Mit Michael Wüstefeld poetisch durch das Jahr



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Winzerhäuser
Wenige Schritte von Radebeuls westlicher Stadtgrenze befindet sich das alte Winzerhaus Talkenberger Hof, Am Talkenberger Hof 3, in Coswig. 1607 wurde es von Winzer Georg Talkenberg (vom ehem. Dorf Kreyern umgesiedelt) errichtet. Diese Zahl finden wir im Gewände der Rundbogentür auf der Südseite. Fenstergewände mit Phase und „S-Schnörkel“ deuten auf Renaissance. Über einem Rechteckgrundriss erhebt sich ein zweigeschossiger Bau, den ein steiles, mit roten Biberschwanzziegeln gedecktes Walmdach abschließt. Das EG hat massive Wände und das OG Fachwerk. 1607 war das Fachwerk wie heute auch wieder sichtbar. Ab etwa 1800 wurde das Fachwerk einer Mode folgend bis 1994 verputzt. Auf einem Foto von 1930 sehen wir, dass es auf der Südseite des Daches zwei Fledermausgaupen gegeben hat, wovon heute leider nur noch eine existiert. An den Hauptbau schließen sich nach Norden mehrere gereihte Anbauten an, die ursprünglich wirtschaftlichen Zwecken dienten, heute aber Wohnhäuser sind. Auf der Ostseite wurde um 1955 ein Garagentor eingefügt und damit zumindest die Schauseite gewahrt. Hier war früher der Preßraum mit niedrigerem Fußboden gewesen. Bis zur Reblauskatastrophe standen Weinstöcke im Steilhang hinter dem Haus – die heute dominierende, flach geneigte Weinfläche unterhalb des Talkenberger Hofs wird vom Staatsweingut Wackerbarth bewirtschaftet. Herr und Frau Burckhardt, denen das Anwesen seit 1979 gehört, sind keine Winzer. Wenn man sich von Süden her dem Winzerhaus nähert, kann man sich an der freien Lage des alten Hauses in der Lößnitzlandschaft erfreuen.

Dietrich Lohse

16. Thematischer Filmclubabend

Es ist kein Zufall, dass wir im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Film Club Mobil“ im 80. Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den DEFA-Film „Ich war neunzehn“ zeigen. Einen Film, der die Geschichte eines jungen Mannes in den letzten Tagen des Krieges beschreibt. Auch der Aufführungsort ist durchaus nicht ungewöhnlich, handelt es sich doch um einen Bunker, der von sowjetischen Kriegsgefangenen als Stollen tief ins Innere eines Oberlößnitzer Weinberges getrieben wurde und ab 1944 den benachbarten Anwohnern bei Fliegeralarm als Schutz vor Bomben diente. Heute werden die Räume von Thomas Teubert, dem Inhaber des Weinkellers „Am Goldenen Wagen“, nach einer aufwändigen Sanierung als Weinlager und für Weinverkostungen genutzt.

Zum Glück blieb Radebeul weitestgehend von Kriegszerstörungen verschont. Zu verdanken ist das nicht zuletzt dem Radebeuler Ehrenbürger Ilja Schulmann (1922–2014), der als Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer in der Sowjetunion lebte und als Dolmetscher mit der Roten Armee am 7.5.1945 in die Lößnitzstadt kam, um Kontakt zur Stadtverwaltung aufzunehmen. Das Ultimatum lautete sinngemäß: Entweder kampflose Übergabe oder massiver Artilleriebeschuss! Die nahezu kampflose Übergabe war das Ergebnis des besonnenen Handelns mehrerer Personen und Ilja Schulmann spielte dabei keine unwesentliche Rolle. Wenn hingegen der Plan von Martin Mutschmann (1879–1947) zur Ausführung gelangt wäre, würde in Radebeul wohl kaum ein Stein auf dem anderen geblieben sein, denn der NSDAP Reichsstatthalter wollte „bis zum Letzten“ kämpfen und hatte noch im April 1945 Dresden zur Festung erklärt und Radebeul als eine Art Bollwerk vorgesehen.

Der autobiografische Film „Ich war neunzehn“ basiert auf Konrad Wolfs (1925–1982) Tagebuchaufzeichnungen aus den letzten Kriegstagen. Mit seinen Eltern und Geschwistern emigrierte er 1933 nach Moskau. Wie die Hauptfigur des Films war er damals acht Jahre alt. Mit siebzehn trat er in die Rote Armee ein und gehörte 1945 als Neunzehnjähriger im Rang eines Leutnants zu den Truppen, die Berlin einnahmen. Und wie Gregor Hecker im Film, war Konrad Wolf für kurze Zeit im April 1945 der erste sowjetische Stadtkommandant von Bernau bei Berlin.
Für die Rolle des Gregor Hecker wurde der Schauspielstudent Jaecki Schwarz (geboren 1946) unter 80 Bewerbern ausgewählt. Nach seinem erfolgreichen Debut war er als Bühnen- und Filmschauspieler sehr gefragt. Über zwanzig Jahre stand er als Mitglied des Berliner Ensembles auf der Bühne und wirkte u. a. in erfolgreichen Kinofilmen wie „Die Schlüssel“ (1974) oder „Bürgschaft für ein Jahr“ (1981) sowie bis heute in zahlreichen Fernsehserien mit.
Der Film „Ich war neunzehn“ wurde 1967 in Schwarzweiß gedreht und schildert auf reportagenhafte Weise Episoden und Einzelschicksale. Ohne Pathos und Heldenverklärung werden die Schrecken des Krieges beschrieben. Menschen sind mit ihren Schwächen und Stärken in tragischen und grotesken Situationen zu erleben. Die Uraufführung fand 1968 im Berliner Kino International statt. Bereits in den ersten sechs Monaten sahen ihn etwa 2.5 Millionen Besucher. Es folgten zahlreiche Auszeichnungen. Der DEFA-Antikriegsfilm wurde zum Klassiker und gilt als eine der bedeutendsten deutschen Nachkriegsproduktionen. Umfangreiches Bonusmaterial trägt zum weiteren Verständnis bei.

