Andreas Hanske – Fährtensuche

Malerei, Collagen und Objekte in der Stadtgalerie Radebeul

Der Geruch von Nelkenöl und frischer Farbe durchzieht die Räume der Galerie. Zwischen den zum Teil sehr großformatigen Bildern wirkt der agile Künstler noch zierlicher als er ohnehin schon ist.

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Andreas Hanske vor seinem Bild »wie geerdet«, 2016, Kasseintempera auf Leinwand             Foto: K. (Gerhardt) Baum

Die Einladung zur Personalausstellung in der Radebeuler Stadtgalerie bedeutet mir viel“ meint Andreas Hanske beim Ausstellungsaufbau, denn es ist das erste Mal, dass er seine Werke in der Heimatstadt präsentiert. In Radebeul-Niederlößnitz 1950 geboren, verbrachte er hier seine Kindheit und Jugend. Mit der Ausstellung ´Fährtensuche´, nunmehr also dem ´Alterswerk´, kehrt er mit einem bemalten Waschtrog-Deckel (welcher aus dem Elternhaus stammt) und vielen Erinnerungsfetzen an den Lebensort seiner frühen, grundlegenden Bildung zurück. Neben vorwiegend neuen und neuesten Werken, die zwischen 2014 und 2016 entstanden sind, werden auch einige aus länger zurückliegenden Schaffensperioden gezeigt, darunter eines der ersten Porträtbilder aus dem Jahr 1979 sowie archaisch anmutende erdenschwere Gouachen aus dem Zeitraum von 1984 bis 1985. Ebenfalls im Kontrast zu den expressiv-abstrakten Bildern in leuchtender Farbigkeit stehen kleinformatige übermalte Fotocollagen aus dem Jahr 2015 mit aktuell konkretem Bezug zur Flüchtlingsproblematik `feldwege – erdhöhlen – kirchtürme` oder dem IS-Wahnsinn ´das reich der nacht erreicht´.
Als Künstler ist Andreas Hanske ein so genannter Autodidakt. Sein beruflicher Werdegang verlief zunächst in DDR-konformen Bahnen. Dem Abitur und der Ausbildung zum Maschinenschlosser im VEB Druckmaschinenwerk Planeta folgte nach Absolvierung des Grundwehrdienstes ein Studium an der Bergakademie Freiberg. Danach arbeitete er zwei Jahre als Geophysiker in Leipzig. Sein Freundeskreis war naturwissenschaftlich orientiert. Zu Künstlern hatte er bis dahin kaum Kontakt. Doch im Jahr 1978 kam es (nicht nur für ihn) zum radikalen Bruch. Die Intellektuellen und Kreativen intervenierten gegen Bevormundung und Agonie. Hanskes Gründe für den Ausstieg waren sowohl gesellschaftlicher als auch persönlicher Art. Er gab die finanzielle Sicherheit auf und wendete sich fortan dem künstlerischen Schaffen zu.

Prägend wurde besonders in den ersten Jahren die Bekanntschaft mit dem Dresdner Maler Willy Günther. Dieser regte ihn zur Auseinandersetzung mit der Gouachemalerei an, welche bis Ende der 1980er Jahre die bevorzugte Technik blieb. Verschiedene Drucktechniken erprobte er bei dem Grafiker Alfred Erhard in Ilmenau. Neben der Malerei und Zeichnung spielten ab 1985 der Holzschnitt und die Holzbildhauerei, später auch die intermediale Performance mit Aktionsmalerei, Textvortrag und Musik eine zunehmende Rolle. Mittelpunkt ist – bis heute – allerdings immer die Malerei geblieben. Neu ist die speziell durch ihn entwickelte Technik Kasseintempera.

Hanskes Bildungseinrichtungen waren die Bibliotheken. Moderne Kunstströmungen und handwerkliche Techniken studierte er in Katalogen und Fachbüchern. Besonders interessierten ihn der amerikanische Expressionismus und die informelle Malerei.

