In und um die Villenkolonie Altfriedstein
Wie lange reicht der Vorrat an Bauherrenpreisträgern noch, um neue Wanderungen zusammenstellen? Es stellte sich die Frage, ob sich nach den vergangenen 6 Wanderungen noch genügend nicht besuchte Objekte, die untereinander in angenehmer Entfernung liegen, für eine 7. Auflage der Bauherrenpreiswanderung finden lassen. Wo waren wir schon alles;
2 x Niederlößnitz, 2 x Oberlößnitz, Zitzschewig mit Naundorf, Radebeul-Ost südlich der Meißner Straße.
Aber das Nachdenken hat sich gelohnt, das Gebiet zwischen Moritzburger Straße und Wackerbarth war noch nicht unser Ziel und auch dort gibt es eine Reihe Bauherrenpreisträger.
Als Startpunkt haben wir Münch´s Backstube auf der Moritzburger Straße 34, oder für versierte Altradebeuler, den ehemaligen Heiteren Blick gewählt. Der Verein für Denkmalpflege und neues Bauen Radebeul e.V. lädt alle Interessierten zur diesjährigen öffentlichen, nun 7. Bauherrenpreiswanderung
für Freitag den 28. Juni, 18 Uhr dorthin ein.
Wie gewohnt wird bei der Einladung zur Wanderung noch nicht so viel über das Programm verraten. Die Wegstrecke wird wieder nicht besonders weit sein und eine etwas anspruchsvollere Treppe brauchen nur die begehen, die sich das zutrauen. Anfangs- und Endpunkt liegen wieder weniger als einen Kilometer auseinander. Am Ende können die, die es möchten, danach in gemütlicher Runde bei Wein noch etwas zum Gedankenaustausch zusammenzusitzen bleiben. Letztes Jahr konnte der Verein bei dieser Gelegenheit sogar ein neues Mitglied gewinnen, mal sehen, was dieses Jahr bringt.
Auch diesmal möchte ich hier die Gelegenheit nutzen, einen kleinen Rückblick auf unsere letzte Bauherrenpreiswanderung am 30.06.2023 zu halten – zur Erinnerung und vielleicht möchten Nichtdabeigewesene diese einmal nachwandern. Es trafen sich ca. vierzig Interessierte am ehemaligen Armenhaus von Ober- und Niederlößnitz mit der Adresse An der Jägermühle 12.
Der Mut zu kommen wurde belohnt, denn der Wettergott räumte uns eine Regenpause ein, so dass die mitgebrachten Regenschirme nur bei einem kräftigen Schauer am Ende zum Einsatz kamen.
Zur Geschichte des Armenhauses sei auf einen Artikel mit dem Titel „Der Oberlößnitzer Weinbergsverein“ im Dezemberheft 2011 von V&R verwiesen. Der Bauherr der Sanierung des Hauses Renno Dudek erhielt 1998 den Sonderpreis „kreativer Umgang mit alter Bausubstanz“. Es lohnte sich in Ruhe mal die Details zu betrachten. In hervorragender Art wurde das schlichte Wohngebäude unter Verwendung traditioneller Materialien wiederhergestellt. Gleichzeitig wurden Ergänzungen in betont zeitgemäßem Design (Stahl und Glas) vorgenommen, die aber das Gebäude als stimmiges Ganzes erscheinen lassen. Geplant wurde der Umbau von Code Unique Architekten Dresden.
Das nächste Ziel lag gleich um die Ecke, der damalige Neubau Weinbergstraße 1a/1b. Dieser erhielt den Bauherrenpreis 2002 in der Kategorie Neubau. Architektin und gleichzeitig mit der Familie ihres Bruders Bauherrin ist Gabriele Schirmer.
Zwei modere Einfamilienhäuser stehen in sich zur Kreuzung hin öffnenden rechten Winkel zueinander und bilden ein Ensemble. Syenitmauer und Kirschbaum sollen das Bindeglied zur Vorbebauung darstellen. Die Architektur ist konsequente Formensprache der 90er Jahre des 20.Jhds, sachlich, sparsam. Die Materialien sind zeitgemäß, die Solartechnik zeigt das ökologische Denken der Bauherren.
Hierzu gab es schon stärker voneinander abweichende Meinungen der Teilnehmer, ob so ein Bauwerk an diese Stelle in Radebeul passt. Und gerade das soll auch ein Sinn dieser Wanderung sein, die aktive Diskussion zur Baukultur in Radebeul. Im Idealfall hat diese dann auch einmal Auswirkung auf das, was in Radebeul gebaut wird. Die eigene Meinung baut sinnvoller Weise auf Kenntnis und Respekt vor Anderem auf. Auch hier soll die Wanderung ein kleiner Beitrag sein, der verfallenden Diskussionskultur entgegenzuwirken.
Nächster Bauherrenpreisträger am Wege war die Familie Aust mit ihrem Meinholdschen Turmhaus. Hier wurde 2007 der Bauherrenpreis für die von unserem leider sehr früh verstorbenen Vereinsmitglied Tilo Kempe geplante Sanierung vergeben.
Wir erhielten die Gelegenheit das Ensemble vom Hof aus zu erleben und einen Blick in den Gartensaal zu werfen. Frau Elisabeth Aust konnte dazu ganz authentisch zur Geschichte, den Überraschungen und dem Ergebnis der Sanierung dieses Raumes berichten. Schön, dass dies alles für die Öffentlichkeit erlebbar ist. Zwischenzeitlich ist das Weingut um ein neues Kellergebäude ergänzt worden. Interessant waren die Gespräche, ob dies an diese Stelle passt oder nicht. Und in den Gesprächen bekommt man eine Ahnung, wie viele Komponenten in die Entscheidung hineinspielen, ob und wie an welcher Stelle gebaut werden kann.
