Christian Manss „Wie Blumen in der Wüste“

Eine Ausstellung in der Stadtgalerie Radebeul

Vor einem Jahr lernten wir, dank Gabriele und Björn Reinemer, Christian Manss und seine Frau Anne in ihrem Atelier in Dresden-Niedersedlitz kennen und es war sofort klar, dass wir mit seinen Arbeiten eine Ausstellung gestalten werden. Das Ergebnis ist nun seit dem 5. September in der Radebeuler Stadtgalerie zu besichtigen.

Installation: »Ruhepuls«


Christian Manss 1978 in Eisenach geboren, studierte bis 2007 an der HGB in Leipzig, lebte drei Jahre in Zürich und ist seit 2010 in Dresden zu Hause. Stipendien führten ihn in eine ganze Reihe von Städten Europas sowie in die USA und nach Südkorea. Ausstellungen waren bereits ebenfalls zahlreich zu sehen und Werke von Christian Manss sind in vielen Sammlungen beheimatet.

Installation: »Ruhepuls«


Die sparsam ausgestattete Ausstellung beschränkt sich auf drei Werkgruppen, collagierte Fotografie, Lithografie und Installation, sorgfältig ausgewählt vom Künstler. So wie er eine Ausstellung vorbereitet, agiert er auch im Atelier.

Ein überlegtes Herangehen bestimmt die Arbeitsweise – nicht spontanes Agieren. Christian Manss hat einen genauen Plan. Das Bild ist im Kopf und wird genauso bis zum letzten, vermeintlich zufällig gemalten Punkt, umgesetzt. Dabei bedarf der Künstler Ordnungsprinzipien, die dem Wunsch, die Wirrnis der Empfindungen in eine Ordnung zu bringen, das Chaos zu ordnen, entgegenkommen.

In Radebeul zeigt Christian Manss in einem langen Prozess überarbeitete Fotografien. Übermalte, dekonstruierte Fotografien sind sein Markenzeichen. Gleichwertige, sowohl künstlerische als auch technische Schritte, lassen sich einteilen. Fotos werden auf blankes Zeitungspapier (Reste von Bahnen aus einer Druckerei) gedruckt, geschnitten und wiederum in Überschneidungen und nicht genau passenden Schrägstellungen auf eine zuvor bemalte Leinwand aufgetragen.

Schichten verbergen, können aber auch offen legen, deshalb die Transparenz, die in der Überarbeitung mit Bootsinnenlack entsteht. Danach erfolgt die mehrfache Übermalung. Die Farbe wird aufgetragen, wieder abgewaschen, wieder aufgetragen, usw., Farbspuren in ihrem Verlauf kontrolliert, bis das gewünschte Bild mit der entsprechenden Wirkung entstanden ist. Auch transparente Schichtungen verhüllen und manchmal muss man Verhüllen, um sichtbar zu machen. Es ist dasselbe Prinzip, welches Christo und Jeanne-Claude nutzen, um die Ästhetik oder Einzigartigkeit eines Bauwerkes oder einer Landschaft erst wahrnehmbar zu machen.

Man glaubt Bekanntes genau zu erkennen, wird aber doch getäuscht. Es lohnt sich genau hinzuschauen. Architektur und Figuren werden in neue Zusammenhänge gestellt und können szenisch agieren. Fast wirken die Arbeiten wie Reliefs. Diese Wirkung ist neben der szenischen mit Sicherheit beabsichtigt, denn das Relief bildet die Schnittstelle zwischen Bild und Plastik. Architektonische Elemente tauchen in den Bildern auf. Einem Bühnenbild ähnlich, geben sie Figuren einen Rahmen. Es existiert jedoch keine wesentliche Handlung, nur eine magische Bindung zwischen den Elementen.