Ich war neunzehn
1967/68, DDR, DEFA-Spielfilm, 115 Minuten, s/w, FSK 12

Regie: Konrad Wolf; Drehbuch: Wolfgang Kohlhaase, Konrad Wolf;
Kamera: Werner Bergmann; Schnitt: Evelyn Carow;
Besetzung: Jaecki Schwarz (Gregor); Wassili Liwanow: (Wadim); Alexei Eiboschenko (Sascha);
Galina Polskich (sowjetische Soldatin); Jenny Gröllmann: (deutsches Mädchen); Michail Glusski: (sowjetischer General) sowie in weiteren Rollen Rolf Hoppe, Wolfgang Greese, Kurt Böwe, Hermann Beyer, Dieter Mann, Martin Trettau

Der Film wird aus Sicht des russischen Leutnants Gregor Hecker erzählt und umfasst die Tage vom 16. April bis zum 2. Mai 1945. Verschiedene Ereignisse werden, wie in einem Tagebuch, chronologisch datiert und dokumentarisch-nüchtern erzählt.
Zu Beginn des Filmes sieht man wie am 16. April im Gefolge sowjetischer Truppen an vorderster Front ein alter Lautsprecherwagen durch die weite winterliche Landschaft ruckelt. „Deutsche Soldaten! Kämpfen ist sinnlos“, tönt eine junge deutsche Stimme. „Ergebt euch, rettet euer Leben!“. Der das ruft, ist Gregor Hecker. In der Uniform eines Leutnants der Roten Armee kommt der 19-Jährige in seine Heimat zurück, aus der er mit seinen Eltern als Kind emigrieren musste. Der kleine Agitationstrupp ist auf dem Weg von der Oder über Bernau und Sachsenhausen nach Berlin. Der Krieg ist entschieden aber noch nicht vorbei. Als die Truppe nach Bernau kommt, wird Hecker kurzerhand zum Kommandanten der Stadt ernannt. Mit einer Handvoll Leuten versucht er, eine Kommandantur einzurichten.

Widersprüchlich sind Heckers erste Begegnungen mit den Deutschen. Da sind Bauern, Flüchtlinge, Überläufer, Faschisten, Antifaschisten… Gregor beginnt zu begreifen, dass es „die Deutschen“ ebenso wenig gibt wie „die Russen“.
Die Fassungslosigkeit darüber, wie aus einem kultursinnigen Volk, ein Volk von Barbaren werden konnte, ist im ganzen Film zu spüren. In einer Szene, die aus dem Dokumentarfilm Todeslager Sachsenhausen (1946) von Richard Brandt übernommen wurde, berichtet der als „Henker von Sachsenhausen“ bekannte Paul Sakowski, wie er Häftlinge in der Gaskammer mit Blausäure-Gas sowie einer als Messlatte getarnten Genickschussanlage ermordete.

Durch Verhandlungsgeschick gelingt es, dass die Zitadelle Spandau am 30. April 1945 ohne Blutvergießen übergeben wird. An den Erfolg in Spandau schließt sich ein weiterer Freudentag an, der 1. Mai. Am Abend findet eine große Feier statt. Dabei kommt es zum Gefühlsausbruch eines befreiten deutschen Kommunisten, der lautstark fordert, alle Nazis aufzuhängen, da sich ansonsten alles in zwanzig Jahren wiederholen würde. Ein sowjetischer General beschwichtigt ihn: Rache ist kein guter Ratgeber, schon gar nicht für die Zukunft.

Inzwischen herrscht fast schon Normalität, doch die Ruhe trügt. Während die einen zu begreifen beginnen, dass der Krieg verloren ist, kämpfen die anderen verbissen weiter. Nachdem sich Adolf Hitler bereits am 30. April 1945 seiner Verantwortung durch Suizid entzogen hatte, verlieren noch zehntausende Menschen ihr Leben.

Auch Gregors Freund Sascha stirbt bei einem letzten Kampfeinsatz. Und Hecker ahnt, wie schwer ein Neuanfang sein wird. Der Film endet mit den Worten „Ich bin Deutscher. Ich war mal zehn Jahre alt.“

Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht trat am 8. Mai 1945 um 23 Uhr in Kraft.

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e. V.
Anmerkung: unter Verwendung von verschiedenen Filmbegleitmaterialien und Wikipedia-Eintragungen.


Am 13. März 2025, um 19 Uhr, im Bunker Oberlößnitz, Hoflößnitzstraße 82, 01445 Radebeul, Reservierungen ab sofort unter 0160-1038663

Radebeuler Miniaturen

Hu is hu

Die unsägliche Diskussion um das unsägliche Unwort des Jahres hat mich bewogen, einmal einen Blick auf die eigene Herkunft zu werfen:

BIO-Mensch in Freilandhaltung – wenn ich meine BIO-Grafie richtig bewerte, triff diese Charakterisierung vollinhaltlich auf mich zu:
Wie ich meinen Vater nachträglich einschätze, wurde ich auf biologisch-herkömmliche Weise und ohne eigenes Zutun ins Leben gerufen. Auch wenn ich mich zunächst noch wehrte, bin ich ganz biologisch auf dem heimischen Sofa ans Licht der Welt gehoben worden – es war das gleiche, auf dem sechsundzwanzig Jahre vor mir mein Vater ein gleiches Schicksal erlitt – unter aktiver Beteiligung übrigens der gleichen Hebamme – und auf dem zwanzig Jahre später mein Großvater die ihm verbliebenen Reste seines Geistes aushauchte.
Die glückliche Kindheit verbrachte ich im eigenen BIO-Garten unter Freilandbedingungen, wobei sich die Radien mit zunehmendem Alter mehr und mehr auf Wald und Flur ausdehnten.
War es zu nass, zu kalt, zu heiß oder sonstwie biodivers ungemütlich, hatte ich ein Anrecht auf Stuhl, Tisch und Bett im Hause selbst, nicht zu reden von ausreichend biologischem Holzspielzeug. Im Zaum gehalten wurde die biologische Begeisterung durch die permanente Drohung, wenn du nicht folgst, gehst du morgen in den Kindergarten.
Eine weitere Trübung des Wohlbefindens trat ein, als ein täglicher Schulbesuch für notwendig und damit unverzichtbar erklärt wurde. Tatsächlich hat sie mir manche Not eingebracht, die Schule; sollte sie tatsächlich eine gewendet haben, habe ich nichts davon bemerkt. Um nicht auf meinen Prostest achten zu müssen wurde ich für unmündig erklärt – so wurde damals selbst mit BIO-Kindern umgegangen. Tröstlich war immerhin, daß die Freistunden FREI-Stunden blieben.
Mehr BIO geht nicht.
Ein ganzes Leben später hege ich nun die Hoffnung, daß ich auch auf BIO-logisch vorgesehenem Wege dieses irgendwann hinter mir lassen darf, ohne durch künstliche Intelligenz dabei behelligt oder gar aufgehalten zu werden.

