Bis vorgestern hätte ich gesagt: ist doch klar, in Radebeul natürlich. Hier haben wir fast südliches Klima, der Boden scheint zu passen und mindestens an drei Stellen – im Grundstück der Bilzvilla (Augustusweg 110), im Minckwitzschen Gelände und am Haus Kynast – wachsen und gedeihen viele Eßkastanienbäume. Außer den drei genannten Standorten gibt es hier noch ein paar Einzelstandorte. Eine erste Betrachtung dieser exotischen Bäume finden wir in Heft 3/1992 von V&R. Da kannte ich aber die Eßkastanien im Park von Haus Kynast noch nicht, wo der nach meiner Schätzung mit etwa 300 Jahren älteste Maronenbaum, wie Eßkastanien in ihrer Heimat am Mittelmeer auch genannt werden, steht.
Ein Artikel in den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 26. Oktober 2020 machte uns neugierig auf eine größere Ansammlung dieser Bäume in Miltitz bei Meißen. Daraufhin haben wir, meine Frau und ich, bei schönem Herbstwetter einen Nachmittagsausflug nach Miltitz unternommen. Ab Meißen fährt man im Triebischtal ein paar Kilometer flußaufwärts. Das Dorf Miltitz erstreckt sich am linken Ufer der Triebisch vom Fluß den Berg hinauf. Oben angekommen, springen einem zunächst zwei größere Gebäude ins Auge: das überwiegend brach liegende Rittergut, zZ. kein allzu schöner Anblick, und die Kirche dagegen in erfreulicherem Zustand. Von dieser Höhe hat man in westlicher Richtung einen weiten Blick ins hüglige Land der Lommatzscher Pflege mit Feldern, Weiden und Wäldchen.
Fast hätten wir den Anfang des Eßkastanienhains von Miltitz übersehen, er beginnt direkt neben dem Friedhof und zieht noch weit in die Tiefe. Ob die Legende stimmt, daß Bischof Benno von Meißen hier den ersten Maronenbaum gepflanzt habe, lassen wir mal offen – diesem Bischof wird mehr zugeschrieben als in ein Menschenleben paßt! Gesichert ist aber, daß Karl von Miltitz, der eine Zeit lang als Sekretär des Papstes im Vatikan tätig war, dort diese eßbaren Früchte kennen und schätzen gelernt hatte. Bei seiner Rückkehr in die heimatlichen Gefilde hatte er eine Tasche voll Eßkastanien mitgebracht und dieselben hier um 1550 in die Erde gesteckt und damit den Grundstock für diesen Hain gelegt. Daß unter den heute reichlich 80 Exemplaren noch ein
Baum von 1550, also etwa 470 Jahre alt, da ist, möchte ich allerdings bezweifeln. Zu verschiedenen Anlässen ist die Anlage verjüngt worden und nach 1945 sind etliche Bäume der Not gehorchend als Feuerholz gefällt worden. Heute kümmern sich die Kollegen vom forstbotanischen Garten Tharandt gelegentlich um den Eßkastanienhain in Miltitz. Apropos Anlage, so wie hier die Bäume stehen, ist der Begriff Park m.E. nicht ganz zutreffend, ich möchte eher von Maronenplantage sprechen. So wie die Bäume hier stehen, kann man fast schon eine Monokultur erkennen. Die Bäume haben wegen der besonderen Lichtverhältnisse hohe Stämme gebildet und tragen nur im Kronenbereich noch Früchte. Höhen von 20 bis 25m wurden hier erreicht, wobei im mittleren Stammbereich nur noch Altholz zu erkennen ist. Davon könnte bei Sturm sogar eine Gefahr für Besucher des Parks ausgehen. Eine Wegeführung ist nur am Anfang der Anlage zu sehen, weiter hinten verliert sich das. Am Ende des Parks stehen, für den Besucher überraschend, eine große Eiche und eine stattliche Platane, sozusagen die Reste eines sonst üblichen Parks. Wir hatten die Haupterntezeit Ende September / Anfang Oktober verpaßt, fanden aber noch eine Handvoll kleinere bis mittlere Früchte.
Auf der Rückfahrt erkannten wir, daß früher in Miltitz Kalk bergwerksmäßig abgebaut worden ist und daß im Tal in der Furkert-Bartsch-Mühle noch gemahlen wird und die Produkte da verkauft werden.
Sachsenweit ist Miltiz in Sachen Eßkastanien erster Sieger, ich kenne keinen Ort mit mehr als 80 Bäumen, war aber auch noch nicht überall. Und Radebeul ist, obwohl ich hier nicht alle Eßkastanienbäume einzeln gezählt habe, eben leider nur Zweiter!
Dietrich Lohse