Wer die Bewohner der Lößnitzstadt von einer besonders liebenswürdigen Seite kennenlernen möchte, sollte sich den Radebeuler Grafikmarkt im Terminkalender vormerken. Was man bei dieser Veranstaltung sehr schön erspüren kann, sind Geist, Gemüt und Tradition. Besonders für Aktive und Kreative bietet dieser kommunikationsfreudige Ort ein anregendes Podium.
Dass agile Kunst- und Kulturszenen dazu beitragen, selbst unscheinbar wirkende Orte interessanter, lebens- und liebenswerter zu machen, spricht sich immer mehr herum. Denn: Kreativität steckt an, Kreativität macht glücklich. Und so kommen alljährlich zum Radebeuler Grafikmarkt Kinder und Erwachsene, Singles und Familien, Sammler und Neugierige, Besucher jeden Alters mit kleinem und großem Geldbeutel. Möglichkeiten gibt es hier zum Plaudern, Verweilen, Fachsimpeln, Entdecken, Genießen und auch zur künstlerischen Selbstbetätigung.
Der Radebeuler Grafikmarkt bietet in der Elbsporthalle auf einer Präsentationsfläche von 900 Quadratmetern ausreichend Platz für die Angebote von über 100 Künstlern, für zahlreiche Informations- und Servicestände sowie darüber hinaus für ein fantasievoll gestaltetes Künstlercafé. Der Zugang zur Kunst ist in mehrfacher Hinsicht barrierefrei. Die Nachfrage übersteigt die Kapazität erheblich. Die Organisationsleitung – seit 1990 unter Federführung der Stadtgalerie Radebeul – entscheidet, wer eine Teilnahmebestätigung erhält und bestimmt so die künstlerische Qualität und Vielfalt.
Die Künstler, darunter 20 aus Radebeul, 48 aus Dresden sowie weitere aus dem Umland und größeren Städten wie Halle, Berlin, Leipzig, Chemnitz, München und Köln sind unmittelbar vor Ort präsent und verkaufen ihre Werke selbst. Groß ist die Vorfreude vieler Besucher auf die Begegnung mit bekannten und weniger bekannten Künstlern, auf all das, was in jüngster Zeit entstanden ist. Die Preise sind nach wie vor moderat. Die Motive sind vielgestaltig, ebenso die künstlerischen Techniken. Druckgrafische Arbeiten werden ergänzt durch Zeichnungen, Collagen, Aquarelle, Scherenschnitte und Fotografien. Darüber hinaus sind Plakate, Kalender, Künstlerbücher, Kataloge, Postkarten und Arbeiten aus Nachlässen verstorbener Künstler erhältlich.
Nicht alle Entwicklungen sind erfreulich. Und so manche Tendenz sollte nachdenklich stimmen.
Unfreiwillig mutierte der 83-jährige Künstler Klaus Liebscher – ein Radebeuler Original und Urgestein – im Sommer dieses Jahres zum neu-dresdner Bürger, weil sich für ihn in Radebeul keine bezahlbaren Wohn- und Arbeitsräume fanden. Trotzdem nimmt er auch in diesem Jahr an einem Grafikmarkt teil, allerdings sechs Tage später – in Dresden. Auch die in Radebeul ansässigen Maler und Grafiker Michael Hofmann, Bärbel Kuntsche und Christian URI Weber sind mit ihren Werken nur in Dresden präsent.
Eine strenge Trennung der Künstler nach territorialer Zugehörigkeit gibt jedoch wenig Sinn. So gestaltete in diesem Jahr der in Coswig lebende Manfred Beyer das Radebeuler und der aus Radebeul stammende André Uhlig das Dresdner Grafikmarktplakat.
Das Künstlercafé wird vom Atelier „FARBIG“ des Dresdner Lebenshilfevereins gestaltet. Dessen Kunstautomat überrascht zahlungswillige Spender mit Originalkunstwerken im Kleinstformat. Der Förderkreis der Stadtgalerie wartet nicht nur mit einem verführerischen Kuchenbuffet auf. Anlässlich des 25-jährigen Vereinsjubiläums informiert eine „Pop-Up-Dokumentation“ über dessen langjähriges Wirken.
Mit dabei sind auch der Notschriftenverlag aus Radebeul und der Zündblättchenverlag aus Meißen. Die Radebeuler MEDO Bilderrahmenwerkstatt schneidet Passepartouts und die Dresdner Ladengalerie Art + Form hilft beim fachgerechten Verpacken der frisch erworbenen Kunstwerke. Der Förderverein des Internationalen Wandertheaterfestivals präsentiert seine Sondereditionen des Wandertheaterweines, die 2024 von der Radebeuler Künstlerin Karen Graf gestaltet wurde. Die Originalholzschnitte von Michael Hofmann, welche speziell für unsere diesjährige Titelbildserie entstanden sind, können am Stand von „Vorschau & Rückblick“ käuflich erworben werden. Auch die Stöberkiste mit aktuellen und älteren Vorschau-Heften ist wieder mit dabei. Vertreter der Redaktion sind ganztägig anwesend und freuen sich auf den Austausch mit vielen aufgeschlossenen Kunst- und Kulturinteressierten.
Die räumliche und zeitliche Nähe des 23. Meißner, 43. Dresdner und 46. Radebeuler Grafikmarktes scheint keinen zu stören. Alle drei Märkte haben sich eine erstaunlich lange Zeit behaupten können. Wie das den Organisatoren über all die Jahre gelang, ist ein kulturpolitisches Kapitel für sich. So viel steht jedenfalls fest: Kontinuität, Engagement und Empathie zahlen sich aus und tragen wesentlich zur Förderung von Kunst und Kultur bei.
Karin (Gerhardt) Baum
46. Radebeuler Grafikmarkt, 3.11.2024, 10 – 18 Uhr, Elbsporthalle Radebeul-West