Über die (vergessenen?) Anfänge der Bilzbad-Feste
Wenn sich am zweiten Juliwochenende das Gelände des Bilzbades bei hoffentlich warmen Temperaturen anlässlich des Bilzbad-Festes mit vielen Besuchern füllt und sich ein reges Treiben rund um das Thema Fitness und Gesundheit entfaltet, wird sicherlich an der einen oder anderen Stelle auch auf das in diesem Jahr begangene Jubiläum des Namensgebers Friedrich Eduard Bilz, seinen 180. Geburtstag, hingewiesen werden. Nachdem das Fest 2020 und 2021 aus bekannten Gründen ausfallen musste, liegt es nahe, dass die Veranstalter der Radebeuler Stadtbäder und Freizeitanlagen GmbH ein ganzes Festwochenende ansetzen, bei dem nebenbei auch noch der zweite Radebeuler Säulenheilige – Karl May – angemessen bedacht wird (Programm des Festwochenendes: https://www.bilzbad-radebeul.de/bilzbad-events.html). Ich vermute allerdings, dass sich weder die Veranstalter noch die Besucher vergegenwärtigen, dass dieses Fest selbst auch einen runden Geburtstag feiert, seinen immerhin 30. Und noch viel weniger wird sich einer der Akteure und Gäste darauf besinnen, wo die Ursprünge des Bilzbad-Festes liegen und welcher Anstrengungen vieler Beteiligter es bedurfte, im Juni 1992 ein solches Event – damals sagte man noch „Veranstaltung“ – erstmalig zu organisieren. Daran soll mit diesem Beitrag erinnert werden, denn ohne die Verantwortlichen aus der unmittelbaren Nachwendezeit wäre die Tradition der Bilzbad-Feste möglicherweise gar nicht entstanden.
Schon zu Jahresbeginn 1991 gab es im Gesundheitsamt des Landkreises Dresden erste Überlegungen, verschiedene lokale Einrichtungen und Behörden, die sich im weitesten Sinne dem Gesundheitsschutz verpflichtet fühlten, an einen Tisch zu bringen und zu überlegen, wie unter den veränderten politischen und gesellschaftlichen Bedingungen Gesundheitsförderung öffentlichkeitswirksam gestaltet werden könnte. Der schließlich im Juni 1991 gegründete „Regionale Arbeitskreis Gesundheitsförderung Radebeul“ vereinte u.a. Mitarbeiter des Gesundheitsamtes, Vertreter von Krankenkassen, Apotheker und Gewerbetreibende. Ein erstes Achtungszeichen setzte der Arbeitskreis mit „Tagen der Gesundheit“ im Oktober gleichen Jahres. Insgeheim mag dann auch schon Ende 1991 der Gedanke gereift sein, dass man das große Bilz-Jubiläum im Folgejahr, nämlich dessen 150. Geburtstag und 70. Todestag, als Aufhänger nutzen und das Anliegen des Arbeitskreises in diesem Zusammenhang verbreiten könnte. Und so findet sich im Sitzungsprotokoll des Arbeitskreises vom 10. Februar 1992 schon recht konkret, was schließlich als die ersten Friedrich-Eduard-Bilz-Festtage am 12./13. Juni Wirklichkeit werden sollte. Die Stadtverwaltung Radebeul, namentlich der Amtsleiter für Kultur und Bildung, Dr. Schubert, war unterdessen mit ins Boot geholt worden. Ein Programm wurde in gemeinschaftlicher Arbeit zwischen Arbeitskreis und Stadt entworfen, das sowohl Leben, Werk und Bedeutung von Bilz angemessen würdigen als auch in die Stadtgesellschaft hineinreichen sollte. In den folgenden Wochen wurden seitens des Arbeitskreises Sponsoren gewonnen, Werbetrommeln gerührt und Pressemitteilungen verfasst. Was sich aus heutiger Sicht so einfach liest, muss aus der Perspektive der damals erst seit kurzer Zeit „im Westen“ lebenden Mitwirkenden ein aufregendes Unterfangen gewesen sein. Wie gelingt es einen Sponsor zu finden und zu überzeugen, sich zu engagieren? Die Getränkefirma Sinalco war bereit, 12000 DM zur Verfügung zu stellen, eine damals stattliche Summe, für die man fast schon einen Kleinwagen kaufen konnte. Dieser Sponsor mutet auf den ersten Blick insofern ein wenig kurios an, als dass Sinalco damals wie heute Softdrinks (Cola, zuckerhaltige Brausen) vertreibt, die nun alles andere als gesundheitsfördernd sind. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass die Vorläufer der heutigen Sinalco AG schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Genehmigung von F.E. Bilz ein „Bilz‘ Brause“ benanntes Getränk erfolgreich vertrieben hatte. Dieses Getränk hatte ein Fruchtkonzentrat aus sieben Früchten zur Grundlage, das sogar als „Bilz-Seele“ vermarktet wurde. Doch kehren wir zurück zur Vorbereitung des ersten Bilz-Festes 1992. Die kurze Zeitschiene, die entlang der Planung des Festes angelegt wurde, mutet waghalsig an. Das offizielle Konzept für die Festtage wurde seitens Dr. Schubert erst am 23. März, also mit weniger als einem Vierteljahr Vorlauf veröffentlicht und um einen Druckkostenzuschuss für Handzettel und Plakate bat der Arbeitskreis erst Ende April (!) bei der übergeordneten Behörde, der Sächsischen Landesvereinigung für Gesundheitsförderung. Nicht zu vergessen ist die verdienstvolle Mitwirkung des Radebeuler Journalisten Jürgen Helfricht, der in Vorbereitung des Festwochenendes eine sorgfältig recherchierte und thematisch weitgespannte Broschüre („Friedrich Eduard Bilz. Altmeister der Naturheilkunde in Sachsen“) redaktionell verantwortete, die pünktlich zum Fest erscheinen konnte. Das eigentliche Festwochenende teilte sich in mehrere miteinander verzahnte Programmpunkte: Ehrung durch die Stadtverwaltung am Grab von Bilz in Anwesenheit von Nachfahren am Freitagnachmittag, anschließend ein musikalisch umrahmter Festakt im Festsaal von Schloss Hoflößnitz mit Vorträgen und einem nachfolgenden Rundgang durch eine Bilz-Ausstellung. Am Folgetag wurden die zahlreichen Besucher mit einem breitgefächerten Angebot an Mitmach- und Vergnügungsstationen ab 10 Uhr bis in die Nacht im Badgelände erfreut. Welche Bedeutung diesem Fest damals auch von offizieller Seite beigemessen wurde zeigt sich daran, dass der Staatsminister für Gesundheit und Soziales, Hans Geisler, die Veranstaltung eröffnete und sogar an einem 2,7km langen Bilz-Gedenklauf teilnahm. Geisler äußerte in einem SZ-Interview auch die Hoffnung, dass „hier eine Wiederherstellung des einstigen Sanatoriums möglich ist, vielleicht durch einen privaten Betreiber.“ Das erste Bilzfest war gemessen am Echo in der Bevölkerung als auch in den Medien also ein Erfolg gewesen, weshalb der Arbeitskreis Gesundheitsförderung in seiner Sitzung am 31.8.92 beschloss, dass es auch im Folgejahr ein Bilzfest geben sollte, der Termin wurde auf den 3. Juli fixiert. Man hatte erkannt: Mit dem Zugpferd Bilz ließ sich nicht nur die Bevölkerung motivieren, sondern auch überregional Aufmerksamkeit erzielen. Deshalb fand nicht nur 1993, sondern auch in den nächsten Jahren jedes Jahr am letzten Sonnabend im Schuljahr das Bilzfest statt. Die Verantwortlichen des Arbeitskreises gewannen stetig an Sicherheit und Professionalität, sie vernetzten sich klug mit am Thema interessierten Fachleuten, Gewerbetreibenden und Firmen und verschafften sich Anerkennung bei städtischen und staatlichen Behörden. Schon 1994 konstatierte das Radebeuler Tageblatt unter der Überschrift „Bilzfest mit überregionaler Bedeutung“, dass im Vergleich zu den Jahren zuvor eine „Steigerung“ zu beobachten gewesen sei. Der qualitative Zugewinn lag neben den angebotenen Attraktionen auch daran, dass sich die Verantwortlichen entschlossen hatten, dem Fest für die Bevölkerung erneut eine Fachtagung für Experten an die Seite zu stellen. Bei eben jener im Sommer 1994 stellte übrigens die langjährige Friedewalder Hausärztin Dr. Heidelore Geistlinger erstmals ihre Pläne zum Aufbau des Bilz-Zentrums vor, das seit 1995 im Lößnitzgrund Patienten begrüßt. Als Folge dieser Fachtagung wurde eine Broschüre mit dem verheißungsvollen Titel „Ein Bilz-Zentrum entsteht in Radebeul“ produziert, die sich vom Layout nahtlos an jene von 1992 anschloss. Die Mitglieder des Arbeitskreises Gesundheitsförderung hatten noch mehr Grund zufrieden zu sein, als sich im August 1995 der „Bilz-Bund für Naturheilkunde e.V.