Thomas Gerlach

Eine Glosse

Udo soll’s richten…

In den heutigen Zeiten ist es verdammt schwer, eine ordentliche Glosse zu schreiben. Jeden Monat sitze ich vor meinem Schreibtisch und zergrüble mir den Kopf, aber es will mir nicht wirklich was Brauchbares einfallen. Die Realsatire ist einfach besser und vor allem schneller. Fast täglich wird da eine neue Sau durchs deutsche Dorf getrieben, und man paktiert dabei zum Teufel-komm-raus. Der Schaller, also was der Kabarettist ist, der hat es da leichter. Der wünscht sich einfach einen „Frühling ohne Merz“. Solche Späße kann ich mir in diesem Heft nicht leisten. Aber was ist heutzutage nicht politisch…?
Die Parole „Arbeite mit, plane mit, regiere mit!“ beispielsweise, die kenne ich noch aus den letzten Tagen der anderen Republik. Die hat schon vor 36 Jahren nicht funktioniert und war reine Propaganda. Das weiß heute auch der Dümmste. Aber immer wieder kommt einer mit der sogenannten „Bürgerbeteiligung“ um die Ecke und will dir Weißmachen, dass man hier seine demokratischen Grundrechte wahrnehmen könne. Aber die heutigen Politiker sind eben gewiefter als die alten. Da wird einfach die Bürgerbeteiligung in die Sommerferienzeit oder eben kurz vor Weihnachten gelegt, wie wir das in Radebeul schon erlebt haben. Da verkleinert sich der teilnahmewillige Kreis der Bürger von ganz alleine. Gewusst wie…! Und hinterher haben sich die Bürger die Augen gerieben, als plötzlich in der Bahnhofstraße die Parkplätze weg waren.

Nun will ich jetzt nicht all diese Tricks durchdeklamieren, wie sich die Behörden Störenfriede und unbequeme Fragesteller vom Leib halten. Wer Ohren und Augen offen hält und seinen Kopf gelegentlich über die Mauer reckt, kann selbst genug Beispiele beisteuern. Viele Dinge aber geschehen fast wie nebenbei, die nimmt man im Alltagstrott kaum wahr. Das Meiste wird ja im Stadtrat sowieso hinter verschlossener Tür beredet. Das hat die kleine Frau und den kleinen Mann nichts anzugehen. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder mitreden wöllte. Da hätte dann vermutlich die Apotheke in der Bahnhofstraße noch einen Parkplatz.

Hat jemand registriert, dass unlängst zwei völlig intakte Gebäude abgerissen wurden – ausgerechnet in der Harmoniestraße? Ich will jetzt nicht schwindeln: Eine einzige Frau habe ich dort laut schimpfend entlanggehen sehen. Sonst aber herrscht Funkstille. Man kommt nun nicht jeden Tag nach Kötzschenbroda. Radebeul hat immerhin eine Längenausdehnung von über acht Kilometern, da läuft man Anderthalbstunden! Nach Kö komm ich nur, wenn ich mal in die Kneipe will. Bei den Preisen aber kann ich mir das auch nicht jeden Tag leisten und die Stehpiepe neben der damaligen „Lößnitzperle“ gibt es ja bekanntlich auch nicht mehr in der Bahnhofsstraße. Unsereins weiß überhaupt nicht, wo er noch hingehen soll. Früher hatte es wenigstens um die Ecke noch die Bahnhofskneipe gegeben. Die ist aber schon lange Geschichte, wie der spätere „Tender“ auch. Und wenn wir nicht aufpassen, ist in nicht mehr allzu ferner Zeit das ganze Bahnhofsgebäude verschwunden. Es bleibt einem nur noch der Netto oder die Familieninitiative. Aber dort pass ich nicht so richtig hin. Bin ja nicht schwanger. Obwohl…, einen ganz schönen Bauch habe ich auch.

Was wollte ich eigentlich sagen…? Ach so, die Bahnhofstraße, das ist auch so ein Dauerbrenner. Die wirkt nach den Arbeiten ja wie ein Schmuckkästchen. Erst neulich haben zwei vom Bauamt dort einen Kontrollgang unternommen, als ich es mir auf einer der neuen Bänke so richtig gemütlich gemacht hatte. Hab mich aber nicht getraut, sie anzubackern. Denen hätte ich aber was erzählt: „Die Straße sieht jetzt zwar wie geleckt aus, aber helfen wird das nix. Der Leerstand…! Und ich kenn mindestens drei Läden, die noch hinwerfen wollen. Dann ist hier tote Hose! Das reißt auch der Udo nicht!“. Wie gesagt, ich hätte…
Aber wieso ausgerechnet das in der Unterführung geplante Kunstwerk vom ollen Udo Lindenberg die Bahnhofstraße retten können soll, will mir nicht in den Kopf. Zur Einweihung ist ein „großer Bahnhof“ geplant. Der Udo hat schon abgewinkt, er kommt nicht. Aber, wie wär‘s mit einem Double? Davon gibt es mehr als eine Handvoll. Einen davon könnte man schon für schlappe 700 Euro haben, meint

Euer Motzi

 

