„Hol`s der Geier“ – Dieses gesellige Kartenspiel vom Ravensburger Spieleverlag hatte Lieselotte Finke-Poser, die Schöpferin der Zeichnung des Titelbildes, zu jener Zeit noch nicht gekannt. Welche Bedrohung von einem Redner ausgehen kann, wusste sie allerdings nur allzu gut. Die Zeichnung mit dem Geier am Rednerpult gehört zu einer Serie von Skizzenblättern, welche von Ende der 1940er bis Anfang der 1950er Jahre entstanden sind als die Ideologien regelrecht aufeinander prallten. Kaum war das „tausendjährige Reich“ zusammengebrochen, machten sich schon wieder neue Demagogen ans Werk, um die Meinung der Andersdenkenden zu unterdrücken. Für die junge Kunststudentin, die sich in der Jungen Gemeinde engagierte, bedeutete das Exmatrikulation. Ihren eigenen Weg ging sie trotzdem unbeirrt. Die Skepsis gegenüber Rednern, die keine Gegenrede dulden, hat sie bis heute beibehalten. Vor allem von einem Geier, der fast freundlich, aber scharfen Auges in sein Publikum schaut, sollte man sich nicht täuschen lassen. Selbst wenn er mit „geölter Zunge“ spricht, bleibt er ein Raubtier auf Beutezug. Hol`s der Geier!
Karin (Gerhardt) Baum