Für Christian Manss ist es entscheidend, „dem Dunklen nicht auszuweichen“, tief blicken zu lassen. Anklänge an Landschaften und Architekturen sind Anklänge an Vergangenes. Es geht nicht um die Landschaft an sich, sondern eher um charakteristische Eindrücke, Vielleicht hat er sie verlassen zugunsten einer Seelenlandschaft. D.h., dass die im Traum oder der Vorstellung lebenden Bilder begonnen haben, sich zu materialisieren. Die Werke sind Extrakte aus langen Betrachtungen – durchaus auch Selbstbetrachtungen. In diesem Sinne arbeitet er teilweise in Serien. Serielle Bilder können den festgehaltenen Augenblick verlängern und – ganz wesentlich – von verschiedenen Blickwinkeln aus beleuchten. Das Schaffen in Folgen ist ab und zu unerlässlich, denn diese können Geschichten erzählen vom Werden und Vergehen. So ist eine Serie aus der Lockdownzeit zu entdecken, die sich mit dem Selbst beschäftigt. Auffällig in der klassische Bildanlage in „Die Heilung“ ist die vom Licht überflutete, in den Raum ragende Figur, verstörend beim genauen Hinschauen. In dieser Zeit entstanden auch eine Reihe von Lithografien, von denen sieben in der Ausstellung zu sehen sind. Sie wurden sehr aufwendig, mit bis zu acht Farben im ständigen Fernaustausch mit dem Drucker in Schweden entwickelt. Sehr schwer, den genauen Ablauf zu steuern, wenn man nicht im direkten Kontakt und am Stein steht. Auch hier finden sich sehr persönliche Erlebnisse, z.B. in Schweden.

Gemeinsam allen Arbeiten ist das Auftauchen eines Zeichens, eines grafischen Objektes. Es kann ein Rechteck oder ein Dreieck (Pyramide) sein. Es stört eventuell die Harmonie, die ohnehin nur eine scheinbare ist. Oder lenkt den Blick in einen zentralen Bereich.

Inmitten der Tafeln und Lithografien steht in der Galerie ein Objekt, wie ein riesiger Brocken, der aus dem Weltall gelandet ist. Von außen schwarz und abweisend, eröffnen sich im Inneren tatsächlich neue Welten. „Ruhepuls“ ist eine Installation mit der der Künstler in die dritte Dimension vorstößt und mit verschiedenen künstlerischen Techniken experimentiert. Das Prozesshafte ist ihm wichtig, denn das Leben ist ein Prozess und wir überschreiten in unserem Leben mehrfach Grenzen, wie sie auch mit jeder neuen Werkphase überschritten werden müssen. Das Objekt, eine zusammenfaltbare Installation, die zusammen mit einem Tapeziertischhersteller entwickelt wurde, passte geradeso in die Galerie hinein. Sie ist ein wahres Gemeinschaftswerk mit einem Musiker aus Prag, zwei Übersetzern, einer Viedeokünstlerin, Manja Kuhl, und vier Videokünstlern, Volker Schlecht, Knut Amor, Eric Vogel und Alexander Nast. Jeweils zu einem Gedicht von Christian Manss, welches vom ihm gesungen wurde, erfolgte eigenständiges Umsetzen in eine andere Musik (ohne Verständnis des Textes), zu welche dann die VideokünstlerInnen, ebenfalls unbeeinflusst von Christian Manss, in filmische Szenen wandelten. Nach diesen Videos entstanden schlussendlich die korrespondierenden Tafeln. Mit dieser Arbeitsweise schuf der Künstler eine Verbindung von Plastik, Malerei, Architektur, Fotografie und neuen Medien.

„Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war, außer dem Verstande selber.“ (Gottfried Wilhelm Leibnitz). In dieser Bedeutung schärfen wir an Bildern unsere Sinne, dem Verstande zu dienen.

Alexander Lange

Die Ausstellung ist noch bis zum 17. Oktober in der Stadtgalerie zu erleben.

Am 17. Oktober findet als Finissage um 16.00 Uhr ein Künstlergespräch statt.

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