Ausstellung Dresdner Kunst zum Zweiten
Die „Ausstellung Dresdner Kunst“ auf der Hohen Straße 35 in Radebeul hatte im vergangenen Winter mit eindrucksvollen Aquarellen Paul Wilhelms große Aufmerksamkeit erregt und sich, wenn wir so wollen, auf Anhieb als Marke etabliert. Die damals geweckten „Hoffnungen auf mehr“ sind nun ein erstes Mal erfüllt worden: Seit 19. November lädt Herr Gottfried Klitzsch wieder ins Obergeschoss seiner Villa ein, diesmal mit Arbeiten von Hermann Glöckner und Helmut Schmidt-Kirstein.
„Zeichen und Gestalt“ hat er die Ausstellung genannt, die laut Ankündigung wieder ab 7. Januar und bis zum 26. Februar an den Wochenenden jeweils von 11 bis 18 Uhr zu erleben ist.
Gottfried Klitzsch schwärmt von der „Kraft der Linie“. Er sieht „die Zeichnung als klassische Grundlage aller Darstellung“ und zugleich als „Ausdruck und Ausweis künstlerischer Meisterschaft“.
Der gebürtige Radebeuler war glücklich genug, frühzeitig in München nicht nur eine Heimat zu finden, sondern auch einen Beruf, dessen Ertrag ihm nun hilft, eine späte Liebe zum Erblühen zu bringen: die Liebe zur Dresdner Kunst des 20. Jahrhunderts, deren von der Elblandschaft geprägten besonderen Realitätsbezug er auch in Abstraktion und Informell aufleuchten sieht. Indem er nun seine noch junge Sammlung dem heimischen Publikum frei zugänglich macht, erweist er seine Liebe und seine Dankbarkeit.
Abseits der „offiziellen“ Kunst sind sich Hermann Glöckner und Helmut Schmidt-Kirstein seit der Mitte der 1950er Jahre nicht nur räumlich (beide wohnten zuletzt im Künstlerhaus in Dresden-Loschwitz) sondern auch in ihren freien Arbeiten nahe gekommen.
Der jüngere Schmidt-Kirstein (1909 – 1985) hatte schon als Gymnasiast erste Ausstellungen, es aber lange Zeit nicht auf einen künstlerischen Beruf abgesehen. Nach Studien in Dresden und Wien arbeitete er als Fachlehrer für dekorative Berufe. Erst nach der Heimkehr aus dem Krieg ließ er sich in Dresden als freier Künstler nieder. Zuvor hatte eine Begegnung mit der Kunst Picassos dazu geführt, dass er nahezu sein gesamtes Frühwerk vernichtete. Nach der Verarbeitung der Kriegserlebnisse wandte er sich mehr und mehr der Abstraktion zu, wobei die Linie als bestimmendes Element erhalten blieb. Nach 1970 kehrte er zu realistischer Darstellungsweise zurück.
Hermann Glöckner (1889 – 1987) war zwanzig Jahre älter als Schmidt-Kirstein. Geboren in Dresden Cotta, begann er einen langen Weg des Suchens und Lernens in Leipzig, der ihn schließlich auch an die Dresdner Kunstakademie führte.
Wie Schmidt-Kirstein war Glöckner 1945 Mitglied der Künstlergruppe „Der Ruf“, die sich der „befreiten Kunst“ zu widmen begann, jedoch schon 1948 ihre letzte Ausstellung hatte.
Wie auch vor 1945 geriet Hermann Glöckner mit seiner freien Weltsicht und seiner unabhängigen Kunstauffassung bereits in der ersten Hälfte der 1950er Jahre im Zuge der Formalismusdebatte zunehmend in Isolation.
Zahlreiche Sgrafitto-Putzschnitte zeugen auch in Radebeul von Glöckners Brotarbeit – leider werden es ihrer immer weniger.
„Beide Künstler“, schreibt Gottfried Klitzsch im Begleittext zur Ausstellung, „bewegen sich im Spannungsfeld zwischen ‚Zeichen und Gestalt‘ und vermögen unserer Wirklichkeitserfahrung andere Weltsichten hinzuzufügen. Sie sind herausragende Beispiele einer Lebenskunst, die nicht den Vorgaben einer normierenden Gesellschaft, sondern den inneren Sternen ihrer eigenen Existenz mit all ihren Zufälligkeiten und Unvorhersehbarkeiten gefolgt sind“.
Auch diese „Ausstellung Dresdner Kunst“ ist mehrfachen Besuch wert und erneut Anlass, Dank zu sagen.
Thomas Gerlach