Fotografik in der Radebeuler Stadtgalerie
Mit dieser Ausstellung beginnt eine neue Reihe in der Stadtgalerie, mit der unter dem Motto „In Radebeul geboren“ > verlorene Söhne und Töchter < aus Radebeul mit ihren Arbeiten zurückkehren.
Der Grafikdesigner, Plakatgestalter und Fotografiker erblickte 1947 in Radebeul das Licht der Welt und wurde mit 4 ½ Jahren, wie er sagt „aus der schönen Lößnitz von den Eltern nach Radeberg entführt“, das heißt die Familie musste umziehen – ein Trauma. Seine Verbundenheit mit Radebeul ist auf zwei Bildern zu sehen. Das Kinderbild in der Biografietafel entstand noch in Radebeul (übrigens mit einem skeptischen Blick auf die Polizistenhandpuppe, der bereits die Skepsis auf die Obrigkeit zeigt, welche sich bis heut hält). Eine weitere Hommage an die Geburtsstadt heißt „Radebeul ist schön“, eine Arbeit, welche einen weiteren Charakterzug darbietet – feine Ironie. Aber in Radeberg gab es zum Glück den Zeichenzirkel von Rosso Majores, wo der 13jährige sein zeichnerischen Fähigkeiten erkannte, auch wenn er gefühlt wochenlang seine linke Hand zeichnen musste. Er absolvierte eine Ausbildung als technischer Zeichner und Werkzeugmacher, erlernte Genauigkeit und ein Handwerk durchaus im wahren Sinne des Wortes. Bis heute muss alles perfekt gearbeitet sein, ob mit dem Stift, am Computer oder mit der Kamera. Nach weiterer Ausbildung zum Werbeökonom und Tätigkeit bei der DEWAG sowie drei Jahren Anstellung als Grafiker bei Elbenaturstein, arbeitet er als Grafiker seit 1982 freiberuflich in Dresden.
Bekannt geworden ist Bernd Hanke vor allem durch die Gestaltung von Plakaten in den achtziger Jahren. In der DDR waren Plakate neben den üblichen Propaganda(mach)werken in der Regel mit Kunst verbunden. Man kannte noch keine schreiende Werbung – wofür denn auch. Das Plakat war politisch oder es warb für Veranstaltungen – dann oft auf hohem Niveau künstlerisch gestaltet. Das Dresdner Staatsschauspiel leistete sich eine eigene Theaterplakatgruppe. Werke dieser Gruppe sind bis heute im Gedächtnis der Dresdner geblieben. „Eine Vereinigung von Künstlern solchen Formats, die ob ihrer selbstlosen Zielsetzung und ansteckenden Neugier auf das andere Medium Theater inspirierend wirkte, sucht heute ihresgleichen und war wohl nur in einer bestimmten zeitlichen und personellen Konstellation möglich …“ kennzeichnete Heike Müller-Merten die Gruppe. Bernd Hanke war Mitglied dieser Gruppe. Aber das wohl bekannteste und prägnanteste Plakat „Denkmal nach“ ist bereits ein Klassiker der Dresdner Plakatkunst.
Neben der Plakatkunst ist die Entwicklung von Logos ein Hauptarbeitsgebiet. Bernd Hanke spricht im Übrigen lieber von Signets oder Zeichen. Einigen kann man in Dresden begegnen z. Bsp. bei der Sächsischen Wohnungsgenossenschaft Dresden. Aber auch Zeichen des Radebeuler Lößnitzgymnasiums stammt von ihm. Die Zeichenentwicklung ist aufwendig. Er erkundet zuerst die Hintergründe, sammelt Informationen. Ihn interessiert, was hinter einer Firma, einem Verein, einem Orchester, steckt. Was ist die Philosophie, wer soll erreicht werden? Dann wandert die Idee über das Papier in den Computer. Außerdem nimmt die Künstlerkataloggestaltung viel Raum ein.
Bernd Hanke ärgert sich über schlampige Logos, über lieblosen Schriftsatz, unpassende Schriftarten und er kämpft um jeden Buchstabenabstand. Irgendwann stimmt es und ist letztlich stimmig.
Die Ausstellung in der Stadtgalerie beschränkt sich nun ausschließlich auf das Gebiet der Fotografik. Den Begriff der Fotografik gibt es noch nicht sehr lange. In den einschlägigen Kunstlexika findet man ihn nicht, er wird subsummiert unter die künstlerische Fotografie. Treffend wird die Fotografik von Wikipedia beschrieben als „fotografisch erzeugte Bilder, deren Bildgestaltung und Bildwirkung vorwiegend auf grafischen Elementen beruht.“
Der erste Eindruck suggeriert, dass viele Arbeiten anscheinend während der laufenden Corona-Epidemie entstanden sind. Leere Räume, leere Stühle, leere Tische. Aber was hier als Zufall erscheint, ist Prinzip. Für das Bild im Treppenhaus des Vatikanmuseums musste er ewig warten, denn in der Regel stürmen Menschenmassen aufwärts zur Michelangelos Sixtinischer Kapelle oder zu den Stanzen des Raffael. Diese sind für den Betrachter Bernd Hanke sehr wichtig, nicht für den Fotografiker. Leere Räume kann man mit Gedanken, gar mit Geschichten füllen – was passiert, wer kommt hier gleich um die Ecke oder die Treppe hinunter. Was verbirgt sich hinter einer Wand, wer setzt sich in den leer stehenden Sessel?
