Wissenswertes über Weinsorten im Elbtal

Ich denke, eine Handvoll Weinsorten könnte jeder nennen, doch ob alle von dieser Auswahl in der Region Elbtal angebaut werden, ist für den Laien schon eine schwierige Frage. Also suche ich mir einen kompetenten Gesprächspartner in Sachen Weinbau. In der Reben-Versuchs-Station des Sächsischen Landesamtes für Landwirtschaft finde ich ihn: Herrn Oswald Häntsch, Stationsverantwortlicher und Fachmann für Wein- und Gartenbau. Mir sitzt ein Winzer gegenüber, „wie er im Buche steht“, nur irritiert mich das rollende Lausitzer „R“ in seiner Stimme dort gibt es doch gar keinen Wein. Herr Häntsch versucht es, in die Reihe zu bringen. Zunächst ist da eine französische Linie in seiner Familie vielleicht erblich mit Wein belastet? Wichtiger erscheint mir der berufliche Werdegang des Gärtners aus Ebersbach. Facharbeiter, Meister und Ingenieur in verschiedenen Orten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg, bis er 1961 hier in Radebeul in der Station auf der Mittleren Bergstraße (Krapenburg) landete. Damals betrieb die Versuchsstation Obst- und Weinbau, heute nur noch Weinbau. Die Hauptaufgabe der Station besteht darin, innerhalb einer bestimmten Weinsorte verschiedene Erbanlagen aus unterschiedlichen Regionen (Prüfung der Klonenherkünfte) zu testen und durch Auslese und Kreuzung solche Pflanzen zu entwickeln, die in unseren geographisch geologischen Lagen und dem Klima im Standort Elbtal die besten Wachstumsraten und optimalsten Erträge bringen. Derartige Forschung ist nach Meinung von Herrn Häntsch bisher nicht konsequent genug betrieben worden, so daß es noch Reserven für Erhaltungszüchtungen gibt. Das heißt nicht, daß es immer neue Sorten sein müssen, es geht um Verbesserungen innerhalb bekannter Rebsorten. Außer dem dienstlichen muß Herr Häntsch aber auch noch einen privaten Weinberg betreuen. So erklärt sich, daß man ihn zu Hause so selten antrifft. Doch nun einiges zu Weinsorten, die man nach der Reblauskatastrophe hier ausprobiert hat. Die Sorten werden auf reblausfeste Unterlagen gepfropft, um so sicher vor erneutem Reblausbefall im Weinberg zu sein. Dieses Verfahren stellt eine rein biologische Methode zur Schädlingsbekämpfung dar, während ansonsten viel mit Chemie gearbeitet wird. Ganz gewiß ist im Elbtal der Müller Thurgau (eine etwa 100 jährige Sorte) der am meisten angebaute Wein. Er verspricht große Erträge pro Stock. ist aber leider empfindlich gegen Pilzbefall und Winterfröste.
Gesicherte Angaben über prozentuale Anteile der Rebsorten werden von einer laufenden Umfrage unter Berufs- und Hobbywinzern erwartet; deshalb wollen wir hier nicht Prozentzahlen nennen. In der Reihenfolge der Weine kommen dann Weißburgunder und Traminer, beides Weine, die auf Syenitstandorten gute Ergebnisse bringen und so als charakteristische Weine Sachsens zu bezeichnen sind. Es folgen in der Anbauhäufigkeit Riesling und Ruhländer. Während Riesling nur auf reine Südlagen beschränkt ist und da gute Erträge bringt, aber in der Lese relativ spät liegt und in punkto Traubenreife ein Risiko birgt, konnte der Ruländer durch Klonenselektion ertraglich verbessert werden. Diese fünf Weinsorten haben eine längere Tradition und bilden den Hauptanteil der hiesigen Weinherstellung. Es gibt darüber hinaus noch einige Weißweinsorten, die im Elbtal Bedeutung hatten, haben bzw. zur Zeit ausprobiert werden. Da wäre zuerst der Gutedel zu nennen, eine Sorte, die hauptsächlich als Hausspalierwein bekannt ist, aber auch auf einer Weinbergfläche, „der Hölle“ (unterhalb des Spitzhauses) angebaut wird. Von den neueren Sorten hat sich der Kerner am besten bewährt, eine recht frostharte Sorte, aber als Nachteil mit vielen Geiztrieben. GoldriesIing und Bacchus könnten im Elbtal die Zukunft noch vor sich haben, schätzt mein Gesprächspartner ein. Goldriesling hat ausreichend Frosthärte und wird zur Zeit nur hier angebaut. Mit Morio-Muskat hingegen hat man hier schlechtere Erfahrungen gemacht, die Traube ist empfindlich und der Stock verträgt Winterfröste schlecht. Die Sorten Veltiner und Silvaner sind im Elbtal kaum noch vorhanden. Silvaner liebt kalkige Böden und hat deshalb im Saale-Unstrut Raum größere Bedeutung. Ohne nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung sind die Sorten Huxle-Rebe, Scheurebe, Farber und Matingre. Letzterer ist aber recht frosthart und findet als Spaliertraube Anwendung. Schließlich wäre noch die Sorte Elbling zu nennen, die bekanntermaßen eine gute Sektgrundlage liefert, aber z. Zt. auch ohne Bedeutung ist. Von den wenigen hier angebauten Rotweinen (vorwiegend im Seußlitzer Raum) hat der Blaue Burgunder die größte Bedeutung, Portugieser ist etwas frostempfindlich und Schwarzer Riesling (auch als Müller Rebe bekannt) sehr selten. Meine Vermutung, daß 1992 ein sehr gutes Weinjahr hinsichtlich Quantität und Qualität bevorsteht, möchte Herr Häntsch gern bestätigen, vorausgesetzt, es regnet bis Ende August noch etwas, es kommt kein Hagel und der September bringt noch genug Sonne. Dann hätten die Winzer mal Glück und wir als Konsumenten des Weines schließlich auch!
Ich danke Herrn Häntsch für die freundlichen Auskünfte.
Dietrich Lohse

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