Anlass der diesjährigen Doppelausstellung KULTUR.LANDSCHAFT.WANDEL. in der Galerie und AUFBRUCH.IMMER.WIEDER. im Auszugshaus von Altkötzschenbroda 21 ist die Sanierung des ersten Gebäudes auf dem Anger nach 1989 – eben jenes Auszugshauses vor genau 30 Jahren.
Was hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten getan, wie sehen Künstlerinnen und Künstler die Stadt? Über 50 von Ihnen beteiligen sich an der Ausstellung – aus Radebeul und seiner Umgebung, ergänzt durch Werke aus der Städtischen Kunstsammlung, wie von Claus Weidensdorfer, Gunter Herrmann oder Günter Schmitz.
Global und regional hat sich politisch einiges getan. Furchtbar ist die Tatsache, dass Krieg in der zu betrachtenden Zeit offensichtlich wieder als politisches Mittel akzeptiert wird. Das Gleichgewicht des Schreckens wurde Anfang der neunziger Jahre aufgehoben und lässt wieder die Möglichkeit zu, scheinbar regional begrenzte Konflikte militärisch auszufechten, im ehemaligen Jugoslawien, im arabischen Raum und aktuell in der Ukraine. Nationalismus, Fanatismus und Terrorismus können nicht eingegrenzt werden. Die Welt gerät auf allen Gebieten offenbar aus den Fugen, was uns auch die zunehmenden Unwetterkatastrophen zeigen. Regional hatte Radebeul die Überflutungen von 2002 und 2013 zu bewältigen. Markus Retzlaff lässt vom Burgberg in einem fast monumentalen Bild auf das wunderbar restaurierte Meißen schauen – eine Reminiszenz an seinen Stich von der überfluteten Stadt im Jahr 2002 und ein erweiterter Blick auf das Elbtal.
Es ist nicht verwunderlich, dass viele Künstler die Weinberge, welche ohne Zweifel den Naturraum von Radebeul bestimmen, zum Thema genommen haben. Der Steinbruch von Gunter Herrmann öffnet die Ausstellung nach oben und daneben vergnügt sich ein Paar von Michael Hofmann auf Schloß Wackerbarth. Kritisch betrachtet Pit Müller die Hänge. In die Dunkelheit hat sich Goldstaub eingeschlichen – die „Goldstaubviertel“ Radebeuls. Bärbel Kuntsche sieht mit ihrem Blick aus dem Fenster auf die, über den Bergen vorbeiziehenden Ballons, Mechthild Mansel lädt mit stilistisch reduzierten Mitteln auf Schloss Wackerbarth. Anita Rempe verliert sich im Dickicht der Rebstöcke der Hoflößnitz und Roland Gräfe betrachtet kritisch den daneben entstandenen Neubau. Ein regelrechtes Wimmelbild produzierte Lutz Richter. Vor den Bergen laufen für Christiane Herrmann die Kinder auf den vereisten Elbwiesen im Winter Schlittschuh und Ingo Kuzcera lässt eine Badende im Sommer aus den Elbfluten steigen. Gabriele Reinemer setzt mit ihrer Weinbergfliege allem die Krone auf.
Kulturraum ist Lebensraum. Während es bei Karola Smy blüht und duftet, bietet Wolfgang Smy ein Bild des Grauens mit abgehackten Bäumen und architektonischen Kästen. Für die Lößnitz, der Enrico Scotta in Erinnerung an ein Gasthaus die Perle verliehen hat, ist besseres zu hoffen.
Der untere Raum ist geprägt von Installation und Plastik und erzählt Geschichten. Peter Graf versammelt seine alten Freunde zum Plausch in Radebeul. Gabriele Seitz treibt der Klimawandel mit immer weniger zur Verfügung stehenden Wasser um. An einem Baumstumpf hängt ein Bewässerungssack, wie er im Stadtgebiet oft zu sehen ist. Auch Annerose Schulze beschäftigt das Thema Hitze. Irene Wieland arbeitet an einem Projekt mit der Hoflößnitz mit den exotischen Vögeln im Berg- und Lusthaus – ergänzt fehlendes mit eigenen Kreationen. Reinhard Zabka präsentiert den Tatort Radebeul, hinterlegt mit einem „blutigen“ Bild von Klaus Liebscher. Wirklich blutig wurde es allerdings für Johannes den Täufer, dem Salome den Kopf abschlug und ihn, wie Detlef Reinemer auf einem Tablett präsentierte. Bei Reinhard Zabka fließt kein Blut, auch wenn der Kommissar André Uhlig einiges zu tun hat. Weitere Künstler tauchen in den verschiedenen Clips auf. Daneben erinnert Burkhard Schade an die Installationen der Labyrinthe zum Weinfest. Wunderbar ergänzt Stefan Vogt mit seinem Treatro Grotesco die Installation. Mit einer kalligrafischen Arbeit von Homayon Aatifi, der als afganischer Flüchtling viele Jahre in der Lößnitz lebte, zieht ein exotisches Moment in die Präsentation. Ihm hat Fritz Peter Schulze ein stark farbiges Zeichen daneben gesetzt.
Veränderungen prägen jede Zeit. Eine unschöne Veränderung gab es für die überfahrene Weinbergschnecke von Wolf Eike Kuntsche, während sich daneben ein Liebespaar in einem leeren Schneckenhaus vergnügt. Der berühmte „Mäuseturm“ von Steffen Gröbner ist heute nur noch ein Steinhaufen. Liselotte Finke-Poser und Sophie Cau setzen sich mit dem Wegzug der Puppentheatersammlung auseinander. André Uhlig treibt der Verfall der Kolbe-Villa um und Sylvia Preißler jener des Bahnhofs Kötzschenbroda. Simone Ghin sieht bereits die Zukunft mit den Windrädern während auf demselben Feld bei Klara Freier der Mohn in voller Blüte steht. Franziska und Sophia Hoffmann arbeiteten bis 31. März mit vielen anderen noch in der Alten Molkerei auf der Fabrikstraße. Sie wurden von dort vertrieben. Mit ihrer Installation „Molkereiprodukte erinnern sie an die enorm produktive Zeit in der „Molke“. Ingo Kuczera, der sich vor 19 Jahren das Leben nahm, machte bereits Anfang der Zweitausender praktische Vorschläge zur künstlerischen Gestaltung der Bahnhofstraße und des Angers in Altkö. Er wollte Veränderung. Mystischer und mythologischer sieht Anne Pinkert einen Neubeginn. Ein Neubeginn ist jeden Tag nötig und hoffentlich auch möglich. Die Stadtgalerie Radebeul wird Entwicklungen weiterhin begleiten und anschaulich machen.