Versuch einer Glosse

Das Dilemma

Als ich noch einen richtigen Job hatte – was schreib ich – noch Unternehmer war, hatte sich einmal eine fesche, junge Frau um eine Stelle in meiner Gesellschaft beworben. Die hatte – also die Frau –, wie man unterm Volk so sagt, die Gusche auf dem rechten Fleck. Meine Zweifel, ob sie denn den Herausforderungen der Tätigkeit auch gewachsen sei, konterte sie mit der etwas nassforschen Bemerkung, dass sie genug „bunte Knete im Kopf“ habe. Eigenständige Ideen zu entwickeln aber war geradezu die Voraussetzung für diesen Arbeitsplatz. Ich stellte sie ein und hatte viel Freude an der jungen Frau, auch wenn sie mich nach einiger Zeit wieder verlassen hatte, um sich größeren Aufgaben zuzuwenden.

Aber „bunte Knete“ wird von den meisten Chefs nicht gern gesehen. Offenbart sie doch einerseits die eigenen Schwächen und andererseits verlangt sie eine große Flexibilität des Unternehmens und dessen Leitungen. Und da stecken die Chefs in einem großen Dilemma.

Wenn er Leute mit „bunter Knete“ für sein Unternehmen nutzbringend einsetzen will, muss er sie gewissermaßen „kontrolliert“ frei laufen lassen und offen für jeden neuen Gedanken sein. Das aber ist mit den meisten Chefs nicht zu machen. Warum nicht? Weil sie dann eben nicht Chefs wären. Chef ist man, weil man ein Alpha-Tier ist oder sich dafür hält. Und welches Alpha-Tier lässt sich schon gern in den Schatten stellen?! So ein Exemplar habe ich noch nicht gesehen. Chefs sind ein Leben lang Chefs, auch wenn sie längst keine Chefs mehr sind, also aus der Firma ausgeschieden sind. Aufpassen aber müssen sie dann allerdings, dass sie sich mit ihrem Gehabe nicht lächerlich machen und dem Umfeld nicht auf den Wecker gehen. Ein schwieriges Unterfangen, was nur den wenigsten gelingt.

Aber nichts für ungut, es gibt natürlich auch richtig gute Chefs, die nicht gleich bei jeder Gelegenheit eine hochroten Kopf bekommen, Mitarbeiter feuern und glauben, dass ohne ihr Eingreifen der Laden an keiner Stelle richtig läuft. Wer Dienstbesprechungen nur zum „Abwatschen“ nutzt und keinen freien Meinungsaustausch zulässt, verschenkt die Potenzen seiner Mitarbeiter und schadet letztendlich dem Unternehmen.

Nun muss jetzt der Leser nicht glauben, der Motzi hätte die Fronten gewechselt, auch wenn ich nicht ganz verleugnen kann, dass ich auf beiden Seiten der Barrikade so meine Erfahrungen sammeln konnte. Das schult auf alle Fälle fürs Leben. Aber mal ehrlich, diese Binsenweisheiten gelten doch nicht bloß für Chefs. Der Mensch ist nun mal ein Herdentier, und wo eine Herde ist, da ist auch ein Leitbulle oder eben eine Leitkuh. Das hat halt die Natur so eingerichtet. Ich muss ja jetzt nicht verraten, wer bei mir zu Hause das Sagen hat. Nur bei den Schafen hat das nicht geklappt. Deshalb rennen sie eben wie eine Hammelherde durcheinander, wenn der Wolf durch den Zaun guckt. Aber was habe ich davon, wenn ich meine Mitarbeiter „gefressen“ habe? Die Folge kann doch nur „Dienst nach Vorschrift“ sein und die „bunte Knete“, wenn vorhanden, bleibt dann eben zu Hause.

Sicher, meistens ist Arbeit Brotjob. Aber wenn ich Tag ein, Tag aus mit einer stink Laune meinen Arbeitsplatz aufsuche, steigert das ja auch nicht gerade meine Arbeitswut. Die braucht es aber, damit der Chef und ich etwas davon haben. Denn diese „stink Laune“ macht mich ja kaputt. Und wenn ich kann, bin ich schneller weg, als der Chef denken kann. Ist aber fürs Unternehmen auch keine Lösung, denn mittlerweile sind die Arbeitskräfte rar geworden, auch weil die Chefs gedacht haben, dass davon genug auf der Straße liegen.

Jeder Chef ist somit gut beraten, wenn er auch mal mit seinen Mitarbeitern ein Bier trinken geht oder einfach nur zuhört, was sie so bewegt. Allein Parkplätze für sie bauen oder gelegentlich ein warmer Händedruck, das reicht eben nicht aus. Damit die Wertschätzung des Personals nicht zur bloßen Wortfloskel verkommt, ist mehr nötig, als eine verkorkste Rundmail zum Jahresende. Deshalb wäre mehr Achtung vor den Lebensleistungen der Mitarbeiter und ein kollegiales Miteinander wünschenswert, meint

Euer Motzi

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