Über Taubenhäuser in Radebeul

Vielleicht ist die Formulierung der Überschrift schon fraglich, gibt es denn so viele Taubenhäuser in unserer Stadt, dass der Plural berechtigt wäre? Dann käme die nächste Frage: sind die Taubenhäuser, auch Taubenschläge genannt, überhaupt noch belegt? Schaun wir mal.
Wenn man Tauben sucht, sollte man in den Dörfern zu suchen beginnen, dachte ich mir. Auch Tauben waren ja mal landwirtschaftliche Nutztiere. Man nutzte das zarte Fleisch und auch die Eier – ein Sprichwort sagt, die Taube ist die Gans des kleinen Mannes. In Altnaundorf hatte ich früher mal einen Taubenschlag gesehen, inzwischen eine etwas verschwommene Erinnerung. Ich fragte mich örtlich durch –

Zeichnung Taubenschlag, bereitgegestellt von Frau Albrecht

Taubenschlag im Freilandmuseum Foto: D. Lohse

Einfluglöcher für Tauben im Giebel, Foto: D. Lohse

ja, in Altnaundorf 5, einem größeren Vierseithof, soll ein Taubenschlag mitten im Hof stehen. Frau Albrecht sagte mir aber dazu, der Taubenschlag war baufällig und ist etwa 1980 eingefallen. Tauben waren bis zum Schluss drin gewesen. Offenbar bestand kein Interesse, den auf einer Stelze aus Quadersteinen stehenden, hölzernen Taubenschlag wieder aufzubauen, schade. Schließlich fand Frau Albrecht noch eine ältere Abbildung dieses Taubenschlags, Dank dafür.
Dann kam mir der Zufall bei einer Reise nach Franken zu Hilfe – ich sah im Freilandmuseum Bad Windsheim einen ähnlichen, aufgestelzten Taubenschlag aus Holz und Lehm, den ich fotografieren konnte. Übrigens ein sehenswertes Museum mit Häusern aus Mittelfranken, die über die Jahre dahin umgesetzt worden waren. Denkmalpflegerisch aber nur eine zweitbeste Lösung, denn das Bestreben sollte sein, Denkmalobjekte am Originalstandort zu erhalten. Es gibt aber immer wieder auch Gründe, sie zu translozieren.
Es gab, bzw. gibt, aber auch den Fall, dass in Dörfern oder Städten Menschen und Tauben unter einem Dach wohnen, die Menschen im Erd- und Obergeschoss, die Tauben im Dachraum. Daran erinnern an manchen Häusern noch Einfluglöcher (nicht zu verwechseln mit Lüftungsöffnungen) oben im Giebel, hier ein Beispiel aus Dinkelsbühl.
Überrascht war ich, als ich in einem Radebeuler Villenviertel, in Niederlößnitz, ein turmartiges Taubenhaus fand. Leider ist es nicht mehr von Tauben bewohnt und über die Jahre etwas eingebaut, so dass es erst auf den zweiten Blick auffällt. Die Bewohner der Hohen Straße 33, Familie Rose, erinnern sich, dass es zu ihrer Hochzeit in den 60er Jahren noch Tauben gegeben hatte. Hier wurden die Tauben als Eier- und Fleischlieferant bis etwa 1975 gehalten. Taubenkot war hier weniger ein Thema als heute auf dem Markusplatz in Venedig. Der im Stall anfallende Taubenkot konnte als Dünger im Garten verwendet werden. Der ursprünglich freistehende Taubenturm bekam zuerst durch einen Hühnerstall Nachbarschaft, dann wurde noch eine Garage drangebaut – ihn abzureißen war aber nie geplant. Ihn wieder freizustellen wäre zwar wünschenswert, ist aber z.Z. kein Thema. Immerhin ist er an den drei Einfluglöchern auf der Ostseite noch als ein ehemaliger Taubenschlag zu erkennen. Auf dem historischen Foto glaube ich zu erkennen, dass früher auch auf der Südseite noch zwei Einfluglöcher da waren. Die West- und Nordseite hatten keine Einfluglöcher. Der Turm ist 1898 massiv mit Ziegelmauerwerk und Glattputz mit Eckquaderung, über quadratischem Grundriss mit einem Satteldach, im Giebel Zierfachwerk, früher mit Schiefer gedeckt gewesen (heute Biberschwanzziegel), errichtet worden. Ein einsamer Isolator am Giebel erinnert daran, dass der Taubenturm schon frühzeitig über eine Freileitung mit elektrischem Strom versorgt worden war. Die Mietvilla Hohe Straße 33 wurde 1897/98 von Herrn Claus durch die Kötzschenbrodaer Baufirma Große errichtet.

Mietvilla Hohe Str. 33 Foto: D. Lohse

Der erste Eigentümer war Heinrich Tenzer, Rittergutsbesitzer, der hier seinen Altersruhesitz bezog. Nach 1925 folgten dann mehrere Generationen der Familie Rose als Eigentümer. Die Mietvilla ist ein Kulturdenkmal und weist an der hölzernen Veranda die Besonderheit von mehreren schönen Ätzglasscheiben aus der Entstehungszeit auf.

historisches Foto mit Personen und Taubenturm Foto: Fam. Rose

Taubenturm von der Straße aus, Foto: D. Lohse

Taubenturm heute vom Haus aus gesehen, Foto: D. Lohse

Ich bedanke mich bei Familie Rose für die freundlichen Erläuterungen und dafür, dass ich nähertreten und fotografieren, sowie ein altes Foto aus dem Familienalbum ausleihen durfte.
Wenn sich in Radebeul kein hier ungenannter Taubenschlag mehr finden lassen sollte, ist davon auszugehen, dass es sich beim Taubenturm in der Hohen Straße um den letzten seiner Art handelt!
Ein anderes Thema ist die Taubenzucht heutzutage. Hierfür legt man sich meist auf eine bestimmte Rasse fest, vermehrt sie und verkauft die Nachzucht an Interessenten. Dafür bauen die Züchter aber eher einen Taubenstall mit Voliere (ebenerdig, ähnlich einem Hühnerstall) als einen Taubenschlag. Solche Anlagen werden auch von den Haltern von Sporttauben genutzt. Die Haltung von Sporttauben, auch Brieftauben genannt, ist so speziell, dass ich hier nicht näher darauf eingehen kann. Ob jemand in Radebeul dieses Hobby betreibt, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. Das Thema Taubenschläge und -türme scheint inzwischen abgeschlossen zu sein – heute baut man dafür eben etwas anderes.
Wenn man über Tauben spricht, kommt man schnell auf die berühmte künstlerische Darstellung einer Taube. Der gebürtige Spanier Pablo Picasso entwarf sie 1949 als Symbol für den Weltfriedenskongress in Paris. Es war eine erste Völkerverständigung nach dem 2. Weltkrieg gewesen. Und heute möchte man die Friedenstaube wieder rufen, wenn man dieser Tage an die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt denkt!

Dietrich Lohse

 

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