Eine Sendung von Niedersedlitz nach Niederlößnitz

Gesammelte Fliesen letztes Viertel 19. Jh. Foto: D. Lohse

Gedanken zu keramischen Fußbodenfliesen

Eine Anregung zu dem Thema und drei im Grundstück Käthe-Kollwitz-Straße 23 von Herrn K.- H. Rudolph gefundene Musterstücke standen am Anfang dieser Betrachtung. Er machte mich u.a. auf eine frühere wirtschaftliche Verbindung der Lößnitzorte hinsichtlich eines keramischen Produkts mit einem

Rückansicht einer der Fußbodenfliesen mit Firma Foto: D. Lohse

der Produktionsstandorte in Niedersedlitz aufmerksam. So bestand offenbar eine gut bediente Achse für Fußbodenfliesen Niedersedlitz – Niederlößnitz, ähnlich wie das bei Kachelöfen nach Meißen oder Sandsteinstücken in die Sächsische Schweiz war. O.g. Sendung wäre also nicht das, was ein Briefträger gebracht hätte, sondern ein größerer bestellter Posten Fliesen per Schiff, Fuhrwerk oder Eisenbahn. Ist es nicht so, dass man, wenn man ein Haus betritt, als erstes auf die Wände und die Decken der Räume schaut – ein Blick auf den Fußboden kann sich aber auch lohnen!
Die Fliesen von der Firma Otto Kauffmann, Niedersedlitz, damals noch nicht nach Dresden eingemeindet, wurden in breiter Palette angeboten, unterschiedlich in Maß, Oberfläche, Dekor und Farbe.

Villa in Niederlößnitz, sicherlich mit Fließen Foto: D. Lohse

Desweiteren gibt es Fliesen mit mehrschichtigem Aufbau, also z.B. einer gemusterten Verschleißschicht, Fliesen mit säurefester Oberfläche (für den Industriebau) oder rahmende und bildhafte Fliesen. Die seit 1871 bestehende Firma Otto Kauffmann war führend im Raum Dresden und bot gute Qualität, expandierte 1893 und so belieferte Paul Kauffmann 1926 u.a. Schlösser in Berlin, Dresden und Königsberg, Hochschulgebäude in Danzig und Dresden sowie U-Bahnhöfe in Berlin und Buenos Aires. Nach 1945 wurde der Privatbetrieb enteignet und produzierte dann unter dem Namen „VEB Platten- und Chemiewerk Niedersedlitz“ noch weiter bis zur Auflösung des Betriebs 1999. Die verschiedenen, mir übergebenen Fliesen sind Fundstücke aus einem ehemals verfüllten Brunnen im Grundstück Rudolph. Wie und wo sie verlegt waren ist nicht bekannt, man kann nur Vermutungen anstellen: die graue Fliese mit diagonalen Rillen könnte z.B. von einem Gehweg stammen, der kein Muster hatte aber eine Struktur zum Abfluss von Regenwasser, auch Frostsicherheit war erwünscht. Eine andere graue Fliese mit glatter Oberfläche und blauen Schwüngen war sicherlich in einem Flurraum verlegt gewesen, wo die blauen Schwünge einer Fliese im Raum mit weiteren verlegt ein flächiges, geometrisches Muster ergeben haben könnte.

Altkötzschenbroda Foto: D. Lohse

Herr Rudolph erzählte mir, dass er früher in einer großen Villa gewohnt hatte, wo wohl ebenfalls Niedersedlitzer Fliesen zu finden waren. Er erinnerte sich, dass im EG der Villa Ledenweg 39 mehrfarbige, bildhafte Fliesen in der Diele so verlegt waren, dass ein teppichartiges Bild entstand. Ob das heute noch so zu erkennen ist, wissen wir nicht.

Foto: D. Lohse

Es war ganz früher übrigens die Villa der damals berühmten Dresdner Opernsängerin Clara Hofmann-Salbach und ihrem Mann, dem Schauspieler Jean Hofmann. Sie wurde von Bernhard Große 1896 / 97 errichtet.

Hätte Große die Bodenfliesen nicht auf

Borstrasse Foto: D. Lohse

kürzerem Wege aus Kötzschenbroda von der Firma Lehmann bzw. Heynemann aus der Neuen Straße beziehen können? Wahrscheinlich wollte man die Fliesen der besten Qualität aus Niedersedlitz für diese Villa haben. Sicherlich wären in Ober- oder Niederlößnitz noch weitere Nachweise von Niedersedlitzer Fliesen möglich, wenn sie

Bernhard-Voß-Str. Foto: D. Lohse

nicht fest verlegt wären. Auf den Unterseiten der Fliesen könnte man vielleicht auch den Namen Otto Kauffmann / Niedersedlitz eingeprägt finden.
Auf ein anderes Beispiel sekundär verlegter, also nicht mehr am ursprünglichen Standort befindlicher Fliesen, stieß ich in einem Grundstück auf der Heinrich-Heine-Straße eher zufällig. Da war der Hof mit einer Sammlung von mehreren Dutzend verschiedenen Fliesen und Kleinpflaster phantasievoll geschmückt worden. Das war ein Bestand von Fliesen, die über die Jahre von Herbert Graedtke von Abbruchgrundstücken gesammelt und dann an seinem Wohnhaus zu einem großen Mosaik neu komponiert worden waren. Auch da könnten ein paar aus Niedersedlitz dabei sein – ich kann dazu den Schauspieler Herbert Graedtke leider nicht mehr befragen, denn er ist 2024 verstorben.
Ich füge am Schluss noch ein paar Bildbeispiele von in Radebeul in Mustern verlegten keramischen Fußbodenfliesen an – nur ein Bruchteil aller hier zu findenden Beispiele! Heute geht man in Radebeul oft noch über alte Fliesenböden, die einem mit einem raschen Blick vielleicht gefallen, wo sich aber die Hintergründe über Herkunft des Materials und den Anspruch eines früheren Bauherrn nicht sofort erschließen.
Dietrich Lohse

