Buchvorstellung

„In Übigau 1870 / 71 interniert – in Kaditz bestattet“

Foto: D. Lohse

Das vor mir liegende Büchlein (Format A5, 76 Seiten) ist ein Sachbuch zu Ereignissen am Rande des deutsch-französischen Krieges von 1870 / 71, ein Krieg, den Deutschland nicht verloren hatte. Herausgegeben hat dieses Buch 2022 der Verein „Neue Nachbarschaft Kaditz e.V.“ in Eigenregie, d.h. ohne einen Verlag. Wäre das Buch über einen Verlag noch teurer geworden? Verfasser ist der Kaditzer Siegfried Reinhardt, von dem u.a. schon Bücher über die Gohliser Windmühle sowie Dorf und Stadtteil Kaditz erschienen sind. Wenn ich jetzt über das neue Buch berichte, so tue ich das gern, weil die „Nachbarschaft“ und die „Vorschau“ zwei benachbarte und miteinander bekannte Vereine sind, die über die Stadtgrenze Dresden / Radebeul eine gelegentliche Zusammenarbeit pflegen.
Aber ist das jetzt der richtige Zeitpunkt, um über ein älteres Kriegsereignis zu schreiben, jetzt, wo in östlicher und südöstlicher Richtung von uns Kriege toben? Es müsste möglich sein, weil zwischen der Gefangenschaft der Franzosen an der Elbe und den aktuellen Kriegen 150 Jahre liegen und weil das Herangehen an das Thema im Buch nicht kriegsverherrlichend ist.
Das Buch, siehe oben, ist schon durch sein Cover in den Farben der Trikolore (Blau, Weiß, Rot), den Gemeindesiegeln von Übigau und Kaditz sowie dem Titel interessant gestaltet und dadurch eine Aufforderung zuzugreifen! Dem Buch liegt eine umfassende Recherche zugrunde, die Fakten sind in drei Abschnitte gegliedert: das Internierungslager für etwa 7000 gefangene französische Offiziere und Soldaten in Übigau, die Begräbnis-stätte für 117 gestorbene Franzosen in Kaditz und die namentliche Auflistung der Toten. Als Radebeuler hatte man schon mal vom Kaditzer Franzosenfriedhof gehört oder ihn vom Elbradweg aus besucht, aber die größeren Zusammenhänge erfährt man erst aus dem verdienstvollen Büchlein. Von einem geschichtlichen Sachbuch darf man keine lockere, leicht zu lesende Lektüre erwarten, es sind sachliche, gelegentlich etwas trockene Schilderungen der Faktenlage. Aus dem Text erfährt man, dass am 26. August 1870 die ersten Franzosen in Übigau, das damals noch nicht zu Dresden gehörte, eintrafen. Sie waren geschwächt vom Kampf und der langen Zugfahrt (ca. eine Woche) und zum Teil verletzt. Sie wurden ärztlich versorgt und mussten ihr Barackenlager am Elbufer in Übigau selbst aufbauen. Das Kriegsgefangenenlager war primitiv mit Strohlagern statt Betten, es folgte ein kalter Winter und schließlich eine Überschwemmung der Elbe. Die Zahl der 117 toten Gefangenen entstand durch Krankheiten und Entbehrungen, häufig durch Blattern und Lungenkrankheiten. Da damals Übigau nach Kaditz eingepfarrt war und keinen eigenen Friedhof besaß, mussten die verstorbenen Gefangenen auf einem Kaditzer Friedhof begraben werden. Man erfährt aber auch, daß die Franzosen zu bestimmten Zeiten das Lager verlassen durften und so auch Kontakte zu Bauern und Kindern zustande kamen. Das Lager wurde nach Abreise der letzten Franzosen in die Heimat am 25. Juni 1871 geschlossen und im Juli abgebaut. Mit 11 Monaten hatte das Internierungslager Übigau eigentlich nur eine kurze Zeit existiert. An der Stelle befindet sich heute die rechtselbische Rampe der Flügelwegbrücke (erbaut 1929 / 30).

Foto: D. Lohse

Zur Gestaltung der französischen Abteilung im zweiten Kaditzer Friedhof (Serkowitzer Straße) und der Unterhaltung desselben wurde viele Gesuche und Briefe geschrieben worden, die Anlage schien auch zeitweilig in Vergessenheit zu geraten, aber zum 150. Bestehen der Franzosengräber zeigten sie wieder ein würdiges Aussehen. Zu diesem Jubiläum und anderen Terminen treffen sich Franzosen und Deutsche in Kaditz, man kann darin ein völkerverbindendes Zeichen sehen.
Das empfehlenswerte Sachbuch, das für 10,- € angeboten wird, hat nur einen Haken, es ist leider nicht im Buchhandel zu finden, sondern nur in folgenden Einrichtungen und Läden erhältlich:

Friedhofsverwaltung Kaditz, Serkowitzer Str. 39, 01139 Dresden
Mo, Do 10-12, Di 10-12, 15-17
Verkaufsstelle Frühgemüsezentrum Kaditz, Grimmstraße 52, 01139 Dresden
Mo-Fr 9-17, Sa 9-12
Hermes Paketshop motto Agentur, Kaditzer Str. 28, 01139 Dresden
Mo-Do 14-18, Fr 9-15
und ab Jan. 2024:
Autohaus Gommlich, Verkauf, Meißner Str. 140, 01445 Radebeul
Mo-Fr 9-18

Als Geschenktipp für Weihnachten kommt die Buchvorstellung leider zu spät, aber Ostern steht ja bald vor der Tür!
Da fällt mir noch eine Verbindung zum deutsch-französischen Krieg sowie Kaditz und Radebeul ein. Der Heimkehrergedenkstein an der Kaditzer Straße in Radebeul erinnert auf andere Weise an den Krieg von 1870 / 71.
Diesen Stein sollen drei sächsische Kameraden aus Freude über ihre gesunde Heimkehr aus Frankreich aufgestellt haben – wir erkennen zwei Seiten „ein und derselben Medaille

Dietrich Lohse

 

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