Im Monat der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit bietet sich ein Blick in unser Oktoberheft von »Vorschau & Rückblick« aus dem Jahr 1990 geradezu an. Welche Inhalte hatte es? Was bewegte die Autoren jener Tage? Beim Durchblättern erstaunt es, dass es weit weniger politisch und empathisch in Erscheinung tritt, als zu erwarten wäre. Der Jahreszeit gebührend gibt ein ausführlicher Abriss über historische Radebeuler Winzerumzüge einen gelungenen Auftakt. Heute kaum vorstellbar, dass all die Wein- und Winzerfeste wieder erst geboren werden mussten. DesWeiteren sind u.a. Beiträge über die schwierige Findung eines geeigneten Ortes für das Radebeuler Stadtarchiv, eine Spazierempfehlung durch die Lößnitz im Umfeld des Zechsteins oder ein Porträt über den Maler und Grafiker Werner Wittig zu lesen. Ein dezidiert auf den Umbruch jener Tage zielender Beitrag wurde von Dr. D. Schubert verfasst,
der in der Folgezeit viele Jahre als Kulturamtsleiter maßgebliche Weichen für die kulturelle Stadtentwicklung stellen sollte. Unter dem Titel »Neue alte Straßennamen« wird die Dringlichkeit von Rück-, Um- und Neubenennungen von Radebeuler Straßen erörtert. So sehr einige die Wichtigkeit dieser
Pläne anzweifelten, so sehr wurde hingegen auf die zahlreichen Firmengründer verwiesen, die für ihren
Geschäftssitz eine zukunftsweisende Lösung erhofften. Auch gab es Bürger die monierten, bspw. noch in einer Straße der DSF wohnen zu müssen. Schließlich beschreibt eine Glosse, wie unschön das Gerangel um die Postenverteilung im Rathaus und in der Stadtverwaltung gewesen sein muss. Ein besonderer Vorwurf richtete sich gegen die bekannten und verborgenen Stasi-Leute, die sich im neuen System nun zügig einzurichten versuchten. Ironie der Geschichte, dass jener Verfasser später selbst als ein solcher enttarnt werden sollte.
Sascha Graedtke