Weißes Roß – Geschichten aus der Kindheit

„Im Märzen der Bauer sein Rößlein einspannt“. Dieses Kinderlied haben wir oft und gern gesungen. Ich habe mir immer zwei große dunkelbraun glänzende Pferde in einer osterhasengrünen Landschaft vor dem Pflug vorgestellt.
Die Kinder, die im März Geburtstag hatten, wurden Märzhasen genannt. Dazu gehörten Inge und Wolfgang. Da sie sich fast gleichzeitig anmeldeten, war die ganze Nachbarschaft gespannt, welcher von beiden zuerst auf die Welt kommt. Muttel hatte Folgendes erzählt: als sie sich abends noch ein wenig im Hof erging, sah sie eine große Sternschnuppe über Heyls Haus herniedergehen. Wenig später kam Herr Heyl herüber und meldete die Geburt einen gesunden Mädchens, der Inge. Fünf Tage später kam dann Wolfgang als Stammhalter im „Weißen Roß“ an. Die Kinder kamen in der Regel zu Hause auf die Welt, unter Obhut unserer guten „Storchentante“ Teichert, die mir auch bei meinen Söhnen Michael und Uwe half.
Ich möchte noch einmal auf die Familie Wolf zurückkommen, mit diesen guten Menschen verbindet sich ein großer Teil unserer Kindheit. Sie wohnten an der Stadtgrenze zu Dresden. An der Siedlung, es sind Doppelhäuser mit je einem kleinen Garten, in dem eine kleine Holzlaube nicht fehlen durfte. Darin wurde Sonntags Kaffee getrunken.
Es war für uns immer ein Ereignis, wenn uns unsere Wo mit sich nach Hause nahm. Der ziemlich lange Weg wurde gelaufen. Erst die Pestalozzistraße an der Kleinbahn entlang, weiter die Sidonienstraße vor, die in die Forststraße einmündete. Nach der Eisenbahnbrücke war es dann die Seestraße, die bis zur Siedlung geht. Mit der Seestraße verbindet sich auch eine Erinnerung im Zusammenhang mit Wolfgang. Er hatte als Kind hin und wieder Jähzornsanfälle, ein Erbteil unserer Muttel, die da auch manchmal grandiose Stücke lieferte. Als einmal ein Gast das Essen monierte und den Teller zurückgab, schmiß sie diesen durch die ganze Küche bis in die Aufwaschküche, dass es nur so scherbelte, denn sie traf auf dort abgestelltes Geschirr. Wolfgang hatte seinen Jähzorn später abgelegt. Wenn er jedenfalls als Kind wieder einmal verrückt spielte, wurde ihm mit der von Wo erfunenden Frau Riemer gedroht, die in der Seestraße in einem großen Mietshaus wohnen sollte und zu der die bösen Kinder gebracht würden. Als wir einmal an dem Haus vorbei kamen, hörten wir aus einem geöffneten Fenster ein Kind mörderisch schreien. Wolfgang glaubte fortan an die Existenz der Frau Riemer und mäßigte sich, denn dorthin wollte er auf keinen Fall. Wenn uns die Wo am Abend wieder ins „Roß“ hinunterbrachte, strahlte der Springbrunnen am Wasserwerk Neubrunnstraße in farbigem Licht.
Wolfs hatte zwei Kinder, Edith und Hasel, die aber bedeutend älter waren als wir. Hansels Zimmer war auf dem Boden und wir durften in der dort aufbewahrten Spielzeugkiste kramen. Ich angelte mir sofort mein Lieblingsbilderbuch, in dem die Sonne die Kinder durch den Tag begleitet. Und ich konnte mich an dem letzten Bild nicht sattsehen, auf dem die rote Sonne hinter dem dunklen Waldessaum sich zufrieden in ihr weißes Wolkenbettchen hüllt.
Herr Wolf war von Beruf Modelltischler und er fertigte meine Puppenküche samt Möbel an; es war gute deutsche Handwerksarbeit. Nach mir spielten noch meine Enkelinnen Peggy und Ännchen mit dieser Puppenküche. Die Möbel sahen aus wie neu, nur die Tapete hatte sich im Laufe der Jahre etwas verschlissen. Als Unikat aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts habe ich meine Puppenküche unserem Volkskundemuseum in Dresden, früher Oskar-Seiffert-Museum, vermacht.
Dann bekamen wir von Herrn Wolf einen Adventskranz von ganz einmaliger Art. Auf einem blauen Reifen steckten abwechselnd mit den vier Lichtern laubgesägte Engel, Zwerge und Tannebäume. Als wunderschöne WHF-Anhängerchen (WHF = Winterhilfswerk) in der Adventszeit heraus kamen, Miniaturfigürchen von Nußknackern, Engeln, Räuchermännchen und noch anderes mehr aus dem Erzgebirge, kaufte Vater gleich mehrere Sätze, und die kleinen Figuren hingen fortan unten am Kranz, ein lustiger bunter Reigen. Ich habe unsere Kinderstube noch leibhaftig vor Augen.
An der Tür zur Treppe wurde in der kalten Jahreszeit eine Decke bis etwa der halben Höhe gehängt. Das war unser Kasperletheater, bis wir später ein richtiges zu Weihnachten bekamen. Ich bekam einmal Kasperlepuppen geschenkt, und die konnten ihre Schlenkerbeine so richtig über den Deckenrand werfen.
Das sind meine Erinnerungen, die sich so ungefähr im März abspielten.

Christa Stenzel/ Christian Grün

„Radebeul liest“

Vier Wochen unterhaltsames Lese-Programm für Groß und Klein

Radebeul startet in den Frühling. Bücher spielen dabei erneut eine große Rolle, denn „Radebeul liest“ geht in die nächste Runde. Wer selbst gern liest, wird sich über die Bücherkisten freuen, die mit den ersten warmen Sonnenstrahlen wieder auf die Lesebänke in Radebeul-Ost und Kötzschenbroda gestellt werden. Sie laden zum Verweilen, Stöbern, Schmökern und gern auch zum Ausleihen ein.

