Ja, es gibt sie noch in der Lößnitzstadt – die selbstlosen Freunde und Förderer von Künstlern und Kunst. Eine Minderheit, die sich dem Zeitgeist entgegenstemmt und das Gegenteil von „Groß“ und „Laut“ zelebriert. Dennoch blieb es nicht unbemerkt, als sich am 25. Oktober 1999 neun Personen zur Gründung vom „Förderkreis der Stadtgalerie Radebeul e. V.“ zusammengefunden hatten. Man war zunächst etwas irritiert. Existierte doch bereits seit über drei Jahren ein rühriger Kunstverein in der Stadt. Wozu also brauchte die Galerie noch einen Förderkreis?
Dessen Satzungsziel war knapp formuliert: „Der Verein fördert und unterstützt die Ziele und das Wirken der Stadtgalerie Radebeul.“ Verein und Institution waren fortan eng aneinander gebunden. Konflikte hätten leicht entstehen können, blieben aber glücklicherweise aus. Man konnte sich aufeinander verlassen. Erster Vorsitzender war bis 2008 Manfred Artur Fellisch, der Erfahrung im Umgang mit Kunst besaß und die „Szene“ bestens kannte, was dem Verein vor allem in den Anfangsjahren sehr zugute kam. Seine Nachfolgerin wurde Gudrun Wittig, die diese Funktion bis heute innehat.
Trotz der engen Bindung an eine kommunale Institution entwickelte der Verein ein vielgestaltiges Eigenleben. Geprägt wurde er durch organisationsfreudige aufgeschlossene Bildungsbürger wie Buchhändler, Angestellte, Ärzte, Ingenieure, Lehrer, Elektriker, Kulturschaffende… Durchschnittlich hatte der Verein mal mehr, mal weniger als zehn Mitglieder. Millionäre und jüngere Leute waren leider nicht darunter. Auf öffentlichkeitswirksame Kampagnen zur Mitgliedergewinnung wurde bewusst verzichtet, denn im Förderkreis geht es recht pragmatisch zu. Zur Eruierung von Einnahmen wurden in loser Folge unter dem Motto „Kunst und Kuriositäten“ kleine Dinge versteigert, die man in keinem Laden kaufen kann, mit denen sich aber allerlei Geschichten verbinden. Als langjähriger Auktionator hatte sich Lars Hahn bewährt, der übrigens ein Enkel des Schriftstellers Martin Andersson Nexö ist.
Die Vereinsmitglieder wurden immer wieder selbst aktiv und brachten sich mit ihren individuellen Fähigkeiten ein. So hatte die Schauspielerin Carla Junge (1927–2016) zu einer Benefizveranstaltung angeregt. Gemeinsam mit der Pastorin Ingrid Lewek gestaltete sie im Festjahr anlässlich des 75. Stadtgeburtstages einen Diskussions- und Leseabend zum Thema „Stolpersteine in Radebeul“. Einen kreativen Beitrag völlig anderer Art hatte Dr. Hans-Jochen Müller zur themenorientierten Gemeinschaftsausstellung „Das alte und das neue Radebeul“ mit seiner Klangcollage aus 50 unterschiedlichen Stadtgeräuschen wie abfahrende S-Bahn, Rasenmäher, Vogelgesang oder Glockengeläut beigesteuert. Sein trockener Kommentar: „Ich hätte nie gedacht, dass Radebeul eine so laute Stadt sein kann“. Dr. Stephan Cramer, der zu den Gründungsmitgliedern des Förderkreises gehörte, stellte seine private Kunstsammlung mit Werken von Karl Kröner (1887–1972) zum Sommerfest im Grundhof vor.
