Erinnerungen an Radebeul
Gleich schräg hinter dem Straßenbahnhof Mickten aufgewachsen (Jg. 1955), war Radebeul für unsere Familie nur einen Katzensprung entfernt und bevorzugtes Ziel von Sonntag-Nachmittag-Spaziergängen. Die Linie 13 endete in Radebeul-Ost, Schillerstraße, die Gleisschleife wurde damals noch in entgegengesetzter Richtung befahren. Da ging es durch die – wir nannten Junge Heide so – „Dürre Heide“ und den Fiedlergrund nach Wahnsdorf, weiter zum Spitzhaus, die Treppe herab zum „Weißen Roß“ und mit der „14“ oder „15“ (ab 1969 „4“ oder „5“) nach Mickten zurück. Natürlich gern auch einmal anders herum, oder nur zum Spitzhaus und durch die Weinberge – vieles war möglich.
Mein Vater war ein begeisterter Laubsäge-Bastler, und Sperrholz fiel, wie so manches, in der DDR unter die raren Artikel. Da war der Tipp, „VEB Kaffee und Tee“ (heute „Teehaus“) gebe sperrhölzerne Teekisten ab, eine spannende Sache. Ich erinnere mich, wie ich mit meinem Vater in den 1960ern vielleicht zweimal mit dem „Rollfix“ `ne Teekiste abholen gegangen bin. Die Kisten waren außen mit exotischen Herkunftsbezeichnungen bedruckt und innen mit Alufolie ausgekleidet. Diese Folie hatte man zwar großflächig entfernt, aber an Kanten und in Ecken waren noch Reste davon, und – Reste herrlich duftenden Schwarzen Tees.
Als Schüler begann ich mit dem Sammeln von Mineralien. Irgend jemand erzählte mir, auf der Ernst-Thälmann-Straße 3 (heute Hauptstr.3) in Radebeul gäbe es einen Laden für Mineralien! Zwischen 1970 und 1972 war ich wohl drei mal dort. Das Geschäft, gleich hinter der Eisenbahnüberführung musste man eine Treppe hinab gehen, wurde von einem älteren Mann, ich glaube, Herrn Gebauer, geführt. Schöne Sachen gab es da! Aber mein Taschengeld war schmal bemessen. So fanden etwa ein Bergkristall aus Brasilien, ein Rauchquarz, ein Realgar und, besonders schön, ein Malachit den Weg in meine Sammlung.
Im Herbst 1972 begann ich eine Lehre in der Außenstelle des „VEB Transformatoren- und Röntgenwerk Dresden“ auf der Meißner Str. 15; im Anschluss daran bis 1978 meine Arbeitsstelle. Die Gebäude existieren nicht mehr, sind Autobahnausbau und einem Autohaus gewichen. Nicht selten ging ich von Mickten zu Fuß zur Arbeit. Besonders beeindruckte uns ein Kollege, der öfter von Weinböhla aus zur Arbeitsstelle gejoggt kam!
Auch an Radebeuler Gaststätten erinnere ich mich.1977 feierten meine Eltern ihre Silberhochzeit im „Carolaschlösschen“ Maxim Gorki- Ecke Gutenberg- und Meißner Straße; das Haus ist durch einen Neubau ersetzt, aber eine Gaststätte ist dort immer noch: „Atlantis“, ein griechisches Restaurant. 1989 feierten wir meines Vaters 60. Geburtstag in einem „Konsum – Cafe“, es muss auch irgendwo auf der M.-Gorki-Str. oder in deren Nähe gewesen sein. Mein Bruder hatte 1987 „nach Radebeul“ geheiratet; die Feier war in den „Vier Jahreszeiten“.
Heute wohnen meine Frau und ich auf der Sidonienstraße.
Mein Vater lebt, hochbetagt, in einem Radebeuler Pflegeheim, und meine Mutter haben wir im Februar 2021 unweit des Karl-May-Grabes beigesetzt…
Christfried Weirauch