Wer dagegen lieber als Zuhörer einer Lesung lauscht, den erwartet ein wahres Fest für die Ohren. In der ganzen Stadt laden Gewerbetreibende, Initiativen, Vereine und Akteure der Radebeuler Kulturszene vier Wochen lang zu einem großartigen und bunten Lese-Erlebnis ein. Bücher und Geschichten aller Couleur sorgen für ein abwechslungsreiches, spannendes und unterhaltsames Programm. Den Auftakt machen am 18. März groteske Geschichten und schräge Gesänge im Sonnenhof. Patty Frank lädt in die Villa Bärenfett und erzählt aus seinem Leben. Eine bekannte PoetrySlamerin ist bei Thalia zu hören und Reisegeschichten gibt´s im Fotostudio. In Kötzschenbroda wird auf zwei Ebenen gelesen, und in der Stadtgalerie ist die aktuelle Personalausstellung der passende Hintergrund.

Zu bewährten Leseplätzen aus dem vergangenen Jahr sind neue, teils ungewöhnliche Orte hinzugekommen. So verwandelt sich beispielsweise Flack´s Getränkehandel in Radebeul-Mitte einen Feierabend lang in eine Lesebühne und in Kötzschenbroda dient ein leerstehender Laden als Veranstaltungsort. Den Organisatoren von „Radebeul liest“ wollen zeigen, welch buntes Netzwerk und Potenzial von Kultur, Gewerbe, Schauplätzen und kreativem Wirken in der Lößnitzstadt vorhanden ist.

Das vollständige Programm gibt’s unter: www.radebeul.de/veranstaltungen und www.radebeul-gemeinsam.de

18. März, 19 Uhr – Wirtshaus Sonnenhof, Altkö. 26
Den Auftakt gestaltet der Meißner Autor und Regisseur Tilo Schiemenz: „Am Tag des Butterbrotes – groteske Geschichten und schräge Gesänge“, musikalisch begleitet von Konrad Möhwald (Harmonium) & Matthias Weisbach (Violine)

20. März, 17 Uhr, Wolldepot A. Balzer, Hauptstr. 22
Mit den Radebeuler Schreibenden Senioren erleben wir eine „Kleine Geschichts-Stunde“. Günther Klemm begibt sich in die Vergangenheit, auf die „Suche nach der heilen Welt“. Geschichten, die zum Nachdenken anregen, unterhaltsam und authentisch sind.

21. März, 18 Uhr, Karl-May-Museum, Karl-May-Str. 5
Der legendäre Patty Frank (dargestellt von Roland Wichmann) erzählt in der Villa Bärenfett aus seinem Leben. Der Wiener Artist gründete 1928 gemeinsam mit Klara May das Karl-May-Museum in Radebeul.

25. März, 19 Uhr, SZ-Treffpunkt, Bahnhofstr. 18
Anja Hellfritzsch liest aus ihrem Roman „Der Theatermann“: Der königliche Hofschauspieler Maximus René träumt von einer eigene Bühne, die auch dem einfachen Volk zugänglich sein soll. Im Ränkespiel von Intrigen, Krieg und Inflation des frühen 20. Jhd. mischt er dabei Dresden und die sächsische Provinz gehörig auf.

26. März, 18 Uhr, Buchhandlung Thalia, Hauptstr. 16a
Die Dresdner Autorin Alexandra Casper ist bekannt durch ihre PoetrySlam-Auftritte, bei denen sie mit eindrucksvoller Sprache berührende Themen aufgreift und zum Nachdenken anregt.

28. März, 18 Uhr, Münch`s Backstube, Meißner Str. 250
Der Radebeuler Schauspieler Jürgen Stegmann liest die Novelle „Die Elfen“ von Ludwig Tieck, der 1819 bis 1842 in Dresden lebte und am Hoftheater wirkte. Eine spannende und unterhaltsame Reise zwischen Phantasie und Wirklichkeit.

30. März, 16 Uhr, Heimatstube Kötzschenbroda, Altkö. 21
Lesestunde auf zwei Ebenen mit Jana und Steffen Berger: Wissenswertes, Kurioses, Nachdenkliches, Historisches, Bemerkenswertes, Kritisches und Originelles aus dem reichen Literaturfundus über Kötzschenbroda.

30. März, 19 Uhr, Kunsthaus Kötzschenbr., K.-Kollwitz-Str. 9
„Was uns bewegt“. Karin Eva Baum und Karl Uwe Baum lesen aus Radebeuler Alltagsbüchern, welche im Jubiläumsjahr 2024 verfasst wurden: Alltägliches, Persönliches, Politisches, Überraschendes, Trauriges, Erfreuliches und vieles mehr.

31. März, 18 Uhr, Gräfe`s Wein & Fein, Hauptstr. 19
„Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski“ von Heinrich Heine liest Jürgen Stegmann. – Der junge Schnabelewopski reist über Hamburg und Amsterdam nach Leyden, um sein Studium aufzunehmen. Doch auf Reisen erfreut er sich mehr am Leben und Genuss als am trockenen Lernen.

4. April, 19 Uhr, Doktor Akustik, Güterhofstr. 1
„Die tragisch-komische Geschichte von Peter McGonagall“ von Paulus Schinew: Ein Möchtegern-Dichter stolpert durch absurde Abenteuer, hat skurrile Begegnungen, erlebt kuriose Wendungen. – Daniel Doktor stellt das Buch an einem ungewöhnlichen Ort vor.

6. April, 17 Uhr, Stadtgalerie, Altkö. 21
Thomas Gerlach liest Gedichte und Texte aus Büchern, die er gemeinsam mit dem Radebeuler Maler Michael Hofmann herausgegeben hat. Musikalische Begleitung: Benni Cellini. Eine gute Gelegenheit, sich die Personalausstellung von Michael Hofmann in der Stadtgalerie anzuschauen.

7. April, 16 Uhr – für Kinder, Kinderhaus Altkö. 53a
„Der kleine Schmetterling mit der großen roten Blume“ ist für Kinder ab 4 geeignet. Annette Richter liest aus dem Buch, das sie gemeinsam mit Dorothee Kuhbandner herausgegeben hat, und erzählt einiges aus dem Leben der Schmetterlinge.

