Jugend im Weinberg

Jugend im Weinberg

Darunter könnte man sich vorstellen, dass allerlei junge Menschen durch die sächsische Weinberge stromern, hier und da von den köstlichen Trauben naschen, sich am Muschelpavillion treffen und eine Zigarette anzünden oder eine Flasche Bier öffnen und sagen: „Hey Alter, ganz cool hier!“ Vor 200 Jahren war das noch anders, wie man in der kleinen Ausstellung im Kavalierhaus des Museums Hoflößnitz anschaulich vermittelt bekommt. Die Jugend im Weinberg um 1800 ließ die Weinbergskanonen abfeuern, lieferte sich verkleidet Gefechte im selbstgebauten Rollwagen, versteckte der Liebsten ihr Schnupftuch und saß bevorzugt bei starkem Gewitter unter den Reben des väterlichen Gutes.
Es ist die letzte Ausstellung der Museumsleiterin Frau Dr. Giersberg, bevor sie im Juli das für sie ungastliche Radebeul verließ. Die Ausstellung über die Brüder Moritz und August Retzsch ist stimmungsvoll und ausgezeichnet von ihr recherchiert. Dazu wird sogar ein Kinderkatalog gereicht und es gibt eigene Bildungs- und Vermittlungsangebote zu dieser Ausstellung und zur gesamten Kulturlandschaft Hoflößnitz. Für so ein kleines Museum ist das schon außergewöhnlich. Man könnte meinen, der Stiftung ist es wichtig, Jugend im Weinberg zu haben.
Allerdings lässt die auf sich warten. Wie kann das sein? Eine hervorragende Ausstellung, wunderbare Angebote für Kinder und Jugendliche, ein eigener Kinderkatalog, das schaffen nicht mal größere Museen. Warum kommt dann keiner?
Nachdem die langjährige Museumsleiterin Frau Zeidler ihres Amtes auf sehr mysteriöse Weise enthoben wurde, holte man sich eine neue Leiterin. Diese wurde mit dem Glauben an ihr Amt herangeführt, ihre Vorgängerin, die sie nie kennen gelernt hatte, habe alles falsch gemacht und jetzt darf sie alles besser machen.
Ich habe Frau Dr. Giersberg begegnen dürfen und ich kenne auch seit vielen Jahren Frau Zeidler. Deshalb möchte ich mich auch persönlich dazu äußern. Hoflößnitz war unter der Leitung von Frau Zeidler eine Oase für stille Stunden mit wunderbaren Kulturangeboten, Museumspädagogik und interessanten Ausstellungen zum Weinbau in Radebeul, Sachsen und ganz Deutschland. Immer wieder präsentierten Künstler im Kavalierhaus ihre Arbeiten. Ich bin mit meinen Kindern und der Familie jahrelang dabei gewesen, wenn die Hoflößnitz sich in anspruchsvoller und ästhetischer Art und Weise für ihre Gäste öffnete. Die Hoflößnitz war Treffpunkt für Künstler, Historiker, Weinbauer, Kinder und Erwachsene, die sich dort nicht nur zu einem Glas Wein trafen, sondern zu einem regen Austausch.
Frau Dr. Giersberg hatte interessante und neue Konzeptionen entwickelt. Sie wollte Kontakte schaffen zu anderen Museen, hatte Ideen zur Präsentation der im Depot lagernden Ausstellungsstücke und zur historischen Neubewertung der Anlage. Eine engagierte, wissenschaftlich korrekt arbeitende, aufgeschlossene Frau. Ihre Ausstellung zu den Zwangsarbeitern in den Weinbergsanlagen stieß jedoch bereits auf Unverständnis.
Die Museumsleiterin wollte keine Bastelstraßen und Kindernachmittage, die mit dem historischen Weingut Hoflößnitz inhaltlich nichts zu tun haben. Vielmehr war ihr eine konstruktive Zusammenarbeit mit Schulen und Freizeiteinrichtungen wichtig.
Ich habe ihre Freude an der Arbeit und ihre Professionalität geschätzt. Als sie jedoch feststellen musste, dass die immer kontinuierlicher werdende kommerzielle Vermarktung der Anlage, museal anspruchsvolle Inhalte kaum noch vorsah, kündigte sie. Seitdem gibt es auch keine Museumspädagogik. Der unter Frau Zeidler arbeitenden Museumspädagogin wurde gekündigt. Die freiberuflich arbeitende Museumspädagogin, die unter Frau Dr. Giersberg  vertraglich seit 2012 für die Hoflößnitz arbeiten sollte, erhält keine Aufträge.
Die Geschäftsführung vertritt den Standpunkt mit dem Winzerumzug, sowie Malen und Basteln genug an Museumspädagogik zu tun und meint darüber hinaus, dass „jede Mutti“ so etwas kann!
Museumspädagoge/in zu sein, setzt eine Fachausbildung in einem Lehramt mit Diplom und/oder die Fachausbildung als Kunst- und Museumspädagoge an einer Fachhochschule voraus.
Warum gibt man nicht offen zu, dass Kinder und Jugendliche eigentlich gar nicht erwünscht sind, weil sie viel zu wenig Geld einbringen. Teure Vermietungen der gesamten Anlage dagegen lassen das Geld in den Kassen klingen. Vielleicht fällt das schon keinem mehr auf, wenn man bedenkt, dass außer flammenden Reden und geduldigem Papier auf dem steht, dass man Kindern und Jugendlichen eine fachlich professionelle Museumspädagogik anbieten möchte, eigentlich gar nichts geschieht.
Vielleicht braucht man in der Zukunft auch keine Menschen mehr, die sich mit ihrer Geschichte auseinandersetzen. Vielleicht reicht es aus, wenn man sich bei Wein und Gesang im historischen Ambiente über neue finanzträchtige Objekte verständigen kann und gelernt hat, wie man sich an der Börse behauptet.
Menschen, die das anders betrachten, sollten sich für die Erhaltung der Hoflößnitz als Museum und für gute Bildungs- und Vermittlungsangebote einsetzen, denn sonst gibt es bald keine Jugend mehr im Weinberg.
Der historische Winzerumzug ist sicher ein großartiges, einmaliges Event für Radebeul, aber berechtigt das dazu, ihn unter Museumspädagogik zu verbuchen, um die entsprechenden finanziellen Zuwendungen mit zu nutzen, so dass man sich keine eigene Museumspädagogin mehr leistet, sondern die schon unter Frau Zeitler arbeitende Museumspädagogin entlässt?
Die museumspädagogischen Angebote werden kaum beworben. Auch sie sind nur ein Alibi für die in der Museumssatzung vorhandene Richtlinie und wer kaum weiß, was das Berufsbild einer Museumspädagogin  (das muss man studieren!) ausmacht, der kann alle kindlichen Aktivitäten so benennen!
Seit 2012 gibt es einen Vertrag mit einer freiberuflich arbeitenden Museumspädagogin. Leider hatte die innerhalb der zwei Jahre nur 2 Veranstaltungen. Für die Bewerbung ist sie nicht zuständig und auch nicht für den Kontakt mit den Schulen und Kindergärten. Das ist Aufgabe der Stiftung. Seit dem wieder einmal in der Hoflößnitz ganz neue Leute arbeiten gibt es überhaupt keinen Kontakt mehr. Und das, obwohl es Vermittlungs- und Bildungsangebote gibt, einen Kinderkatalog, Material zur Arbeit, immerhin noch ein Museum und eine unvergleichbare Kulturlandschaft
Nur leider keine Jugend!.

Petra Maria Neumann

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