Sonderausstellung im Käthe Kollwitz Haus Moritzburg anlässlich des 80. Todestages
von ERNST BARLACH
Noch bis zum 9. Dezember 2018 ist diese beeindruckende Ausstellung zu sehen. Deshalb soll hier nochmals darauf hingewiesen werden. Die sehr gut besuchte Eröffnung fand bereits am 9. September statt und war ein großartiges Erlebnis. Zum Einen trugen dazu die einführenden Worte der Leiterin des Hauses, Frau Sabine Hänisch, und die Laudatio von Frau Dr. Petra Kuhlmann-Hodick, der Oberkonservatorin des Dresdner Kupferstich-Kabinetts, bei. Zum Anderen ließ die dargebotene Musik eine ganz besondere Atmosphäre entstehen, wie im Editorial genauer beschrieben.
Einige Auszüge aus der Laudatio, für deren Freigabe der Autorin herzlich gedankt wird, sollen Sie, liebe Leserinnen und Leser, auf die Exposition neugierig machen, gerade in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation:
„ An diesem Ort, im Käthe Kollwitz Haus, an Ernst Barlach zu erinnern ist sicher naheliegend. Sabine Hänisch hat den Ausspruch der Künstlerin „Der hat’s gekonnt“ als Motto über die Präsentation gestellt und damit auf die Bewunderung, die Käthe Kollwitz für den drei Jahre jüngeren Bildhauer empfand, verwiesen, auf die Anregungen, die Kollwitz aus der Begegnung mit seinem Schaffen für ihre Graphik und ganz besonders für ihre bildhauerische Arbeit gezogen hat…
Vor nunmehr 80 Jahren, am 24. Oktober 1938, starb der aus Wedel bei Hamburg stammende Ernst Barlach …Nur einige Stichpunkte zu seiner Biographie seien erinnert: Barlach hatte die Kindheit mit seinen drei jüngeren Brüdern in Schönberg und Ratzeburg verbracht. Das Verhältnis zu der aus gesundheitlichen Gründen über lange Zeit abwesenden Mutter war durch deren psychische Labilität überschattet. Den als Arzt tätigen Vater begleitete Ernst Barlach häufig in der Kutsche, wenn er zu seinen Patienten fuhr. Als er 14 war starb der Vater mit gerade einmal 45 Jahren. Barlach besuchte zunächst seit 1888 die Kunstgewerbeschule in Hamburg, und schrieb sich 1891 an der Kunstakademie in Dresden ein, wo er Meisterschüler von Robert Dietz wurde. Nach Abschluss des Studiums 1895 führten ihn zwei Aufenthalte 1896 und 1897 nach Paris. In den folgenden Jahren lebte er, neben Aufenthalten in Hamburg, in Friedrichroda in Thüringen und in Höhr im Westerwald, seit 1899 vorwiegend in Berlin. Freundschaftlich war er mit dem Verleger Reinhard Piper verbunden. 1906 unternahm Ernst Barlach gemeinsam mit seinem Bruder Niko eine Reise nach Russland zu dem dort lebenden Bruder Hans. Die Reise vermittelte ihm entscheidende Impulse und wurde vielfach als Schlüsselerlebnis für sein bildkünstlerisches und auch sein dramatisches Werk beschrieben. Im selben Jahr wurde sein Sohn Nikolaus geboren, für den er später das alleinige Sorgerecht erhielt. 1907 befreundete er sich mit Paul Cassirer, der die Alleinvertretung seiner Werke übernahm und bis zu seinem Freitod 1926 den Künstler nach Kräften unterstützte. 1909 führte die Verleihung des Villa Romana-Preises Barlach nach Florenz, wo er sich mit dem Schriftsteller Theodor Däubler anfreundete – auch dies eine Begegnung, die ihn nachhaltig beeinflusste. 1910 zog Barlach zu seiner Mutter und seinem damals bei ihr lebenden Sohn Nikolaus nach Güstrow…
Es ist Barlachs Graphik aus den Kriegs- und Nachkriegsjahren, die im Fokus der hier gezeigten Ausstellung steht. 1914 entstanden für die bei Paul Cassirer erschienene, zunächst als Zeugnis des patriotischen Aufbruchs angelegte Zeitschrift „Kriegszeit“ mehrere Lithographien Barlachs, die in ihrem ernst bewegten Pathos eine seltsam anmutende Ambivalenz aufweisen. Der mit der todbringenden Sichel gewaltig ausschreitenden Figur des „Heiligen Krieges“ geht alles Triumphale ab. Und die kriegerische Formel „Erst Sieg. Dann Frieden.“ gerät in Barlachs Interpretation zur unbarmherzigen und machtlosen Drohung gegen den über dem Gräberfeld hoffnungslos Verzweifelten, den Barlach zeigt. Deutlicher noch und mit nunmehr klarem Appell sprechen Barlachs Beiträge zu der nachfolgend erschienenen Zeitschrift „Bildermann“ von der Verzweiflung angesichts der Schrecken des Krieges. Einen tief bewegt und machtlos die Hände ringenden Christus, hinter dem der Drei-Kreuze-Hügel von Golgatha aufragt, verweist der biblische Versucher auf die Reiche der Welt: einen endlosen Wald von Grabkreuzen auf den irdischen Feldern. In den Nachkriegsjahren führt Barlach das Thema der Verelendung und menschlichen Verrohung weiter aus, etwa im Bild der Kupplerin, die den Oberkörper einer hilflos ihr ausgelieferten jungen Frau entblößt, um sie einem Freier anzubieten.
In seiner reduzierten, ganz auf den formenden Umriss seiner Figuren konzentrierten Bildsprache zeigt sich gerade in Barlachs Graphik die auf den Gestus gerichtete Ausdruckswelt des Bildhauers, die auf Käthe Kollwitz so eindrücklich gewirkt hat. Paradigmatisch kann hierfür die Gestalt des Blinden in einer Lithographie von 1918 stehen – die gleiche Grundform wird er 1931 einer Bronzeplastik zugrundelegen, dem „Zweifler“, der seine eigenen Züge zu tragen scheint.
Mit dieser Ausstellung gibt das Käthe Kollwitz Haus seinen Besuchern die Möglichkeit, zu neuen nachdenklichen und berührenden Begegnungen mit dem Werk Barlachs.“
Ilona Rau