Sowohl für die alteingesessenen wie die neuen Radebeuler hat die Stadt zahlreiche Aspekte, die von Interesse sind: Bauwerke, Geschichte, Ereignisse… Eine Widerspiegelung dieser Dinge findet sich in einer besonderen Kunstform, den vielfältigen Ansichtskarten die von Radebeul und den Ortsteilen seit dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts
herausgegeben wurden. Dieses besondere Format der historischen Zeugnisse hat eine wachsende Zahl von Interessenten. Legendär sind die Sammlungen von Gottfried Thiele, der in den Reihen „Archivbilder“ und „Bilder aus der DDR“ des Sutton Verlags Erfurt Teile seiner Sammlung veröffentlichte und von Gert Morzinek, der in mehreren Bänden des Verlags M. Lange die Stadt Radebeul und seine Ursprungsgemeinden in alten Ansichtskarten darstellte. Natürlich dürfen die beiden Bände von Frau Lieselotte Schließer „Radebeul in alten Ansichten“, herausgegeben von der Europäischen Bibliothek Zaltbommel/Niederlande, in dieser Aufzählung nicht fehlen. Die letzte Publikation dieser Art aus dem Jahr 2018 hat Michael Schmidt unter dem Titel „Grüße aus der Karl-May- und Eduard-Bilz-Stadt Radebeul in historischen Ansichtskarten“ geschaffen und im Sonnenblumen-Verlag Dresden veröffentlicht.
Die Verlage, die diese Post- und Ansichtskarten vom jetzigen Radebeul anboten sind vielfältig: Der bedeutendste ist sicher Brück und Sohn, Meißen, aber auch Carl Pittius, dessen Nachfahren ein Schreibwarengeschäft in Radebeul-West betrieben, das den älteren Radebeulern noch in guter Erinnerung sein dürfte, hat viele Ansichtskarten herausgegeben. Daneben gibt es eine Reihe Dresdner und kleinerer Radebeuler Verlage.
Befördert wurde der Verkauf von Ansichtskarten durch die zunehmende Beliebtheit der Lößnitz als Ausflugsort
der Dresdner. Besonders für Ausflugsziele wie Friedensburg, Meierei, Bilzbad oder Spitzhaus gab es Ansichtskarten in großer Vielfalt von den verschiedensten Verlagen. Veränderungen im Stadtbild waren für diese Verlage eine Herausforderung. So wurde die schöne Ansicht der Friedensburg mit der Niederlößnitz durch den Bau des Wasserturms 1914 plötzlich unmodern. Veraltete Ansichtskarten ohne den neuen Turm zu verkaufen, schien problematisch zu sein. Also fügte man dieses Bauwerk im Druckstock manuell hinzu, wie es die Ansichtskarten des Verlags Albert Ernst aus Dresden erkennen lassen. Von diesem Verlag gab es viele Ansichtskarten mit Bildern aus den ehemaligen Radebeuler Orten. Den eingefügten Wasserturm kann man trotz des Versuchs durch eine gleichzeitige Änderung der Handkolorierung von einem Sommerbild zu einem Frühjahrsaspekt deutlich als Fälschung erkennen (Abb. 1 und Abb. 2).
Die Ansichten auf den Karten sollten ja besonders schön sein. Manchmal fanden die Ansichtskarten-Produzenten offenbar Strommasten als störend für die Harmonie des Bildes und retuschierten sie in der Nachauflage einfach weg.
Das kann man an Beispielen aus den 50er Jahren sehen. Aus dem Verlag Brück und Sohn, Meißen, stammt die Karte von der Bahnhofstraße (Abb.3) und aus dem Verlag A. & R. Adam, Dresden, die Karte, die die Straße „An der Jägermühle“ abbildet (Abb.4). Der gewissenhafte Historiker muss also bei Ansichtskarten vorsichtig sein und mit geschönten Darstellungen rechnen.
Kurios sind dagegen die Karten aus dem Verlag von Carl Pittius, die die Häuser Lößnitzgrundstraße 38 zeigen, über die Dietrich Lohse in Vorschau und Rückblick im Heft 06/2017 berichtete. Postalisch gelaufen sind sie 1915 und 1917. Warum wohl haben die beiden Damen vor dem Grundstück den Verleger gestört (Abb.5)? Sollten sie vielleicht nicht von der imposanten Stromtrasse des gerade in Betrieb gegangenen Elektrizitätswerks in der ehemaligen Pönitzschmühle ablenken, die Radebeul mit Strom versorgte?
Nun sind diese Beispiele Zufallsfunde. Bei der großen Zahl von hergestellten Ansichtskarten ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man noch mehr solcher Bearbeitungen finden kann.
Wilfried Rattke