“ gründete und damit endlich ein Verein existierte, der im Sinne der Verantwortlichen Fördermittel abschöpfen bzw. Spenden einwerben konnte. Man liegt also nicht falsch, wenn man einschätzt, dass Mitte der 1990er Jahre Bilz „in“ geworden war und sich viele haupt- und ehrenamtlich dafür stark machten, dass Radebeul dieses Thema von verschiedenen Seiten weiter verfolgt und damit auch seine überregionale Ausstrahlung stärkt. Bis 1999 gab es fortan jedes Jahr im Sommer ein Bilzfest, allerdings dauerte es bis 1999, bis die nunmehr dritte Fachtagung unter Federführung des Arbeitskreises Gesundheitsförderung stattfinden konnte. Mit fortschreitender Zeit scheint sich jedoch ein wenig Ermüdung breit gemacht zu haben, nahm der Elan des Anfangs ab. Entscheidungswege wurden länger, finanzielle Vorgaben strikter, Sponsoren zurückhaltender. Die Sächsische Zeitung vermeldete denn auch im Bericht zum Bilzfest 1999 unter der Überschrift „Keine Lobby für Naturheilkunde“, dass die fehlende Anerkennung naturheilkundlicher Behandlungsmethoden durch weite Teile der Ärzteschaft und der Krankenkassen ihrer Verbreitung und damit gesellschaftlichen Durchsetzung im Wege stünden. Sicherlich nicht nur aufgrund dieser Sachlage, sondern auch verursacht durch das näher rückende altersbedingte Ausscheiden zweier verdienter Gründungsmitglieder (Amtszahnärztin Dr. Renate Grummt und Jugendärztin Dr. Marianne Kazmirowski) löste sich der Regionale Arbeitskreis für Gesundheitsförderung Radebeul nach mehr als acht Jahren engagierter Tätigkeit am 25.11.1999 auf. Im letzten Protokoll wurde allerdings noch festgehalten, dass die Verantwortung für die Organisation des Bilzfestes 2000 in den Händen des Bilz-Bundes und der Stadtverwaltung liegen sollte. Bilzbad-Feste gab es seither immer wieder – aber es dauerte bis 2020, dass das nunmehr dritte „Bilz-Heft“ im traditionsreichen Format und in den bekannten Farben Rot-Grün im Radebeuler Notschriftenverlag erscheinen konnte. Anlass war eine Festveranstaltung zum 20-jährigen Jubiläum der Ausbildung von Ärzten für die Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren“, die durch den Bilz-Bund für Naturheilkunde schon im November 2018 abgehalten worden war. Es ist erfreulich zu konstatieren, dass der Bilz-Bund also den Staffelstab des früheren Arbeitskreises für Gesundheitsförderung aufgenommen und dessen Anliegen in Bezug auf die Förderung und Verbreitung Bilz’scher Erkenntnisse bis in die Gegenwart getragen und professionalisiert hat. Immerhin ist der Radebeuler Bilz-Bund der mitgliederstärkste Bilz-Verein in Sachsen und in der Weiterbildung von Ärzten sehr aktiv.
Wer auf den Spuren von F.E. Bilz wandeln will, hat dazu also vom 8.-10. Juli Gelegenheit. Vielleicht macht sich sogar die eine oder der andere aus unserer Leserschaft, der schon in den 1990er Jahren die Bilzfeste erlebt hat, zum Bilzbadfest auf. Ab 14 Uhr ist der Eintritt am Sonnabend sogar frei. Und das hätte auch F.E. Bilz gefreut, da bin ich mir sicher.
Bertram Kazmirowski
Festschrift mit Fachvorträgen 2020, herausgegeben vom Bilz-Bund für Naturheilkunde e.V., Broschüre, 44 Seiten, 21 x 19 cm, mit zahlreichen Fotos z.T. in Farbe
Aus der Jubiläumsveranstaltung 20 Jahre erfolgreiches Bestehen der Ausbildung von Ärzten für die Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren“ durch den Bilz-Bund für Naturheilkunde e.V. am 20. November 2018