Sind die Tage des Lügenmuseums gezählt?
Wird erneut ein Museum die Stadt verlassen? Radebeul bietet offensichtlich keinen guten Nährboden für museale Einrichtungen. Auch die nahe Kunst- und Kulturmetropole Dresden bleibt hier ohne nachhaltige Wirkung. Dieser wahrlich nicht gerade Image fördernde Umstand scheint sich nun in der letzten Amtsperiode des Oberbürgermeisters Bert Wendsche gerade zu einem negativen Markenzeichen der Großen Kreisstadt Radebeul entwickelt zu haben.
Ein Heimatmuseum sucht man hier vergeblich. Fast jede halbwegs große Stadt in Sachsen besitzt eine derartige Einrichtung. In Radebeul erfährt man über die Entwicklung des Ortes fast nichts. Schlimmer aber noch ist, dass die Bewohner kein Museum haben, wo sie ihre historischen Dokumente, Zeugnissen und Erzählungen über die Stadt hingeben können. Die Erben von Ernst Edler von Schuch hätten sicher gern entsprechendes Material dem Heimatmuseum überlassen…
Dabei sind erst 24 Jahre vergangen, seit die Stadtbevölkerung nach der Neujahrsrede des Oberbürgermeisters Bert Wendsche Hoffnung schöpfte, dass seinen Worten auch Taten folgen mögen. So verkündete er in den Landesbühnen Sachsens zur Freude der Anwesenden: „Wir feiern in diesem Jahr den 75. Geburtstag unserer Stadt, den 75. Jahrestag des Zusammenschlusses von Kötzschenbroda und Radebeul zum heutigen Radebeul. Die öffentliche Einweihung des ,begehbaren Depots‘ unseres potenziellen zukünftigen Stadtmuseums in den ersten Januartagen war dabei sicher ein sehr gelungener Startschuss des Jubiläumsjahres.“.
Das einstige Radebeuler Heimatmuseum wurde endgültig Anfang der 1990er Jahre in das Sächsischen Weinbaumuseum umgewandelt. Die Puppentheatersammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befand sich bis 2003 im Radebeuler Hohenhaus. Deren Wegzug war sicher keine Radebeuler Entscheidung, wohl aber das Ausschlagen des Kaufangebotes für die geschichtsträchtige Anlage Hohenhaus durch die Stadt. Das Zeitreisemuseum musste endgültig 2016 aufgeben, als die erhöhte Miete nicht mehr aufzubringen war. Eine Unterstützung für die einmalige Sammlung wurde von keiner Seite her gewährt, auch nicht von der Stadt. Der einstige Güterboden mit dem Schmalspurbahnmuseum in Radebeul wurde mit großem Pomp 2012 eingeweiht, und als schließlich die 2004 gegründete Museums-gGmbH 2016 in die Liquidation ging, hatte das kaum Schlagzeilen verursacht.
In diese traurige Bilanz des Museumssterbens in Radebeul reiht sich nun vermutlich auch das Lügenmuseum ein. Die Stadtverwaltung hat die Kündigung für den 31. August dieses Jahres ausgesprochen. Manch einem in der Stadt schien das ohnehin recht zu sein, war für ihn das Museum doch eine Ansammlung von Plunder. Erinnert sei hier nur an die Schmähschrift aus der Kulturstiftung des Freistaates.
Nun ist nicht zu übersehen, dass die Stadtverwaltung mit dem Mieter Reinhard Zabka wahrlich einen gewissen Großmut über all die Jahre gezeigt hat. Auch deshalb hält sich dort und in der Bevölkerung das Verständnis in Grenzen, ist das Lügenmuseum in breiten Kreisen durchaus nicht unumstritten wie auch sein selbst ernannter Direktor Reinhard Zabka. Aber welcher Vollblut-Künstler, der der Gesellschaft unentwegt den Spiegel vorhält, ist schon stromlinienförmig? Schon 1972 sah die Kunstkritikerin Karin Thomas in der Avantgarde eine „Herausforderung an das kritische Denkvermögen“ und ein bewusstes Infragestellen des gelebten Alltages. Dem Tradierten aber kann man im Lügenmuseum nicht begegnen. Schon deshalb würde die Einrichtung in Radebeul ein „Stein des ewigen Anstoßes“ bleiben. Das Interessante bei dieser Geschichte aber ist, wie gering die Toleranzschwelle einiger Zeitgenossen ist und wie wenig das komplexe Denken ausgeprägt zu sein scheint. Man kann natürlich Reinhard Zabka „unkooperatives Verhalten“ vorwerfen. Lässt man die Hintergründe der Verhandlung mit dem potentiellen Käufer im Dunklen, bleiben sie bloße Behauptung, wenn sie nicht gar als rufschädigend aufzufassen sind.
Nun will ich keinesfalls irgendjemandem einseitig den „schwarzen Peter“ zuschieben. Die Details aller Gespräche sind mir nicht bekannt – ein Urteil darüber ist anmaßend. Gleichwohl werden Verhandlungen erst durch die Bereitschaft der Parteien zu einem tragfähigen Kompromiss zu kommen, erfolgreich geführt. Dies aber kann nur gelingen, wenn alle dasselbe große Ziel anstreben, auch wenn die Wege dahin verschieden sein mögen, weil sie sich im Klaren sind, was auf dem Spiel steht. Diese gemeinsame Basis schien gefehlt zu haben. Zu unterschiedlich waren die Ausgangsstandpunkte. Schon in der Mai-Ausgabe 2022 von SAX, Das Dresdner Stadtmagazin, äußerte der Oberbürgermeister recht eindeutig seinen Standpunkt zum Lügenmuseum und zu Reinhard Zabka: „Seine Installationen haben in Brandenburg und in Serkowitz funktioniert, warum nicht auch an einem anderen Ort? Sie sind nicht an das Haus gebunden.“.
Die Prinz-Rupi-Kulturstiftung, vertreten durch Wilhelm Ruprecht Frieling, hatte eigene Vorstellungen von der Verwendung des Objektes und deshalb nur einen Fünf-Jahres-Mietvertrag für das Lügenmuseum angeboten. Und Zabka – er glaubte wohl, das alles so weitergehen könne, wie bisher.
Mit solchen doch recht unterschiedlichen Standpunkten war kein gemeinsamer Blumentopf zu gewinnen. Den Schaden werden alle tragen, auch jene, die sich als heimliche Sieger fühlen und besonders diejenigen, die sich mit viel Kraft und Elan für dieses, in der Bundesrepublik einmalige Museum eingesetzt haben. Die Bekundungen für den Verbleib des Lügenmuseums sind zahlreich und mannigfaltig. Man kann sie auf der Webseite des Museums einsehen.
Wenn der Vorgang nicht so unendlich traurig wäre, könnte man sich freilich vor Lachen auf die Schenkel klopfen. Die Republik wird verwundert die Köpfe schütteln über diese unsägliche Posse! Hat Kultur und Kunst in dieser Stadt überhaupt noch einen Wert? Von den kulturell-künstlerischen Leistungen des Lügenmuseums ist in der Pressemitteilung der Großen Kreisstadt Radebeul vom 23.05.2024 an keiner Stelle die Rede. Die hat es offensichtlich nie gegeben.
Karl Uwe Baum