Einige dieser Bilder wurden wenig später auch als Leihgaben zur Gedenkausstellung anlässlich des 125. Geburtstages von Karl Kröner in der Stadtgalerie gezeigt. Dispute über Kunst und deren Stellenwert sind im Förderkreis ein wichtiges Dauerthema. Einzelne Vereinsmitglieder meldeten sich mehrfach sowohl mündlich als auch schriftlich zu Wort. Dr. Bernhard Freiherr von Loeffelholz stellte diesbezüglich sehr zutreffend fest: „Der Zyniker kennt von allem den Preis und von nichts den Wert.“ Gefachsimpelt wurde auch im alten und neuen Kunstdepot über den Sammlungsbestand und dessen sachgerechte Lagerung. Einen Einblick in das Schaffen der Radebeuler Künstlerschaft gewannen die Mitglieder des Förderkreises in den Ateliers u. a. bei der aus Frankreich stammenden Malerin Sophie Cau, dem Künstlerpaar Karen und Peter Graf, bei der Textilgestalterin Annerose Schulze und ihrem Mann, dem Bildhauer Fritz-Peter Schulze sowie bei Irene Wieland, bekannt durch ihre Cutterschnitte.
Im Jahr 1992 wurde damit begonnen, für Radebeul eine Städtische Kunstsammlung aufzubauen. Da das jährliche Budget für diesen Zweck sehr knapp bemessen ist, kommt den Ankäufen und Zuschussfinanzierungen durch den Förderkreis eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Für die Städtische Sammlung erwarb der Verein u.a. ein kleines Konvolut mit Holschnitten von Ruth Meier (1888–1965), das Aquarell „Elbe Hochwasser“ von Günter Schmitz (1909–2002), ein Aquarell mit dem Porträt vom jungen Maler und Grafiker Erhard Hippold (1909–1972), welches seine spätere Frau, die Dix-Schülerin Gussy Hippold-Ahnert (1910–2003) im Jahr 1932 geschaffen hatte. Angekauft wurden das Gemälde „Laufsteg“ von Eckhard Kempin, das Landschaftsbild „An der Elbe bei Radebeul“ aus dem Jahr 1924 von Kurt Thoenes (1888–1969) sowie Zeichnungen von Max Brösel (1871–1947) und Karen Graf. Zuschüsse des Vereins ermöglichten den Erwerb des großformatigem Gemäldes „Akt auf grünem Sofa“ von Heinz Drache (1929 –1989) sowie von zwei Bildern des Malers Paul Wilhelm (1886–1965), die für dessen Schaffen sehr charakteristisch sind. Sie zeigen den Garten des Künstlers vor dem Minckwitzschen Weinberg und sein liebstes Modell, Gattin Marion. Zum Druck des Gedenkkataloges für den verstorbenen Maler Ingo Kuczera (1964–2004) wurde ein Zuschuss von 1.000 Euro beigesteuert. Alles in allem eine erstaunliche Leistung für den kleinen Verein, der sich mit dem „Stolzsein“ nicht aufhalten will, denn neue Vorhaben sind schon längst im Gespräch. Natürlich wurde der Stadtgalerie für alle Aktionen zum diesjährigen Dreifachjubiläum sowie zum 39. Grafikmarkt Unterstützung zugesichert. Für den 16. Dezember zum 35-jährigen Bestehen der Stadtgalerie ist ein Jubiläumsbrunch gemeinsam mit der Radebeuler Künstlerschaft geplant – quasi als eine Art Dankeschön. In Kürze steht eine Besichtigung der Depoträume des Stadtmuseums Coswig an. Längerfristig will der Förderkreis an einer Dokumentation zum künstlerischen Nachlass von Horst Hille mitarbeiten. Ab 2018 startet eine Exkursionsreihe zu den im öffentlichen Raum befindlichen Kunstwerken unserer Stadt. Einen besonderen Höhepunkt bildet im kommenden Jahr der 40. Radebeuler Grafikmarkt. Zum Jubiläum in eigener Sache wird wohl am 25. Oktober 2019 ein kleiner Festakt stattfinden, wenn bis dahin nichts dazwischenkommt. Ein Schelm, der Arges dabei denkt!
