Es ist kein Zufall, dass wir im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Film Club Mobil“ im 80. Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den DEFA-Film „Ich war neunzehn“ zeigen. Einen Film, der die Geschichte eines jungen Mannes in den letzten Tagen des Krieges beschreibt. Auch der Aufführungsort ist durchaus nicht ungewöhnlich, handelt es sich doch um einen Bunker, der von sowjetischen Kriegsgefangenen als Stollen tief ins Innere eines Oberlößnitzer Weinberges getrieben wurde und ab 1944 den benachbarten Anwohnern bei Fliegeralarm als Schutz vor Bomben diente. Heute werden die Räume von Thomas Teubert, dem Inhaber des Weinkellers „Am Goldenen Wagen“, nach einer aufwändigen Sanierung als Weinlager und für Weinverkostungen genutzt.
Zum Glück blieb Radebeul weitestgehend von Kriegszerstörungen verschont. Zu verdanken ist das nicht zuletzt dem Radebeuler Ehrenbürger Ilja Schulmann (1922–2014), der als Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer in der Sowjetunion lebte und als Dolmetscher mit der Roten Armee am 7.5.1945 in die Lößnitzstadt kam, um Kontakt zur Stadtverwaltung aufzunehmen. Das Ultimatum lautete sinngemäß: Entweder kampflose Übergabe oder massiver Artilleriebeschuss! Die nahezu kampflose Übergabe war das Ergebnis des besonnenen Handelns mehrerer Personen und Ilja Schulmann spielte dabei keine unwesentliche Rolle. Wenn hingegen der Plan von Martin Mutschmann (1879–1947) zur Ausführung gelangt wäre, würde in Radebeul wohl kaum ein Stein auf dem anderen geblieben sein, denn der NSDAP Reichsstatthalter wollte „bis zum Letzten“ kämpfen und hatte noch im April 1945 Dresden zur Festung erklärt und Radebeul als eine Art Bollwerk vorgesehen.
Der autobiografische Film „Ich war neunzehn“ basiert auf Konrad Wolfs (1925–1982) Tagebuchaufzeichnungen aus den letzten Kriegstagen. Mit seinen Eltern und Geschwistern emigrierte er 1933 nach Moskau. Wie die Hauptfigur des Films war er damals acht Jahre alt. Mit siebzehn trat er in die Rote Armee ein und gehörte 1945 als Neunzehnjähriger im Rang eines Leutnants zu den Truppen, die Berlin einnahmen. Und wie Gregor Hecker im Film, war Konrad Wolf für kurze Zeit im April 1945 der erste sowjetische Stadtkommandant von Bernau bei Berlin.
Für die Rolle des Gregor Hecker wurde der Schauspielstudent Jaecki Schwarz (geboren 1946) unter 80 Bewerbern ausgewählt. Nach seinem erfolgreichen Debut war er als Bühnen- und Filmschauspieler sehr gefragt. Über zwanzig Jahre stand er als Mitglied des Berliner Ensembles auf der Bühne und wirkte u. a. in erfolgreichen Kinofilmen wie „Die Schlüssel“ (1974) oder „Bürgschaft für ein Jahr“ (1981) sowie bis heute in zahlreichen Fernsehserien mit.
Der Film „Ich war neunzehn“ wurde 1967 in Schwarzweiß gedreht und schildert auf reportagenhafte Weise Episoden und Einzelschicksale. Ohne Pathos und Heldenverklärung werden die Schrecken des Krieges beschrieben. Menschen sind mit ihren Schwächen und Stärken in tragischen und grotesken Situationen zu erleben. Die Uraufführung fand 1968 im Berliner Kino International statt. Bereits in den ersten sechs Monaten sahen ihn etwa 2.5 Millionen Besucher. Es folgten zahlreiche Auszeichnungen. Der DEFA-Antikriegsfilm wurde zum Klassiker und gilt als eine der bedeutendsten deutschen Nachkriegsproduktionen. Umfangreiches Bonusmaterial trägt zum weiteren Verständnis bei.