9. April, 17 Uhr, Fotoatelier Meissner, Meißner Str. 108
Cara Catalina Fox liest aus ihrem autobiografischen Roman „Tränen der Erkenntnis“. Ein ungeschminkter Einblick in die Zerrissenheit einer Frau in den besten Jahren, die sich unbedingt den Traum von der Freiheit auf zwei Rädern erfüllen möchte.

10. April, 18 Uhr, Flack´s Getränke, Hoflößnitzstr. 3
„Wie das Leben so spielt…“ Tabea Weingartner liest Kurzgeschichten aus fünf Jahrzehnten: Leben, Lachen und Weinen – berührend, lustig, lebendig, kurzweilig.

12. April, 14 bis 16 Uhr, Stadtteilladen Schatzinsel, Hauptstr. 6
Morty und der verborgene Schatz & Seemannsgarn und das Schiff der Königin: Ein Mäuserich geht auf Schatzsuche und ein Piratenkapitän erlebt auf der Jagd nach dem Schiff der Königin eine große Überraschung. Für Kinder von 4 bis 10.
? Stadtteil-Schatzsuche in Radebeul-Ost vom 5. bis 17. April.

13. April, 11 bis 19 Uhr, Landesbühnen Sachsen, Meißner Str. 152
MEDIEN.KULTUR.KUNST.BÖRSE: Hiesige Künstler/innen aller Sparten (Musik, Tanz, Literatur, Theater, Fotografie, Bildende Kunst etc.) präsentieren die vielfältige regionale Kunst- und Kulturlandschaft, machen sie erlebbar und buchbar. Auf drei Bühnen und an mehreren Messeständen zeigen sie dem interessierten Publikum sowie Veranstaltern, was sie drauf haben.

Eine vorherige Anmeldung sichert die besten Plätze  -> lesen@radebeul-gemeinsam.de
Spontane Gäste sind ebenfalls immer willkommen.

 

„Farben? Dann Oehme!“

Oder: Frieder Jesch und sein Ladengeschäft

Frieder Jesch, der Geschäftsinhaber von Farben Oehme, Foto Privatarchiv

„Farben? Dann Oehme!“ Drei Worte. Zwei Sonderzeichen. Werbung – knapp und effektiv.
Dem einen Ausrufezeichen würde ich gern noch weitere hinzufügen, gespeist aus eigener Erfahrung. Doch bald schon ist das Altvertraute Nostalgie. Das Unwort „Räumungsverkauf“ wandert (nicht nur) in Radebeul von Schaufenster zu Schaufenster. Diesmal betrifft es Farben Oehme (Moritzburger Straße 12). Vor noch nicht allzu langer Zeit waren es Haushalt- & Eisenwaren Lindner (Bahnhofstraße 4) und Rau Raumausstatter (Moritzburger Straße 2).
Nachdem ich also meinen ersten Schreckmoment überwunden hatte, regte sich in mir das Bedürfnis über Frieder Jesch, den Inhaber des Farbenfachgeschäftes, einen Beitrag zu schreiben. Zum Glück ließ er sich auch darauf ein, beantwortete bereitwillig meine Fragen. Allerdings mutet es schon ein wenig seltsam an, in einem Laden zu stehen, dessen Warenbestand unwiederbringlich schwindet und vor Ort schon bald nichts mehr daran erinnern wird.

Geschäftsanzeige in „Vorschau & Rückblick“, Mai 1990

Frieder Jesch kenne ich seit einem halben Jahrhundert. Unsere Lebenswege haben sich mehrfach gekreuzt. Zum ersten Mal zu Beginn der 1970er Jahre. Das war im Gasthof Somsdorf, wo sich das Betriebsferienlager der Handelsorganisation Dresden-Land (HO) befand. Von meinem Ausbildungsbetrieb, der HO, wurde ich dort als Betreuerin eingesetzt. In meiner Gruppe war der damals wohl um die zwölf Jahre alte Frieder Jesch – ein recht lebhaftes Kind.
Ab Mitte der 1980er Jahre sahen wir uns dann häufiger. Angela und Frieder Jesch kamen mal mit, mal ohne ihre Kinder in die „Kleine Galerie“ in Radebeul Ost, deren Leitung ich seit Juni 1984 innehatte. Kulturell interessiert, verpassten sie kaum eine der zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen.
Als im Mai 1990 das erste kulturelle Monatsheft Vorschau & Rückblick erschien, gehörte Farben Oehme zu den Inserenten, welche die Publikation durch ihre Anzeigenwerbung finanziell unterstützten.
Doch wie kam es nun zum Namen Farben Oehme? Ein an Frieder Jesch gerichtetes Antwortschreiben vom 3.2.1989 aus dem Radebeuler Stadtarchiv mit dem Aktenzeichen Schl (Lieselotte Schließer) bringt uns des Rätsels Lösung näher. Übrigens stellte die Behörde damals für „2 Stunden Sucharbeit“ 6 Mark in Rechnung.

Farben Oehme nach 1990, Gebäude noch unsaniert, Foto: Privatarchiv

Bauakten belegen, dass das Gebäude auf der Moritzburger Straße 12 seit 1869 durch An- und Umbau von verschiedenen Besitzern mehrfach verändert wurde. Der Ladeneinbau erfolgte 1899. Ein Geschäft für Farben und Lacke ist allerdings erstmals seit August 1928 nachweisbar. Bereits am 29. November 1928 ist Max Oehme als Inhaber eingetragen. Dessen Witwe führte das Geschäft ab 1941 weiter. Von ihr übernahm es 1964 Rolf Jesch, ohne eine Namensänderung vorzunehmen. Das Sortiment umfasste neben Farben nun auch Drogerieartikel und Weihnachtsschmuck.
Rolf Jesch (1923 – 2016) war gelernter Drogist und leitete in Dresden eine Drogeriefiliale. Als sich die Gelegenheit bot, von der Witwe Oehme das Farbenfachgeschäft auf Kommissionsbasis in Radebeul zu übernehmen, gab es für ihn kein Zögern. Allerdings war die Geschäftsübernahme an eine Bedingung geknüpft. An der Gemse (Finstere Gasse 6) bewirtschaftete Frau Oehme ein kleines Pachtgrundstück, wo sie zusätzlich eine Art Betriebsverkauf eingerichtet hatte. Das etwas abgelegene Grundstück sollte nun ebenfalls mit übernommen werden. Also beides oder gar nichts! Später erfolgte die Nutzung durch Familie Jesch als Wochenendgrundstück. Heute befindet sich dort die von der Weinbaugemeinschaft Niederlößnitz betriebene Straußenwirtschaft „Zur Gemse“.

