Eindrücke von einem ungewöhnlichen Tanzprojekt an den Landesbühnen
Ja, Tanzen verbindet, wie man im September am Beispiel einer Koproduktion der Landesbühnen Sachsen mit Tänzern der „ich bin o.k.“ Dance Company aus Wien sehen konnte. „Tabula Rasa – ein inklusives Tanzprojekt“ wurde nach Voraufführungen in Wien Mitte September drei Mal auf der Studiobühne der Landesbühnen uraufgeführt und dem überwiegend jugendlichen Publikum präsentiert. „Tabula Rasa“ ist die Fortsetzung einer schon länger bestehenden Kooperation beider Ensembles, die uns schon tolle Stücke, wie im letzten Jahr den „Nussknacker“, erleben ließ. Die Kooperation ist Teil eines von der EU geförderten Projekts, das den Tänzern unter anderem auch Auftritte in Norwegen ermöglichte. „Tabula Rasa“ wurde seit Februar in sechs Probenphasen von ungefähr je einer Woche Dauer vorbereit, denn die Mitwirkenden aus Wien mussten dafür ihren Urlaub nutzen.
Die „Ich bin O.K.“ Dance Company wurde vor 45 Jahren durch die Mutter des heutigen künstlerischen Leiters Attila Zanin mit der Vision der „Förderung der gesellschaftlichen Inklusion von Menschen mit und ohne Behinderung durch Tanz und Theater“ ins Leben gerufen. Und diese Vision haben sie bis jetzt in beeindruckender Weise mit Leben erfüllt, denn neben der Kooperation mit den Landesbühnen Sachsen war die Wiener Company noch an vielen weiteren inklusiven Tanzprojekten beteiligt. Dazu gehörten z.B. die Teilnahme eines Debütantenpaares mit Down-Syndrom am Wiener Opernball, die Mitwirkung an der Eröffnungs- und Abschlussshow der Special Olympics World Winter Games 2017 oder die siegreiche Teilnahme an internationalen Tanzwettbewerben in Wien und Moskau.
„Tabula Rasa“- reinen Tisch machen. Der Titel der jüngsten Produktion zieht sich auch ganz augenfällig durch das Stück, das aus einzelnen nicht zwingend zusammenhängenden, aber doch ähnlich aufgebauten Szenen besteht. Aus den Interpretationen verschiedener Alltagsmomente durch die fünf Wiener Tänzerinnen und Tänzer mit Behinderung und den beiden Akteuren aus der Tanzcompagnie der Landesbühnen (Marianne Reynaudi und Gavin Law) entstehen doch immer ein Dialog und ein Zusammenspiel. Tanzend erzählen die Künstler von Alltäglichem wie dem Kochen, von Gruppendynamiken, vom Ausgeschlossensein und vor allem davon, dass Geld und Erfolg vielleicht nicht alles sein sollten was im Leben zählt. Dass die Gemeinschaft wichtiger ist und wir wahrscheinlich vor allem eines brauchen, nämlich eine Tabula Rasa, einen Neuanfang im Umgang mit Menschen mit Behinderung. Wir werden aufgefordert, die Welt unvoreingenommen zu betrachten, alle Lebewesen als wertvoll anzuerkennen und uns nicht von der Last von Goldketten am Hals in unserer Mitmenschlichkeit runterziehen zu lassen.
Was Stücke wie diese besonders macht ist natürlich die Zusammenarbeit zwischen den Profitänzern und den Menschen mit Trisomie 21. „Die Tänzer mit Trisomie 21 tanzen einfach so, wie sie sich selber sehen“, so Atilla Zanin. Während die Profis vor allem Technik und Perfektion in die gemeinsame Arbeit bringen, tragen die Menschen mit Behinderung ein Gefühl von Ungezwungenheit, Spontaneität und Freiheit bei. Und genau deswegen sind Stücke und Projekte wie diese auch so wichtig und wünschenswert für die Förderung von Toleranz und Inklusion. Denn sie zeigen, dass wir von jedem Mitglied der Gesellschaft lernen können und lernen sollten. Denn ich glaube, in einer Welt, wie wir sie gerade haben, die geprägt ist von Leistung als dem Qualitätsmaßstab schlechthin, vergessen wir manchmal, was wirklich zählt. Nicht perfekt zu sein ist okay und macht uns zu den Menschen, die wir wirklich sind. Vielleicht sollten wir alle mal auf leere Tische steigen und tanzen – und schauen, was das mit uns macht.
Helene Ploschenz
Kl. 11 Lößnitzgymnasium Radebeul