Thilo Hänsel, 4. August 1939 – 2. September 2017

Die Heimat zu preisen, „als das Werk eines unbeschreiblichen Schöpfers“ – diesem tiefempfundenen Anliegen verdanken sich Thilo Hänsels Zeichnungen. Am 2. September hat er den Stift für immer aus der Hand gelegt.

Thilo Hänsel (1.v.l.) zur Ausstellungseröffnung »Das Haus im Weinberg«, August 2016 im Weinbaumuseum Hoflößnitz
Bild: K. Baum


Thilo Hänsel war am 4. August 1939 in Annaberg im Erzgebirge zur Welt gekommen. Vier Wochen danach begann jener wahnsinnig wütende Krieg, der ihm den Vater nahm. Dessen Skizzenbuch wurde für den Jungen zum Heiligtum; ein einfühlsamer Zeichenlehrer weckte in ihm die Freude am eigenen künstlerischen Tun. Fortan ist er stets mit Block und Stift unterwegs gewesen, und immer hat er etwas Lohnendes zum „Zinseln“ gefunden.

Seinen Wunsch, nach dem 1957 in Freiberg abgelegten Abitur an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig seine künstlerischen Fähigkeiten zu vertiefen, konnte sich Thilo Hänsel nicht erfüllen. Stattdessen kam er 1958 nach Dresden, um an der TU Architektur zu studieren. Während dieses Studiums konnte er bei Prof. Dr. Walter Hentschel am Institut für Kunst- und Baugeschichte famulieren, was eine ihm wertvolle Vertiefung der Studieninhalte mit sich brachte.

Besonders dankbar nahm er an, dass damals noch großer Wert auf die künstlerische Bildung der künftigen Architekten gelegt wurde. Unter den Augen von Prof. Georg Nehrlich beschäftigte er sich mit Handzeichnen, Aktstudien und Malerei. Mit dieser „Schulung der Augen“ wuchsen der Blick fürs Wesentliche wie auch die Liebe zum Detail. Über die Hand konnte er so auch ein Gefühl für Proportionalität und Maßstab, für die innere Qualität von Architektur gewinnen. Es tat ihm weh zu sehen, wie in den letzten Jahren nicht nur die Architekten ihre Handfertigkeit zugunsten der toten Maschinenzeichnung aufgegeben haben.

Nach Studienabschluss fand Thilo Hänsel in Prof. Dr. Rolf Göpferts Entwurfsbüro eine erste Anstellung. Später war er für das Planungsbüro AIT tätig. Über viele Jahre stand sein Reißbrett im Südflügel des Dresdner Schlosses. Gegen Ende seiner beruflichen Laufbahn leitete er auch den Rohbau für die Wiedererrichtung der einstigen königlichen Residenz. Als seine schönste Baustelle bezeichnete er stets den Dresdner Zwinger. Hier hat er die Rekonstruktion des Semperbaus wesentlich mitbestimmt.

Alle diese Aufgaben ermöglichten ihm ein tiefes Eintauchen in die Traditionslinien der Baugeschichte. Die epochalen Katastrophen des 20. Jahrhunderts hatten durch Diktatur und Depression alle Kontinuitäten grundhaft zerstört. Mühsam versuchte er, bei seiner nicht zuletzt zeichnerischen Auseinandersetzung mit historischer Architektur wenigstens für sich selbst noch Anknüpfungspunkte zu finden.

Thilo Hänsel hat Architektur immer zuerst als Bau – Kunst verstanden.

Zeit seines Lebens ist Thilo Hänsel ein begeisterter Musiker gewesen. Schon als Kind lernte er, mit der Flöte umzugehen. Später, im Posaunenchor und im TU-Orchester wechselte er zu den Blechbläsern, bevor er im Rahmen der Hausmusik zur Flöte zurückfand.

In Zeichnung oder Aquarell fand er die ihm gemäße Antwort auf die ihn umgebende gebaute Landschaft. Indem er zeigte, was war, wurde er auch zum Chronisten, der manches Detail bewahrte, was sonst längst vergessen wäre. Dieses Bewahren war ihm ebenso wichtig wie das Erinnern.

Das von Thilo Hänsel gepflegte liebevolle Erinnern, das, oft stark romantisierend, manchmal die Vergangenheit über die Gegenwart hob, war auch der Sorge um die Zukunft geschuldet. Die „Romantiker“ haben ja die Welt nicht nur verklärt, zuallererst haben sie Verantwortung für sie übernommen. Als Architekt war ihm „Verantwortung“ nicht fremd. Als Architekt dachte er lösungsorientiert: nicht so viel reden, tun! war sein Credo. In der AG Stadtmuseum war er als der Älteste lange Zeit derjenige, der voranging. Zahlreiche Ausstellungen gingen auf seine Initiative zurück. Nicht nur die Mühlenausstellung mündete in eine Publikation.

Auch Vorschau und Rückblick profitierte von seinem Fleiß: die Jahrgänge 1990 und 2010 (der erste und der zwanzigste) tragen seine Skizzen im Titel. Die Urkunden für den Bauherrenpreis leben ebenso von seinen Zeichnungen. Thilo Hänsel war Gründungsmitglied im Verein für Denkmalpflege und neues Bauen gewesen, der den Preis initiiert hatte.

Begonnen mit dem von uns gemeinsam erwanderten „Lößnitzgrundbuch“ entstanden in den letzten Jahren zahlreiche Publikationen mit Hänselschen Zeichnungen. Neben „Mein Radebeuler Skizzenbuch“ und „Dresdner Skizzen“ sind hier das mit Sohn Markus erstellte Katalogbändchen „Auf den Spuren der Gebrüder Ziller“ und besonders das letzte, gemeinsam mit Klaus Schumann geschaffene Büchlein „Weinberghäuser im Elbtal“ hervorzuheben. Sie alle lassen erkennen, wie Thilo Hänsels Liebe zur „Heimat als Werk eines unvergleichlichen Schöpfers“ beredten Ausdruck fand.

Thomas Gerlach

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