Bevor sich Dr. Hans Beschorners im zweiten Teil unserer Serie zitierte Hoffnung von 1905, das Hoflößnitzschlösschen möge »einen kunstsinnigen Eigentümer finden, der liebevoll seine Hand über all die Herrlichkeiten aus längst vergangenen Tagen breitet«, erfüllte, verdüsterten sich die Aussichten zunächst. Mit dafür, dass es am Ende doch so kam, sorgte schließlich, wenn man so will,
Ein allerhöchster Wunsch
Um die Wende zum 20. Jahrhundert zeichneten sich auf dem Hoflößnitzgelände deutliche Veränderungen ab. Mit der Aufschüttung von Straßen und der Aufteilung in Bauparzellen wurde seit 1898 die Villenbebauung vorbereitet. Für den Gutshof der alten Hoflößnitz mit dem historischen Gebäudebestand und dem umgebenden, später sogenannten »Schlossberg« hatte Investor Hermann Hennicke im russischen General Sukhanov-Podkolzin einen vermögenden Interessenten gefunden, der das rund 2,5 Hektar große Anwesen im Zusammenhang erhalten und als repräsentativen Wohnsitz nutzen wollte, aber 1900 schon wenige Wochen nach der Eintragung im Grundbuch starb. Seine Erbin Anna Gregoriewna Zolotoff trug sich von Beginn an mit Veräußerungsabsichten, sträubte sich aber gegen einen Verkauf unter Wert. Im Ganzen war das »Luxusgrundstück« schwer zu vermarkten, woraufhin der von der Baronin beauftragte Agent seit 1908 mit der Idee einer Zergliederung hausieren ging. 18 Parzellen waren vorgesehen; kosten sollte jede, Pi mal Daumen, 10000 Mark, alles in allem 180000. Auch munkelte man, ein großes Berliner Kaufhaus hätte ein hoch dotiertes Angebot für den Kauf der wertvollen Deckengemälde im Schlösschens unterbreitet.
Unterdessen bereitete man in Kötzschenbroda ein Großereignis vor, wie es er Ort noch nicht erlebt hatte. Die Festwiese an der Sängerhalle verwandelte sich in ein Messegelände, auf dem am 22. Mai 1909 die »Ausstellung der Lößnitzortschaften für Handwerk, Gewerbe, Kunst, Gartenbau und Industrie« eröffnet wurde. Rund 300 Firmen und Vereine aus der Region präsentierten dort ihre Erzeugnisse, Dienstleistungen, Steckenpferde und Projekte. Neben den Messehallen war das »Vergnügungseck Alt-Ketzschber« aufgeschlagen, das außer Gaumenfreuden verschiedener Art auch mit einer »Sonderausstellung über die Weinbauzeit in der Lößnitz« aufwartete, gestaltet durch die vom Niederlößnitzer Schuldirektor Ernst Emanuel Erler geleitete Ortsgruppe des Vereins für Sächsische Volkskunde. Außer dem »Friedenstisch« von 1645 und einigen der ältesten Urkunden aus den
Gemeindearchiven waren hier vor allem weinbaugeschichtliche Zeugnisse und Gerätschaften zu sehen. Als König Friedrich August III. die unter seiner Schirmherrschaft stattfindende Messe am 23. Juni 1909 kurz vor Schluss doch noch besuchte, soll er sich, wie bei solchen Gelegenheiten üblich, beifällig auch darüber geäußert und Behördenvertretern gegenüber den Wunsch ausgesprochen haben, »diese Ausstellung müsse erhalten bleiben«. Für Erler, der diese Äußerung 1961 in einem Brief an den Radebeuler Bürgermeister erwähnt, begann damit die unmittelbare Vorgeschichte des Hoflößnitz-Museums. Denn wo in der Lößnitz hätte eine solche Präsentation besser untergebracht werden können, als im ehemals königlichen Weinbergschlösschen in deren Herzen?
Das Fragment einer Privatakte im Radebeuler Stadtarchiv (OL 1785) wirft etwas Licht darauf, wie die Idee Gestalt zu gewinnen begann. Anfang 1910 trat danach »eine Anzahl Herren aus den Lößnitzortschaften in lockerem Verbande zusammen«, um die Frage zu prüfen, ob ein Erwerb des Hoflößnitzgrundstücks für Museumszwecke möglich wäre. Unter der Hand zog man Erkundigungen über die Eigentumsverhältnisse und den Grundstückwert ein. Wer die Mitglieder dieses »Hoflößnitz-Komitees« waren, bleibt in der Quelle leider unklar; genannt sind einzig Staatsarchivar Dr. Woldemar Lippert (Niederlößnitz) und Oberst Hans Alfred von Kretschmar (Radebeul), zwei engagierte Mitglieder des Sächsischen Altertumsvereins und der Historischen Gesellschaft zu Dresden. Kretschmar wurde mit der Leitung des »Museums-Ausschusses« betraut und im März 1910 beauftragt, sich mit Regierungsvertretern in Verbindung zu setzen, um Chancen auf finanzielle Unterstützung beim Grundstückskauf auszuloten. Auch wollte man versuchen, Prinz Johann Georg, den für seine kunstgeschichtlichen Interessen bekannten Bruder des Königs, für die Angelegenheit zu erwärmen. Ein Zwischenfazit lautete ernüchternd: »Staatliche Beihilfe ist nicht zu erwarten, es bleibt also nur der Versuch, Privatpersonen dahin zu interessieren. Das ist nun natürlich nicht so leicht u. bedarf geraume Zeit der Entwicklung.« Tatsächlich kam jedoch schon bald Bewegung in die Sache. (Fortsetzung folgt.)
Frank Andert