Wer hätte es schon für möglich gehalten, dass sich der im Jahr 1996 gegründete Radebeuler Kunstverein nach über zwanzig Jahren seines Bestehens mit 37 (!) Mitgliedern so plötzlich auflösen würde? Der Grund ist simpel: Die langjährige Vorsitzende Ingeborg Bielmeier gab ihre Funktion ab und es fand sich niemand, der diese Verantwortung übernehmen wollte. Als Konsequenz daraus wurde am 8. Februar 2017 der Beschluss über die Auflösung gefasst. Für die Kunstszene der Lößnitzstadt ist das sowohl im ideellen als auch im ganz praktischen Sinne ein großer Verlust, ging doch der Anspruch des Kunstvereins weit über Radebeuls Grenzen hinaus. Zahlreiche Kunstreisen hatten die Vereinsmitglieder gemeinsam ins In- und Ausland unternommen. Knapp 200 Ateliers wurden in und um Radebeul besucht. Der Verein schenkte der Kunstsammlung jeweils ein Exemplar seiner Jahresgaben (insgesamt drei Grafiken) und spendete 400 Euro für die Wiederaufstellung des „Wackerbarth-Steines“ sowie 200 Euro für die Bronzefigur „Kniende“ von Otto Rost (1887–1970). Mit 500 Euro beteiligte sich der Kunstverein am Einbau der Treppenanlage in den Bismarckturm und sicherte sich im Gegenzug einen Eintrag für die Ewigkeit auf der Spendertafel. In den Räumen der Stadtgalerie veranstaltete er vorrangig mit auswärtigen Künstlern 20 eigene Ausstellungsprojekte, welche zum Großteil von Roland Urban im Film dokumentiert worden sind. Darüber hinaus boten die Vereinsmitglieder bei allen Künstlerfesten und Grafikmärkten personelle Hilfestellung. Die Organisation eines abwechslungsreichen Programms mit kunstsinnigen Bildungsangeboten für seine Mitglieder und interessierte Bürger bildete den Schwerpunkt der Vereinstätigkeit. Überlegungen zur Fusion beider Vereine wurden schließlich wieder verworfen. Umso erfreulicher ist es, dass sieben ehemalige Kunstvereinsmitglieder dem Förderkreis beigetreten sind. Das ehrenamtliche Wirken von Ingeborg Bielmeier erfuhr sowohl durch die Große Kreisstadt Radebeul als auch durch den Landkreis Meißen öffentliche Würdigung.
Strukturen entstehen. Strukturen vergehen. Vereine bilden sich. Vereine lösen sich auf. Gelassenheit lernt man im Stadtarchiv. Die alten Unterlagen offenbaren Erstaunliches, schärfen den Blick und relativieren das Gegenwärtige. So ist auch der Gedanke, Kunstsinn und Künstler zu fördern, durchaus nicht neu. Bereits 1907 hatte sich der „Kunstverein der Lößnitzortschaften“ gegründet, dessen Mitgliederzahl im Verlaufe eines Jahres rasch auf 150 angewachsen war. Die alljährlich stattfindenden Kunstausstellungen stießen auf große Resonanz und die Projekte wurden immer ehrgeiziger. Man sinnierte, ob es der Verein nicht gar auf 300 Mitglieder bringen könne. Auch träumte man davon, mit einer „reizvollen Sammlung“ den Grundstock für ein künftiges „Lössnitz-Museum“ zu legen „zur Freude künftiger Geschlechter“. Doch schon Ende 1911 stellte der Vorstand den Antrag auf Selbstauflösung des Kunstvereins. Als Grund des Übels hatte man die zu geringe Mitgliederzahl (120!) ausgemacht. Das Geld wurde knapp. Appelle an Gemeindeverwaltung, Gewerbetreibende und Privatpersonen fruchteten kaum. Trotz mehrfach wechselnder Vorstände erfolgte im Jahr 1914 schließlich die endgültige Auflösung des Vereins. Die Zeiten waren nicht rosig. Der erste Weltkrieg forderte seinen Tribut. Dass man sich einmal, über 100 Jahre später, an die Idealisten von damals erinnert und dass es im Jahr 2017 tatsächlich eine kleine Sammlung „zur Freude künftiger Geschlechter“ geben würde – wer hätte das gedacht? Zur festlichen Ausstellungseröffnung aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Städtischen Kunstsammlung Radebeul sind alle Freunde und Förderer am 15. September ganz herzlich in die Stadtgalerie eingeladen.
Karin (Gerhardt) Baum