Wünsch dir was!
Für die einen ist Radebeul eine „Traumstadt“, für die anderen eher eine „Schlafstadt“. So dicht liegen die Einschätzungen beieinander und meinen doch ganz Gegensätzliches.
Ja, ich gebe es gern zu, in den 1970er Jahre träumte ich davon, einmal Bürger von Radebeul zu werden. Die Lößnitzstadt mit ihren Gärten, den Weinbergen, der Elbe und dem milden Klima, seiner Kultur und der Nähe zu Dresden wirkte wie das Paradies auf Erden. Dieser Mythos zieht noch immer die Menschen an, wenngleich mit anderem Hintergrund. Heute muss man sich Radebeul leisten können! Damals hatte man hier die gleiche Miete für eine Wohnung zu zahlen, wie in jeder x-beliebigen anderen Stadt der DDR. Jetzt liegen hier die Mieten um ca. 20 Prozent höher als im sächsischen Durchschnitt und für ein Haus zahlt man gar über das Doppelte des Üblichen. Auch ein Grund warum seit 1990 ein so großer Bevölkerungsaustausch von statten gegangen ist. Sei‘s drum. Träumen wird man wohl mal können.
Aber nicht bei allen Zugereisten gehen die Träume in Erfüllung. Und so schimpfte unlängst ein aus einem kleinen westdeutschen Ort zugezogener Bürger über die „laute Stadt“ und hatte tatsächlich nach einem halben Jahr seine Koffer wieder gepackt. Aus dem einst verträumten Anger in Altkötzschenbroda ist eine Kneipenmeile mit 20 (!) gastronomischen Einrichtungen und einigen speziellen Läden geworden. In die Funktionsgebäude der einstigen Dreiseithöfe zogen Neu- und Altbürger ein und sind nicht in jedem Fall glücklich über ihre Entscheidung geworden. Zur Rushhour will dort der Autostrom nicht abreißen und so manche Grundstücksausfahrt ist zum Ärger der Anwohner zugeparkt. Auch hoffe ich, dass die Abgeordneten bei ihrer Entscheidung bezüglich des Serkowitzer Gasthofes einen klaren Kopf behalten und der Stadt nicht ein weiterer kultureller Verlust droht. Die Zeiten ändern sich, dem sollte man Rechnung tragen.
Als es mich nach Radebeul verschlug, hatte ich meine diesbezüglichen Träume längst vergessen. Die Gründe waren eher pragmatischer Natur. Meine romantisierende Auffassung von der Stadt ist einem sachlichen Blick gewichen, da ich bereits einige Jahre an Lebenserfahrungen hinter mich gebracht hatte. Eine schöne Umgebung ist wünschenswert, aber Romantik allein reicht fürs tägliche Leben nicht aus. Erst neulich bin ich an einem Sonntag durch die menschenleeren Straßen des nachmittäglich-abendlichen Radebeul geschlendert. Trotz schöner Gärten und Häuser wirkte die Stadt verlassen. Selbst der Anger bot einen traurigen Anblick, da das Wetter unfreundlich war.
Als sich mein Zuhause einst in einem wirklich schönen Wald befand, habe ich ein Gespür entwickelt, was es braucht, wenn viele Menschen an einem Ort wohnen. Nun will ich jetzt nicht wieder das Gejammer anstimmen, was die Radebeuler in den letzten 30 Jahren alles verloren haben. Sie haben zweifelsohne auch eine Menge dazugewonnen. Und egal wie man dazu steht, auch der sanierte Anger gehört auf die Habenseite. Aber gleichwohl, wie die Erfahrung aus eben jenem Wald lehrt, ist die Sache mitunter komplexer. Was ist denn nun aus der sogenannten „Kulturellen Mitte“ geworden? In wenigen Tagen zieht dort wieder die absolute Tristesse ein, nämlich dann, wenn die Landesbühnen, wie alle Jahre, nach Rathen „auswandern“, mal abgesehen davon, dass ein einzelner Anbieter nicht eine „Kulturelle Mitte“ sein kann. Und hätte man das ehemalige Schulgebäude zwischen Theater und Gymnasium nicht für eine Blümchenwiese abgerissen, bräuchte sich die Stadtverwaltung heute nicht den Kopf zerbrechen, wo das Stadtarchiv und die Kunstsammlung unterzubringen seien, wenn im kommenden Jahr am Wasapark eventuell mit Verkleinerung und Umbau des Gebäudekomplexes begonnen wird. Für das Archiv soll gar ein vorübergehender Standort im Überelbischen gefunden worden sein. Das alles mutet freilich reichlich konzeptionslos oder bestenfalls kleinkrämerisch an.
Meist hat man im Märchen drei Wünsche frei. Und das Schöne daran ist, am Ende gehen sie in der Regel in Erfüllung – nicht immer alle, aber mindestens einer. Mein letzter Wunsch wäre, dass Radebeul nun endlich eine Kulturkonzeption erhält, damit für die kulturelle Entwicklung der Stadt ein planbares Instrument zur Verfügung steht. Es wird auch höchste Zeit, denn seit sieben Jahren warten die Radebeuler Bürger darauf, meint
Euer Motzi.