Ich war neunzehn
1967/68, DDR, DEFA-Spielfilm, 115 Minuten, s/w, FSK 12
Regie: Konrad Wolf; Drehbuch: Wolfgang Kohlhaase, Konrad Wolf;
Kamera: Werner Bergmann; Schnitt: Evelyn Carow;
Besetzung: Jaecki Schwarz (Gregor); Wassili Liwanow: (Wadim); Alexei Eiboschenko (Sascha);
Galina Polskich (sowjetische Soldatin); Jenny Gröllmann: (deutsches Mädchen); Michail Glusski: (sowjetischer General) sowie in weiteren Rollen Rolf Hoppe, Wolfgang Greese, Kurt Böwe, Hermann Beyer, Dieter Mann, Martin Trettau
Der Film wird aus Sicht des russischen Leutnants Gregor Hecker erzählt und umfasst die Tage vom 16. April bis zum 2. Mai 1945. Verschiedene Ereignisse werden, wie in einem Tagebuch, chronologisch datiert und dokumentarisch-nüchtern erzählt.
Zu Beginn des Filmes sieht man wie am 16. April im Gefolge sowjetischer Truppen an vorderster Front ein alter Lautsprecherwagen durch die weite winterliche Landschaft ruckelt. „Deutsche Soldaten! Kämpfen ist sinnlos“, tönt eine junge deutsche Stimme. „Ergebt euch, rettet euer Leben!“. Der das ruft, ist Gregor Hecker. In der Uniform eines Leutnants der Roten Armee kommt der 19-Jährige in seine Heimat zurück, aus der er mit seinen Eltern als Kind emigrieren musste. Der kleine Agitationstrupp ist auf dem Weg von der Oder über Bernau und Sachsenhausen nach Berlin. Der Krieg ist entschieden aber noch nicht vorbei. Als die Truppe nach Bernau kommt, wird Hecker kurzerhand zum Kommandanten der Stadt ernannt. Mit einer Handvoll Leuten versucht er, eine Kommandantur einzurichten.
Widersprüchlich sind Heckers erste Begegnungen mit den Deutschen. Da sind Bauern, Flüchtlinge, Überläufer, Faschisten, Antifaschisten… Gregor beginnt zu begreifen, dass es „die Deutschen“ ebenso wenig gibt wie „die Russen“.
Die Fassungslosigkeit darüber, wie aus einem kultursinnigen Volk, ein Volk von Barbaren werden konnte, ist im ganzen Film zu spüren. In einer Szene, die aus dem Dokumentarfilm Todeslager Sachsenhausen (1946) von Richard Brandt übernommen wurde, berichtet der als „Henker von Sachsenhausen“ bekannte Paul Sakowski, wie er Häftlinge in der Gaskammer mit Blausäure-Gas sowie einer als Messlatte getarnten Genickschussanlage ermordete.
Durch Verhandlungsgeschick gelingt es, dass die Zitadelle Spandau am 30. April 1945 ohne Blutvergießen übergeben wird. An den Erfolg in Spandau schließt sich ein weiterer Freudentag an, der 1. Mai. Am Abend findet eine große Feier statt. Dabei kommt es zum Gefühlsausbruch eines befreiten deutschen Kommunisten, der lautstark fordert, alle Nazis aufzuhängen, da sich ansonsten alles in zwanzig Jahren wiederholen würde. Ein sowjetischer General beschwichtigt ihn: Rache ist kein guter Ratgeber, schon gar nicht für die Zukunft.
Inzwischen herrscht fast schon Normalität, doch die Ruhe trügt. Während die einen zu begreifen beginnen, dass der Krieg verloren ist, kämpfen die anderen verbissen weiter. Nachdem sich Adolf Hitler bereits am 30. April 1945 seiner Verantwortung durch Suizid entzogen hatte, verlieren noch zehntausende Menschen ihr Leben.
Auch Gregors Freund Sascha stirbt bei einem letzten Kampfeinsatz. Und Hecker ahnt, wie schwer ein Neuanfang sein wird. Der Film endet mit den Worten „Ich bin Deutscher. Ich war mal zehn Jahre alt.“
Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht trat am 8. Mai 1945 um 23 Uhr in Kraft.
Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e. V.
Anmerkung: unter Verwendung von verschiedenen Filmbegleitmaterialien und Wikipedia-Eintragungen.
Am 13. März 2025, um 19 Uhr, im Bunker Oberlößnitz, Hoflößnitzstraße 82, 01445 Radebeul, Reservierungen ab sofort unter 0160-1038663