Auf die Spitze getrieben hat er die Leere in Verbindung mit dem Warten, ein Symbol für Zeit und Raum. Natürlich kommt einem Godot in den Sinn. Das Bild mit den zwei Stühlen neben einem Tisch mit Kerze, entstand, als er auf seinen Sohn ewig warten musste. Es ist das einzige mit einem malerischen Charakter. Sonst dominieren Klarheit und Struktur.
Bernd Hanke ist auf der Suche nach dem Außergewöhnlichen, dem speziellen Detail, oder einer ungewöhnlichen Bildfindung, wie beim Putto, der nach dem Kreuz auf der Frauenkirche zu greifen scheint. Das Gesamtkonzept der Casa Battlo von Gaudi begreift am auch mit einem Ausschnitt aus dem Treppenhaus.
So lenkt er den Blick des Betrachters zum einen auf das Wesentliche, zum anderen auf Zusammenhänge. Wie verändert die Zeit einen bestimmten Stadtcharakter, z.B. eine Dachlandschaft in Bamberg oder wieder farbige Wände in Barcelona.
Das grafische Element findet sich explizit sich im Obergeschoss auf einer kleinen Tafel – man kann sie durchaus so nennen. Ein unentdeckter Gerhard Richter sollte man meinen, aber es ist nur die Wand eines Cafés in Venedig aus farbigen Leisten. Streng grafische Bilder entstanden auch in Museen. Eines der wieder aufgebauten Meisterhäuser in Dessau zeigt, wie unterschiedlich man an Rekonstruktionen gehen kann. Man muss nicht steingenau aufbauen. Genau an diesem Haus und in diesem Bild erkennt man die markante Formensprache des Bauhauses.
Markante Details lassen sich auf unterschiedliche Art in zahlreichen Bildern entdecken – ob es ein ramponierter Cafétisch in Rom, ein Gullydeckel in Paris mit Farbkreis oder ein Türbeschlag neben einer gelben Wand in Berlin ist. Der Ästhet entdeckt die Kunst im scheinbar Belanglosen.
Humor und Ironie, durchaus auch Selbstironie, niemals Sarkasmus kennzeichnen Bernd Hanke. „langweilig“ – ein Graffito aus der Neustadt heißt das Bild welches am Eingang den Besucher begrüßt. Es ist eine Provokation. Bernd Hanke provozierte schon zu DDR-Zeiten, hatte mit der Stasi nicht nur einmal zu tun und präsentiert im Pseudo-Stuckrahmen das „verlassene“ Klo des (wirklich üblen) Genossen Generalmajor Böhm. Er war höchster Stasioffizier des Bezirkes Dresden und so besessen, Feinde des Sozialismus zu bespitzeln und zu diffamieren, dass sich selbst seine Mitarbeiter beklagten.
Mit seiner Kunst mischt er sich politisch bis heute ein. Seine Plakate sprechen manchmal eine deutliche Sprache, manches muss man jedoch entdecken. Ein Beispiel hängt im Lichtraum der Galerie mit einer Ober und einer Unterseite. Hier gilt es nachzudenken – ein Hinweis ist die Farbe Blau.
Nach der Wende konnten wir endlich reisen. Und was musste das getrübte Auge erblicken? Auch auf Sylt sieht eine Eigenheimwohnanlage aus, wie der Block des FDGB-Heimes „Frohe Zukunft“ oder halt wie Prohlis. Ein Schild „Buhne“ versperrt den Blick. Buhnen dienen ja dem Küsten- oder Flussschutz und viele kümmern sich darum. Aber wer kümmert sich um den Schutz des dahinterliegenden Landes?
Gegensätze sind ein weiteres Thema. Neben dem wohlgeordneten Regal mit T-Shirts in Wien ist ein Grabbeltisch in Essen zu sehen. Verkaufskultur ist eben auch Kultur und wird in verschiedenen Ländern offenbar verschieden aufgefasst. Ebenso wie die vermeintliche oder die ernsthafte Kultur der Graffitis, beispielhaft dargestellt in Rom und in der Dresdner Neustadt.
Bilder entstehen nicht nur im Kopf. Viele Eindrücke und Motive sammelt der Künstler auf Reisen. Denn kein Land ist wie das andere. Licht, Gerüche, das Leben auf der Straße spielen eine große Rolle.
Das Reisen, welches Bernd Hanke liebt, ist z. Zt. nur eingeschränkt möglich. Vielleicht sieht man sich aber wieder auf der nächsten Biennale 2021 in Venedig – zusammen mit seinem Freund Klaus Liebscher.
Alexander Lange