Alle Jahre wieder … kommt der Radebeuler Grafikmarkt. Das pfeifen die Spatzen seit über drei Jahrzehnten von den Dächern. Doch woher nehmen sie diese Gewissheit, wo doch nicht einmal mehr die Rente sicher ist? Liegt es vielleicht daran, dass es den Spatzen ein wenig an Realitätssinn fehlt, weil sie auch ohne Rente ein glückliches Leben führen können?Verbindlich und sicher ist jedenfalls, dass der 36. Radebeuler Grafikmarkt erfolgreich stattgefunden hat und alles schien wie immer zu sein. Die Künstler trugen wie immer ihre Arbeiten ins Rathaus, verbunden mit der Hoffnung, dass möglichst viele der kunstvollen Blätter einen Käufer finden mögen. Trotz des sonnigen Herbstwetters strömten die interessierten Besucher wie immer am ersten Novemberwochenende nach Radebeul-Ost in die historischen Gemäuer von Rathaus und Schule. Wie (fast) immer präsentierten sich die Radebeuler Bilderrahmungswerkstatt Kruschel, der Meißner Zündblättchenverlag und der Radebeuler Notschriftenverlag. Neu war, dass erstmals der Künstler André Uhlig mit Frau und Sohn im zweitägigen Einsatz druckgrafische Techniken für Kinder und Erwachsene demonstrierte und diese darüber hinaus beim Herstellen von eigenen kleinen Kunstwerken unterstützte. Wie immer waren die Damen und Herren vom Kunstverein beim Kuchenbacken kreativ und gaben großzügig ihre Rezepte preis. (Der Radebeuler Grafikmarkt hat eben etwas bodenständig Familiäres!) Wie immer waren der Förderkreis der Stadtgalerie, zahlreiche Kollegen aus der Stadtverwaltung und viele ehrenamtliche Helfer unermüdlich im Einsatz. Wie immer wieder anders war das Künstlercafé gestaltet. Der Radebeuler Maler Klaus Liebscher schuf einen magischen Kunstraum der besonderen Art. Wer sich darin niederließ, wurde selbst zu Kunst.
Und was natürlich die Hauptsache bei einem Grafikmarkt ist – wie immer war das Angebot riesengroß. Von 121 Künstlern aus Radebeul und Dresden sowie der näheren als auch der weiteren Umgebung wie Chemnitz, Berlin, München oder Köln wurden über 3.500 Werke präsentiert. Landschaften, Tierdarstellungen, Vegetatives, Stillleben, Akte, Liebespaare, aber auch abstrakte Arbeiten in der Preislage von 7 bis 400 Euro wechselten die Besitzer. Alles schien also wie immer zu verlaufen, hätte sich da nicht dieses leise Gefühl des Abschiednehmens eingeschlichen, welches permanent daran erinnerte, niemals mehr wird es so sein wie es bisher war. Die aktuellen Brandschutzbestimmungen für öffentliche Gebäude fordern ihren Tribut. Und so stellte sich plötzlich die Frage: Wie weiter? Die Antwort stand auf einem bunt bedruckten Blatt Papier, welches die Organisationsleitung allen Teilnehmern übergeben hatte. Darauf wurde mitgeteilt, dass der nächste Grafikmarkt – bedingt durch Bauarbeiten in Rathaus und Schule – in der Elbsporthalle Radebeul-West stattfinden wird. Die überwiegende Reaktion der Künstler war überraschend positiv. Neunhundert Quadratmeter Ausstellungsfläche auf einer Ebene und ausreichend Parklätze an der vorgelagerten Festwiese sprechen dafür. Die Ortsveränderung betrachten die Organisatoren und Künstler als Herausforderung. Erste Ideen für ein anderes Veranstaltungskonzept wurden bereits ausgetauscht. Alles hat seine Zeit und auf jedes Ende folgt ein neuer Anfang.
Karin (Gerhardt) Baum