Barfußschuhe
Da hab ich mirs eben bequem gemacht am Tresen (fürs Faß ists zu kalt inzwischen), freue mich am Anblick des schönen Frischgezapften und auf den ersten Schluck, da steht auch schon Klotz neben mir. Mit einer heftigen Bewegung zieht er einen Hocker heran und sagt, jetzt brauch ich erstmal ein Bier!
Da warte ich höflich, bis er seins hat und trinke ihm schließlich zu. Er setzt das volle Glas an und das leere wieder ab. Alle Achtung, sag ich, das könnte ich nicht mehr. Wenn du in meiner Situation wärst, sagt er könntest dus auch.
Nun erzähl schon, ermuntere ich ihn, ist jemand gestorben? So wie du aussiehst …
Gestorben ist niemand, sagt er und wendet sich dem zweiten Glas zu, aber wenns so weitergeht, steig ich bald selber in die Kiste. Wir haben die Enkelin zu Gast, Herbstferien, sagt er dann, ist ein liebes Mädel, vierzehn … wenn du dich erinnerst, was das bedeutet… gleich am ersten Tag hat sie uns, bei dem Versuch, ihren Schlüpper zu trocken, beinahe das Haus abgefackelt.
Wie das?
Na, sie hat einfach den Fön auf den Teppich gelegt und das Höschen drübergedeckt …
Ach du Schreck – und ?
Alles hin, Schlüpper hin, Fön hin, Haus steht noch, hätte dumm ausgehen können, aber sag das mal so`ner Göre …
Am Montag war dann Heidrun mit ihr in Meißen. Angeblich haben sie sich an den schönen alten Häusern erfreut, und Eis gegessen, – na gut. Und Schuhe haben sie gekauft, da sind sie ja alle gleich … Barfußschuhe!
Würden mir auch gefallen, behauptet Heidrun, werden nämlich nicht geputzt, kommen in die Waschmaschine. Also, wir sind ja früher den ganzen Sommer barfuß rumgerannt. Nach `ner Woche hatten wir Hornhaut an den Füßen, da brauchten wir nichts weiter drumrum, schon gar keine Polyester. War absolut ressourcenschonend, keinerlei Materialverbrauch, außer manchmal bissel Seife … Aber das geht im Kapitalismus natürlich nicht mehr. Wo soll denn da das Wachstum herkommen, wenn alle nur noch sparen, und selbst wir die baren Füße nicht mal mehr einpacken?!
Und nun stell dir vor, vorhin will ich den Geschirrspüler ausräumen – ja, ich beteilige mich hin und wieder auch am Haushalt – was sehe ich: Barfußschuhe zwischen Biergläsern und Kaffeetassen – hats nicht ausgehalten, bis die Waschmaschine angeworfen wurde … Na, ich hab nüscht gesagt, hab wortlos meine festen (!) Schuhe angezogen und bin gegangen. Ich meine, die Spülmaschine, sie hatte die höchste Stufe eingestellt und das ist deutlich mehr als dreißig Grad …
Typisch Klotz, sagt Ulrike beim Abendbrot, wie ich mit dem Erzählen fertig bin. Hat vergessen, daß er auch mal jung war. Übrigens, was ich dir schon länger sagen wollte, ich hab mir auch Barfußschuhe gekauft …
Aha, aber Spülmaschine willste hoffentlich noch keine?
Thomas Gerlach