Eine Glosse

Udo soll’s richten…

In den heutigen Zeiten ist es verdammt schwer, eine ordentliche Glosse zu schreiben. Jeden Monat sitze ich vor meinem Schreibtisch und zergrüble mir den Kopf, aber es will mir nicht wirklich was Brauchbares einfallen. Die Realsatire ist einfach besser und vor allem schneller. Fast täglich wird da eine neue Sau durchs deutsche Dorf getrieben, und man paktiert dabei zum Teufel-komm-raus. Der Schaller, also was der Kabarettist ist, der hat es da leichter. Der wünscht sich einfach einen „Frühling ohne Merz“. Solche Späße kann ich mir in diesem Heft nicht leisten. Aber was ist heutzutage nicht politisch…?
Die Parole „Arbeite mit, plane mit, regiere mit!“ beispielsweise, die kenne ich noch aus den letzten Tagen der anderen Republik. Die hat schon vor 36 Jahren nicht funktioniert und war reine Propaganda. Das weiß heute auch der Dümmste. Aber immer wieder kommt einer mit der sogenannten „Bürgerbeteiligung“ um die Ecke und will dir Weißmachen, dass man hier seine demokratischen Grundrechte wahrnehmen könne. Aber die heutigen Politiker sind eben gewiefter als die alten. Da wird einfach die Bürgerbeteiligung in die Sommerferienzeit oder eben kurz vor Weihnachten gelegt, wie wir das in Radebeul schon erlebt haben. Da verkleinert sich der teilnahmewillige Kreis der Bürger von ganz alleine. Gewusst wie…! Und hinterher haben sich die Bürger die Augen gerieben, als plötzlich in der Bahnhofstraße die Parkplätze weg waren.

Nun will ich jetzt nicht all diese Tricks durchdeklamieren, wie sich die Behörden Störenfriede und unbequeme Fragesteller vom Leib halten. Wer Ohren und Augen offen hält und seinen Kopf gelegentlich über die Mauer reckt, kann selbst genug Beispiele beisteuern. Viele Dinge aber geschehen fast wie nebenbei, die nimmt man im Alltagstrott kaum wahr. Das Meiste wird ja im Stadtrat sowieso hinter verschlossener Tür beredet. Das hat die kleine Frau und den kleinen Mann nichts anzugehen. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder mitreden wöllte. Da hätte dann vermutlich die Apotheke in der Bahnhofstraße noch einen Parkplatz.

Hat jemand registriert, dass unlängst zwei völlig intakte Gebäude abgerissen wurden – ausgerechnet in der Harmoniestraße? Ich will jetzt nicht schwindeln: Eine einzige Frau habe ich dort laut schimpfend entlanggehen sehen. Sonst aber herrscht Funkstille. Man kommt nun nicht jeden Tag nach Kötzschenbroda. Radebeul hat immerhin eine Längenausdehnung von über acht Kilometern, da läuft man Anderthalbstunden! Nach Kö komm ich nur, wenn ich mal in die Kneipe will. Bei den Preisen aber kann ich mir das auch nicht jeden Tag leisten und die Stehpiepe neben der damaligen „Lößnitzperle“ gibt es ja bekanntlich auch nicht mehr in der Bahnhofsstraße. Unsereins weiß überhaupt nicht, wo er noch hingehen soll. Früher hatte es wenigstens um die Ecke noch die Bahnhofskneipe gegeben. Die ist aber schon lange Geschichte, wie der spätere „Tender“ auch. Und wenn wir nicht aufpassen, ist in nicht mehr allzu ferner Zeit das ganze Bahnhofsgebäude verschwunden. Es bleibt einem nur noch der Netto oder die Familieninitiative. Aber dort pass ich nicht so richtig hin. Bin ja nicht schwanger. Obwohl…, einen ganz schönen Bauch habe ich auch.

Was wollte ich eigentlich sagen…? Ach so, die Bahnhofstraße, das ist auch so ein Dauerbrenner. Die wirkt nach den Arbeiten ja wie ein Schmuckkästchen. Erst neulich haben zwei vom Bauamt dort einen Kontrollgang unternommen, als ich es mir auf einer der neuen Bänke so richtig gemütlich gemacht hatte. Hab mich aber nicht getraut, sie anzubackern. Denen hätte ich aber was erzählt: „Die Straße sieht jetzt zwar wie geleckt aus, aber helfen wird das nix. Der Leerstand…! Und ich kenn mindestens drei Läden, die noch hinwerfen wollen. Dann ist hier tote Hose! Das reißt auch der Udo nicht!“. Wie gesagt, ich hätte…
Aber wieso ausgerechnet das in der Unterführung geplante Kunstwerk vom ollen Udo Lindenberg die Bahnhofstraße retten können soll, will mir nicht in den Kopf. Zur Einweihung ist ein „großer Bahnhof“ geplant. Der Udo hat schon abgewinkt, er kommt nicht. Aber, wie wär‘s mit einem Double? Davon gibt es mehr als eine Handvoll. Einen davon könnte man schon für schlappe 700 Euro haben, meint

Euer Motzi

 

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