Weiter ging es zum Retzschgut. Die Familien Seifert und Tichatschke erhielten 2009 den Publikumspreis zum Bauherrenpreis. Die architektonische Beratung erfolgte durch das Büro Baarß und Löschner Radebeul.
Mit seinem hohen Walmdach und dem turmartigen Vorbau beherrscht das im Kern ins 17. Jhd. reichende zweistöckige Gebäude den Straßenraum an diesem Teil der Weinbergstraße. Die Bauherren standen vor der Aufgabe, die stark angegriffene Bausubstanz durch Schaffung von Wohnraum zu erhalten. Dazu wurde der Vorbau erhöht und mit einem durchgehenden Fensterband versehen. Viele historische Details wurden erhalten, als sympathisches neues Detail zeigt sich an der Südwestecke des Turmes ein sandsteinerner Wasserspeier. Das Gebäude ist eng mit dem Maler Moritz August Retzsch (1779-1857) verbunden. Sein Zeichnungen aus der Oberlößnitzer Zeit geben gutes Zeitzeugnis für das Erscheinungsbild dieser Gegend in dieser Zeit. Das ist aber wieder eine andere Geschichte, der es lohnt mal nachzugehen.
Kritisch schauten wir auf den östlich des Gutes entstehenden Neubau und das halb abgerissene Preßhaus. Hier stellen sich die am Aust´schen Keller gestellten Fragen ebenso.
Aber war der Wille ein Wohngebäude in hochwertiger Lage zu errichten Begründung genug, dort bauen zu müssen. Gleichzeitig wird an diesem Beispiel klar, dass der Verwaltung, der so oft ein Vorwurf bei Genehmigung problematischen Objekten gemacht wird, rechtliche Grenzen gesetzt sind, Bauanträge abzulehnen. Das ist es halt mit der Demokratie, dass der freie Bürger auch viel eigene Verantwortung für sein Tun in der Gemeinschaft hat. Nicht alles, was rechtlich geht, ist damit kompatibel.
Wir liefen die Retzschgasse zur Bennostraße hinunter und besichtigten bei der Hausnummer 11 Haus Friedland als nächsten Bauherrenpreisträger. Dieses Objekt erhielt 2005 auch den Publikumspreis. Da eine Bewohnerin des Hauses die Wanderung begleitete, konnten wir auch in den Hof. Immer wieder wurde dieses Haus im Laufe seiner Geschichte verändert. Es war sogar einmal ein von Carlowitzsches Weingut mit einem Grundstück von 4,5 Hektar. Von hier wurde einstmals Schloß Kuckuckstein mit Wein versorgt. Viele interessante historische Details, die man z.T. auch auf Wikipedia findet, ranken sich um dieses Anwesen. Eine entscheidende Veränderung des Anwesens trat ein, als der südliche Grundstücksteil 1876 an die Baufirma Ziller verkauft wurde. Diese legte die Friedlandstraße an und bebaute die an dieser gelegenen Grundstücksparzellen.
Am anderen Ende der Friedlandstraße warfen wir einen Blick auf den vom Verein in Zusammenarbeit mit der Stadt 2010 aufgewerteten Platanenplatz mit seinem von Langner geschnitzten Winzer und Gärtnerin. Wer aufmerksam geschaut hat, konnte bemerken, dass dieser im Frühjahr durch die neu gesteckten Krokusse, ein farblicher Höhepunkt war. Schade ist nur, dass das historische Trafohaus der Gröba-Werke immer wieder von Sprayern verunziert wird. 2023 dauerte es nach dem Neuanstrich nur 2 Wochen bis wieder die ersten Schmierereien entstanden. Nichts gegen Grafittis, die das Stadtbild aufwerten, dazu gibt es in Radebeul gute Beispiele. Aber aus welchem Grund werden Grafittis mit zerstörerischer Wirkung angebracht? Wie könnte man an deren Verursacher den Gedanken herantragen, den besonderen Charakter unserer Stadt zu bewahren, im Gemeinsinn weiterzuentwickeln und Achtung vor dem Wirken anderer zu haben?
Eine schöne Außenanlage besichtigten wir im Wohnpark Augustusweg 25, 25a, 25b. Diese erhielt 2008 den Publikumspreis und wurde von unserem Vereinsmitglied Kerstin Dietze geplant. Hier versuchten wir zu ergründen, warum wir diese Anlage auf engem Raum „schön“ finden, passende Proportionen, Materialien, Aufenthaltsqualität, stimmige Bepflanzung, stets etwas Blühendes…
Ein starker Regenschauer schickte uns auf den Weg zur letzten Station Villa Walter Bennostraße 23, deren Bauherren 2007 eine Anerkennung erhielten. Dieser Ziller-Bau mit typischen Gestaltungselementen der Mitte der zweiten Hälfte des 19. Jhd. empfing uns gastlich. Vom Grundstück aus konnte das Haus in Begleitung des Eigentümers umrundet und dazu der schön angelegte Garten bewundert werden. Unter dem Carport standen dann Bänke, Wein und Häppchen bereit, der Regen hatte sich verzogen und der Abend klang bei angenehmen Gesprächen aus.
Michael Mitzschke