellstraße der Stadt, der Sheikh Zayed Road, ist eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten von Dubai. Das von der Dubai Future Foundation gegründete Museum, das am 22. Februar 2022 eröffnet wurde, erforscht, wie die Gesellschaft sich mithilfe von Wissenschaft und Technologie in den kommenden Jahrzehnten entwickeln könnte.“

Mit diesem Text und dem Abbild einer riesigen stählernen Plastik mit arabischen Schriftzeichen inmitten einer von Hochhäusern geprägten Stadtlandschaft lockt eine Webseite die Nutzer an, sich auf ihr und natürlich besonders vor Ort in der Stadt und im Museum umzusehen. Den Aufenthalt in Dubai kann man da gleich mit buchen. Und wie selbstverständlich ist auch der Text der Seite natürlich in Deutsch verfasst.

Die Plastik entpuppt sich schließlich als das eigentliche Museum, in welchen der Besucher erfährt, wie unserer Leben in 50 Jahren aussehen könnte. In der Hauptsache geht es um Themen wie Raumfahrt, Lebensstil, Klimawandel, Umweltschutz, Gesundheit und Spiritualität. Wer dieses Museum betritt, wähnt sich, bereits in der Zukunft angekommen zu sein. Die Karte ist schon ab 35 Euro zu haben.
 
So spektakulär freilich und so teuer ging es am 1. März dieses Jahres in Radebeul nicht zu. Auch das Gebäude, in das zu der Diskussion um das „Museum der Zukunft“ eingeladen wurde, wirkt nicht gerade zukunftsweisend. Die Einladung, auch wenn sie vom Lügenmuseum ausgesprochen wurde, war aber durchaus ernst gemeint, was man schon an den zahlreichen Teilnehmern und deren Zusammensetzung erkennen konnte. Unter den Besuchern aus Radebeul und dem Umland befand sich auch eine ganze Reihe mit einschlägigen fachlichen Kenntnissen zur Thematik ausgestatteten Persönlichkeiten. Unter anderem Prof. Dr. Oliver Rump von der Berliner Hochschule für Technik und Wissenschaft, wo er in den Studiengängen Museumskunde / Museologie sowie Museumsmanagement und -kommunikation lehrt.

Auch die Redaktion von Vorschau & Rückblick war mit einer ansehnlichen Delegation vertreten.
 
Für manchen Teilnehmer der Diskussionsrunde mag freilich das Thema wie aus „heiteren Himmel“ gefallen sein. In der Museumslandschaft nicht nur der Bundesrepublik jedenfalls geht es mindestens seit 2019 in der Angelegenheit heftig zur Sache. Diese kontroverse Debatte wird nicht nur im musealen Kreisen ausgetragen, sondern in öffentlichen Streitgesprächen, wie beispielsweise am 30. Januar 2020 im Lichthof des Jüdischen Museums Berlin vor 500 Zuhörern. Ausgerechnet dort trafen mit Léontine Meijer-van Mensch, Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsens sowie Mitglied des ICOM Executive Boards und Markus Walz, Professor für Theoretische und Historische Museologie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) sowie Mitglied des Vorstandes von ICOM Deutschland, zwei Experten aufeinander, die gegensätzlicher nicht hätten sein können. Zur Erläuterung: ICOM steht für Internationaler Rat von Museen. Auf die gesamte Problematik und die Kontroversen soll hier aber nicht weiter eingegangen werden. Wer will kann sich zu dieser Thematik ausreichend im Internet informieren.
 
Anlass zu den zahlreichen Debatten bot die vom Internationalen Rat von Museen in die Diskussion gebrachte Neubestimmung der Definition des Begriffs „Museum“, die mittlerweile in abgeänderter Form Ende des Jahres 2022 beschlossen wurde. Die Notwendigkeit dafür ergebe sich, so eine weit verbreitete Auffassung, aus den Veränderungen der Gesellschaft und den neuen Formen der Kommunikation. Auf diese Situation müsse auch das Museum reagieren, wenn es eine Zukunft haben wolle. Ob nun aber der Slogan „Hauptsache Publikum!“ des Deutschen Museumsbundes hierfür der richtige Ansatz ist, möge dahingestellt bleiben, fragwürdig scheint der allemal zu sein. Haftet ihm doch die allzu bekannte „Tonnen-Ideologie“ und die Verwertbarkeit dieser Einrichtungen an. Und so spiegelte sich das dann auch, wenngleich nicht so heftig, in der regen Diskussion zu dieser Thematik im ehemaligen Serkowitzer Gasthof wider.
 
Das Museum, so Prof. Oliver Rump, solle mehr an die Menschen herangetragen werden, denn mit der ständig voranschreitenden Digitalisierung verändert sich auch deren Wahrnehmung. Sowohl die Besucher als auch die Museen müssten deshalb stärker mit einander interagieren. Und wie zur Bestätigung des gerade Gesagten unterbrach der Musiker Gabriel Jagieniak die Redner, um mit seinem Akkordeon eine musikalische Zusammenfassung der bisherigen Diskussion den Gästen zu bieten.
 
Schnell gelangten die Gespräche allerdings auf das Praktisch-Machbare, und so beschrieb die Leiterin des Dresdner Kunsthauses Raskolnikow Iduna Böhning ihre Erfahrungen bezüglich der Sicherung des Objektes, bei der auch außergewöhnliche und schmerzhafte Wege beschritten werden mussten. Reinhard Zabka, der die Diskussion recht unkonventionell führte, informierte die Gäste unter anderem über die produktive Zusammenarbeit des Lügenmuseums mit der Stadt Riesa.
 
Museen „sammeln, erhalten, erforschen, interpretieren, stellen aus und erweitern das Verständnis der Welt, mit dem Ziel zur Würde des Menschen, sozialer Gerechtigkeit, globaler Gleichheit und dem Wohlbefinden des Planeten beizutragen“, so ein Auszug aus der neuen Definition. Museum aber ist auch ein gemeinnütziger Ort, eine „der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken“ dient, meint Claudia Thom von der Stadtverwaltung Kreuzlingen. Und schaut man in das Besucherbuch des Lügenmuseums, so kann man förmlich das Wohlsein der Gäste herauslesen, die aus aller Herren Länder kommen.
 
Gewissermaßen als Quintessenz des Abends konnte deshalb der Professor Rump zusammenfassend feststellen, dass das Lügenmuseum aus fachwissenschaftlicher Sicht erhalten bleiben muss, weil es schon heute erfüllt, was die neue Definition des Internationalem Rates von Museen fordert, das interaktive Museum.                                                          

Karin und Karl Uwe Baum
 
 
 

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