Eine Glosse

Es war einmal…

…ein König in deutschen Landen. Sein Reich war nicht sonderlich bedeutend. Es lag zwischen einem Fluss und einer Bergkette und war nicht viel größer als 125 sächsische Hufe. Auch die Anzahl der Untertanen fiel mit etwa 32.986 so klein aus, dass sich der König kein eigenes stehendes Heer leisten konnte, gab es doch im Reich nach der königlichen Statistik nur annähernd neuntausend wehrfähige Männer, die ja auch noch seinen Reichtum mehren sollten. Und weil der König in allerlei Wissenschaften gebildet war, ließ er Straßen bauen. Nicht etwa in Richtung Osten wie so manch anderer Despot, nein, vielmehr Fluss aufwärts zu dem benachbarten mächtigen Königsreich am Strom, das zwölfmal so groß war als sein Land. Überhaupt war dort alles viel größer und schöner als in seinem Reich. Und weil der kleine König ein weiser Herrscher war, lässt er die Post- und Verbindungswege instandhalten, damit seine Untertanen Geschäfte mit den Nachbarn abschließen können und die dabei gewonnenen Dukaten heim ins Reich tragen. Das erspart dem kleinen Königreich viele Aufwendungen und Anschaffungen. So verzichtete der König gar auf einen modernen Bahnhof für den „Schnellen Pfeil“, wie sich die Weiterentwicklung des Saxonia-Express nannte, die den Untertanen eine unkomplizierte Verbindung in die Welt ermöglicht hätte. Solange die Grenzen der Nachbarreiche noch geöffnet waren, funktioniert die Reisetätigkeit ja auch so.

Der König machte also sich und der königlichen Verwaltung in vielen Dingen nicht nur einen schlanken Fuß, sondern halt auch einen schlanken Haushalt. Hier handelte das Oberhaupt getreu dem Kanzler des Reiches, der für viele Ausgabenposten einen rigiden Sparkurs verordnet hatte, um an anderen Stellen die Dukaten im wahrsten Sinne des Wortes wieder zum Fenster hinauszuwerfen. Damit sei hier nicht auf den schweren Fall vom Kanonenfutter oder auf das tragische Schicksal des Kanzlers Krell verwiesen. Die Zeiten aber ändern sich halt gelegentlich, was eigentlich ja nicht schlecht ist und andererseits aber nicht automatisch bedeutet, dass man sie verstanden hätte – die Zeiten.

Nun kann man diesem kleinen König wahrlich keine Vetternwirtschaft nachsagen – zumindest ist in dieser Hinsicht nichts bekannt geworden. Aber er war eben auch ein richtiger König, und so manche seiner Bocksprünge konnten die Untertanen nicht nachvollziehen. Zwar mühte er sich redlich, doch ob die damals geplanten und ausgegebenen Gelder für eine riesige Kasper-Arena wirklich sinnvoll angelegt waren, wenn die Zahl der nachkommenden Kinder von Jahr zu Jahr sanken und in fünf Jahren um rund elf Prozent abgenommen hatte, muss bezweifelt werden.

Nun mag es freilich für einen König keine leichte Aufgabe gewesen sein, ein Königreich in die richtige Bahn zu lenken. Aber wozu hatte er seine Untertanen? Damit waren freilich nicht die 32.636 Einwohner gemeint. Die sind allemal wichtig – zum arbeiten und zum Fähnchen schwenken bei festlichen Anlässen. Aber was ist mit den 350 Bediensteten, die für die Kernaufgaben seines Reiches zuständig waren? Bei so viel Wissen und Erfahrung hätte doch das kleine Königreich goldenen Zeiten entgegengehen und nicht mit 13 Millionen Dukaten bei den Geldverleihern, Wucherern und Halsabschneidern in der Kreide stehen müssen? Aber die Bediensteten waren eben nur Befehlsempfänger und ihre guten Ideen haben sie lieber für sich behalten, denn Widerspruch duldete der kleine König nicht.

In dieser Situation hätte sich das Königreich eigentlich keine weiteren Extrawürste leisten können, denkt der normal veranlagte Bewohner eines jedweden Landes. Aber weit gefehlt! Da sollte in den nächsten Jahren ein Palast für 9 Millionen Dukaten entstehen und ein Gebäude für die Preziosen-Sammlung des Königs. Das war zu viel für das kleine Königreich. Auch eine Erhöhung der Pfannenkuchensteuer konnte die königliche Schatulle nicht mehr füllen. Der König musste den reichen und mächtigen Nachbarn um Hilfe bitten. Der zahlte die Schulden und schluckte das kleine Königreich, dessen Bewohner nun für den mächtigen König arbeiten mussten. Dabei waren sie doch einstmals so stolz auf ihr kleines Land.

Diese Geschichte erzählt, nicht nur für die Leser von Vorschau & Rückblick,

Euer Motzi

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