In expressiv gegenständlicher Manier entstanden zunächst Porträts, Landschaften und Stillleben. Danach arbeitete er rein abstrakt. Anfang der 1990er Jahre setzte er sich verstärkt mit Farbe und Struktur auseinander. Sobald er jedoch begann, Formen einzufügen, war der Bezug zum Gegenstand wieder da. Hanske sagt von sich, dass er keinen Plan mache, er wisse nie, was zum Schluss rauskommt. Die Bilder entstehen aus sich selbst.

Andreas Hanske lebt und arbeitet, abgesehen von kurzen Unterbrechungen, nunmehr seit vier Jahrzehnten in Leipzig. Die dortige Kunstszene war ab Ende der 1970er Jahre sehr lebendig und zunehmend subversiv, was auch reichlich Konfliktpotenzial in sich barg. Nach einem dreijährigen Intermezzo in Ilmenau kehrte er 1981 zu den Leipziger Künstlerfreunden zurück, welche sich auf der Suche nach unkonventionellen Ausdrucksmöglichkeiten zu einer Künstlerinitiative zusammengefunden hatten. Sie verstanden sich als die „neuen Unkonkreten“ und setzten sich ganz bewusst von der Leipziger Hochschulkunst ab. Erstmals stellten sie ihre Werke 1983 in der Wohnung des selbsternannten Galeristen Gerd Harry „Judy“ Lybke aus, die kurzerhand zu einer Untergrundgalerie umfunktioniert worden war und als Galerie EIGEN+ART schon bald über die lokalen Grenzen hinaus bekannt werden sollte.

Die Aufnahme in den Verband Bildender Künstler brachte ab 1984 eine gewisse soziale Absicherung. Auch war es für den Autodidakten Hanske wohl eine wichtige künstlerische Bestätigung, dass der Leipziger Maler und Grafiker Frieder Heinze die Mentorenschaft übernommen hatte. Offizielle Ausstellungsmöglichkeiten blieben für den Unangepassten jedoch rar.

Der gesellschaftliche Umbruch wurde für die DDR-Künstler zur Achterbahnfahrt mit mit Höhenflügen und Abstürzen im schnellen Wechsel. Die Gründung des Kunstvereins „Mobiles Büros für Erdangelegenheiten“ zu Beginn der 1990er Jahre mit Sitz in Leipzig und Köln, ermöglichte für ein reichliches Jahrzehnt zahlreiche Aktionen und Happenings im öffentlichen Raum und setzte viele kreative Ideen frei.

Ein Stück Kunstgeschichte schrieb im Jahr 1990 die letzte und größte Werkschau ostdeutscher Subkultur. Der Kunstwissenschaftler Christoph Tannert hatte 200 Künstler aus der DDR zum dreitägigen Kunstspektakel mit Bildender Kunst, Literatur, Musik, Tanz und Aktionskunst nach Paris eingeladen. Andreas Hanske erinnert sich schmunzelnd: „Alle Ausstellungsteilnehmer wurden zum Empfang in den Élysée-Palast eingeladen und François Mitterrand schüttelte jedem persönlich die Hand.“

Als das Ende der DDR schon absehbar war und noch einige Jahre danach wurde den Untergrundkünstlern große Aufmerksamkeit entgegengebracht. Westleute kamen in die Ateliers und kauften. Das ging eine Weile gut. Danach brachen die Hungerjahre an.

Obwohl Andreas Hanske seine Arbeiten regelmäßig auf Messen und in Galerien präsentierte, wurde die finanzielle Lage schließlich immer prekärer. Von 2002 bis 2003 schulte er zum Webdesigner um. Erst 2008 folgte wieder nach längerer Pause eine Personalausstellung mit neuen Bildern. Die Ausstellung „hyle – wildwuchs“, welche er 2013 im Sächsischen Landtag zeigte, gehört zu seinen bisher umfangreichsten Retrospektiven.

Andreas Hanskes Lust am Malen und spielerischen Experimentieren ist bis heute ungebrochen. Die Rente wirkt wohl existenziell befreiend wie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Es bleibt also nach wie vor spannend, was der Ausstellung „Fährtensuche“ folgen wird. Doch zunächst sind alle interessierten Kunstfreunde bis zum 3. Juli herzlich in die Stadtgalerie eingeladen.

Karin (Gerhardt) Baum

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