Radebeuler Miniaturen

Kanaris Valetus in Alltagsmaske
(für A.)

Die Tage werden wieder länger. Dennoch ist es Fast Nacht, als wir endlich ankommen. Geht schon mal rein, ruft Susanna, die Cremedose in der Hand, aus dem Bade, ich muß nur noch schnell meine Alltagsmaske auflegen.

Alltagsmaske? Sonja lacht. Das ist die, die du aufsetzt, wenn du nicht erkannt werden willst. Ich weiß schon, sag ich, freundlich, umgänglich, hilfsbereit und das offene Messer in der Tasche. Hätten wir uns nicht für heute auf eine andere einigen können, die Flirtmaske zum Beispiel?

Das laß mal lieber, lacht Sonja, da siehst du so albern aus, daß die Dame vor lauter Lachen nicht zum Kuß kommt.

Macht euch schon mal bekannt, ruft uns Susanna noch nach.

Dem Anlaß entsprechend leuchtet nur ein kleines Licht im Salon. Bei der Finsternis, sagt Sonja, sind ja die Ziffern kaum zu erkennen. Auch das ist Absicht, erklärt die Gastgeberin, die uns, aufrecht stolz und schön gefolgt ist, da fallen die Dunkel Ziffern nicht so auf. Sonja lächelt und läßt die Blicke über die Köpfe schweifen. Es fehlen ja noch zwei, sagt sie dann.

Die sind draußen, sagt Susanne, nach den aktuellen Vorschriften müssen immer Zwei das Haus Halten bei dem Wind.

Dann beginnt die Vorstellungsrunde.

Pan Dorra ist mit seiner Frau Panna Cotta aus dem slawischen Sprachraum angereist. Dort, erläutert Susanna, heißt Pan einfach Herr. Also reiche ich Herrn Dorra und Frau Cotta die Hand und bringe beiläufig meine Freude zum Ausdruck, daß Pan Tau die Reise doch nicht angetreten hat. Seine feuchte Kühle verursacht mir immer Schnupfen, und das ist nicht gesund in diesen Tagen. Kaum hustest du, schon wirst du von bösen, besorgten oder einfach nur neugierigen Blicken durchbohrt. Das schmerzt auf die Dauer.

Pan Dorra läßt sich nicht beirren, spricht von seiner Büchse und davon, daß er sich die Hoffnung nicht nehmen läßt. Ich hoffe, der meint mit Büchse nicht seine Frau, flüstert Sonja betroffen. Panna Cotta lächelt süßlich, aber durchaus nicht unangenehm. Sie wirkt überhaupt sehr anziehend.

Etwas abseits finde ich Pan Demi, der irgendwie allumfassend bocksfüßig daherkommt. Das wird, meint er selbstkritisch, an der Alltagsmaske liegen – jeder zeigt sich so, wie er gern gesehen werden möchte. Während ich mich frage, ob es mir Spaß machen würde, mich bocksfüßig zu zeigen, spielt er sehr ergreifend eine schöne Weise auf der Hirtenflöte. Leider sieht seine Frau Epi bei allem doch ziemlich daneben aus.

Da aber sorgt Pan Tarei für einen fließenden Übergang und Susanna bittet zur großen Majonaise. In ihrer Alltagsmaske ist sie wirklich kaum zu erkennen, flüstert Sonja, zum Glück sitzt sie auf dem Einhorn.

Die Musik setzt ein und – ab geht die Fahrt…

Thomas Gerlach

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