Hu is hu
Die unsägliche Diskussion um das unsägliche Unwort des Jahres hat mich bewogen, einmal einen Blick auf die eigene Herkunft zu werfen:
BIO-Mensch in Freilandhaltung – wenn ich meine BIO-Grafie richtig bewerte, triff diese Charakterisierung vollinhaltlich auf mich zu:
Wie ich meinen Vater nachträglich einschätze, wurde ich auf biologisch-herkömmliche Weise und ohne eigenes Zutun ins Leben gerufen. Auch wenn ich mich zunächst noch wehrte, bin ich ganz biologisch auf dem heimischen Sofa ans Licht der Welt gehoben worden – es war das gleiche, auf dem sechsundzwanzig Jahre vor mir mein Vater ein gleiches Schicksal erlitt – unter aktiver Beteiligung übrigens der gleichen Hebamme – und auf dem zwanzig Jahre später mein Großvater die ihm verbliebenen Reste seines Geistes aushauchte.
Die glückliche Kindheit verbrachte ich im eigenen BIO-Garten unter Freilandbedingungen, wobei sich die Radien mit zunehmendem Alter mehr und mehr auf Wald und Flur ausdehnten.
War es zu nass, zu kalt, zu heiß oder sonstwie biodivers ungemütlich, hatte ich ein Anrecht auf Stuhl, Tisch und Bett im Hause selbst, nicht zu reden von ausreichend biologischem Holzspielzeug. Im Zaum gehalten wurde die biologische Begeisterung durch die permanente Drohung, wenn du nicht folgst, gehst du morgen in den Kindergarten.
Eine weitere Trübung des Wohlbefindens trat ein, als ein täglicher Schulbesuch für notwendig und damit unverzichtbar erklärt wurde. Tatsächlich hat sie mir manche Not eingebracht, die Schule; sollte sie tatsächlich eine gewendet haben, habe ich nichts davon bemerkt. Um nicht auf meinen Prostest achten zu müssen wurde ich für unmündig erklärt – so wurde damals selbst mit BIO-Kindern umgegangen. Tröstlich war immerhin, daß die Freistunden FREI-Stunden blieben.
Mehr BIO geht nicht.
Ein ganzes Leben später hege ich nun die Hoffnung, daß ich auch auf BIO-logisch vorgesehenem Wege dieses irgendwann hinter mir lassen darf, ohne durch künstliche Intelligenz dabei behelligt oder gar aufgehalten zu werden.
Thomas Gerlach