Bon Bon Bong
Meine Mutter, nein das glaubst du nicht!
Lachenden Auges halb und halb grollend rufts Ulrike schon in der Tür. Sie hat jetzt immer viel zu erzählen, wenn sie heimkommt.
Sie war also einkaufen, meine Mutter, erzählt Ulrike. Sie hatte ihr aufgetragen, besser auf die Rechnungen zu achten, nachdem sie Unregelmäßigkeiten im Geldtäschel der alten Dame bemerkt hatte. Du weißt doch, was du im Korb hast, hat sie der Mutter gesagt, da kannste im Kopf überschlagen, wie hoch der Gesamtpreis irgendwie sein wird.
Und was macht Mutter?!
Sie läßt sich an der Kasse den Bon geben und beginnt ihn zu studieren, während die Schlange hinter ihr wächst und die Kassiererin schon hektische Flecke bekommt. Sie kommt auch ganz gut durch die Artikel und Summen, vergleicht die im Kopf überschlagene Summe mit dem ausgewiesenen Gesamtpreis – die alten Leute können noch im Kopf rechnen, die haben das noch gelernt! Aber dann – die untere Hälfte des Bons ist angefüllt mit endlosen Buchstaben-Zahlen-Kombinationen, deren Studium selbst zu Hause im sicheren Sessel schlicht unmöglich ist: hier: hör mal: LyJ48Rhn8ADxxdotq007… das ist erst ein Drittel einer von fünf Zeilen. Mutter liest und staunt und fragt dann die Kassiererin, was das zu bedeuten habe. Ihre Tochter, sagt sie, bestehe darauf, daß sie die Rechnung überprüfe, und das könne sie nicht, wenn sie nicht wisse, was sich hinter den mystischen Zeichen verberge.
Das kann ich ihnen auch nicht sagen, sagt die Kassiererin roten Kopfes, aber so höflich sie noch kann, das hänge wohl irgendwie mit EDV und Steuer zusammen. Das muß sie nicht interessieren.
Aber warum drucken sies dann auf meinen Zettel?
Das ist jetzt so, ist die Antwort, und es wäre schön, wenn sie nun endlich die Kasse frei machen könne, es warten nämlich noch mehr Leute.
Folgsam räumt Mutter ihren Kram zusammen und verschwindet. Erst zu Hause bemerkt sie, daß sie in der Aufregung vergessen hat, zu bezahlen – denn natürlich hat sie die Rechnung vor der Zahlung überprüfen wollen…
Ich bin dann noch mal hin, sagt Ulrike, und hab die Summe beglichen, zum Glück hatte Mutter ja den Zettel noch, da war er wenigstens einmal zu etwas nutze.
Wir haben den Rest des Abends mit zwei Flaschen Rotwein verbracht und mit der Frage, wie uns die Information 641EE612BrNxxDFYckw 22 … beim Leben hilft und wie viele Bäume das Finanzamt sparen könnte, wenn auf dem Zettel nur das Erforderliche stünde, nämlich, was wofür zu bezahlen ist – zumal die allermeisten dieser Ausdrucke ungelesen im Papierkorb unter der Kasse verschwinden…
Thomas Gerlach