Betriebsausflug nach Bulgarien, Anfang 1980er Jahre Rolf Jesch (3.v.l.), Frieder Jesch (6.v.l.), Margot Jesch (8.v.l.) Foto: Privatarchiv

Rolf und Margot Jesch wohnten in Dresden Strehlen und fuhren (zunächst) mit der Straßenbahn ins Geschäft nach Radebeul. Ehefrau Margot Jesch (1925 – 2013) führte die umfangreiche Buchhaltung. Einen Großteil der Zeit beanspruchte das Schreiben von Rechnungen. Die Organisation des Wareneinkaufs wurde zur Herausforderung. Fast täglich waren Mitarbeiter im ganzen Land unterwegs, um Waren zu organisieren. Auch das Abfüllen von Verdünnungen und Anstrichstoffen sowie die individuelle fachkundige Beratung gehörten zu den speziellen Dienstleistungen von Farben Oehme. Mitunter waren bis zu acht Mitarbeiter beschäftigt.
Spätestens hier sollte noch einmal darauf eingegangen werden, was unter einem DDR-Kommissionshändler zu verstehen ist. Der politische Anstoß kam wohl durch Walter Ulbricht, der bereits Mitte der 1950er Jahre öffentliche Kritik an der Versorgung der Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen übte. Die Einführung des sogenannten Kommissionshandels sollte das zentrale Problem Mangelwirtschaft mildern. Private Einzelhändler schlossen Verträge mit dem volkseigenen Handelsbetrieb ab, der den Warenbestand finanzierte. Die Kommissionshändler erhielten für ihren Aufwand eine vertraglich vereinbarte Provision.
Damit wurde ein Anreiz zur verstärkten Eigeninitiative geschaffen. Allerdings gab es für den zu erzielenden Jahresumsatz Planvorgaben. Diese zu überbieten, machte in Zeiten der Mangelwirtschaft wenig Sinn. Und so manche Kapriole, die sich aus der sozialistischen Planwirtschaft ergab, entbehrte nicht der Ironie. Humor wurde zum Überlebenselixier. Ein Beitrag in der Satirezeitschrift Eulenspiegel von 1983 beschreibt den Irrsinn einer Bestellungsodyssee auf der Suche nach zuständigen Betrieben und Dienststellen zum Zwecke der Warenbeschaffung sehr anschaulich. Das Ganze gipfelte in dem Vorschlag, dass Rolf Jesch wohl dafür prädestiniert sei, gemeinsam mit dem Eulenspiegel ein Nachschlagewerk für „Unzuständigkeiten“ herauszugeben, welches große Chancen habe, ein Bestseller zu werden.
Was den Sinn für Humor und das Interesse am Handel anbelangt, waren sich Vater und Sohn nicht unähnlich. Die Geschäftsübergabe erfolgte innerfamiliär und gleitend.
Frieder Jesch wurde 1959 in Dresden geboren, wo er auch die Schule besuchte. Die Lehre als Fachverkäufer für Waren des täglichen Bedarfs (WtB) absolvierte er in der Handelsorganisation (HO) Dresden-Land. Seine Ausbildungsstätte war die Kaufhalle auf dem Rosa-Luxemburg-Platz. Frieder und Angela heirateten 1978. Im gleichen Jahr zog das junge Paar nach Radebeul, zunächst auf die Birkenstraße, später unters Dach im Haus der Konditorei Schiller, bis es mit nunmehr zwei Kindern nach Reichenberg ins eigene Grundstück wechselte.
Unmittelbar nach dem Wehrdienst begann Frieder Jesch ab 1980 im väterlichen Betrieb zu arbeiten. Die Übernahme des Kommissionswarengeschäftes erfolgte durch den Sohn 1984 und war eigentlich schon lange geplant.
Auf die Frage, was denn ein sogenannter Verkaufsschlager gewesen sei, kam prompt die Antwort: Purlack (Polyurethanlack)! Danach standen die Kunden Schlange. Doch der grandiose Farbanstrich sollte sich im Nachhinein als äußerst umweltunfreundlich herausstellen.
Vor allem die Zeitschrift „Guter Rat“, vermittelte den Lesern viele Tipps und Tricks wie man auf einfache Art sein Umfeld heimwerkelnd verschönen kann. Auch ich hatte mich davon infizieren lassen, wurde Dauergast in Jeschs Farbengeschäft und pinselte alle meine Möbel an, um sie wenig später wieder abzubeizen.
Wenngleich die Warenbeschaffung den Kommissionshändlern sehr viel Organisationstalent abforderte, war die Finanzierung des Warenbestandes durch die HO abgesichert. Nach deren Auflösung im Jahr 1990 mussten die Inhaber der nunmehr privaten Einzelhandelsgeschäfte den vorhandenen Warenbestand selbst abkaufen, was die Aufnahme von einem Kredit erforderte. Doch die Ost-Produkte waren kaum noch gefragt. Für den Ankauf eines neuen Warenbestandes benötigte man wiederum Geld, viel Geld.

Musikalischer Rundgang mit Schalmaienorchester durch Radebeul West zum Frühlingsspektakel 2015, Foto Sylvia Preißler

Werbung, Präsentation und Verkauf standen nun im Vordergrund. So beteiligte sich Frieder Jesch auch an einigen Gemeinschaftsaktionen der Händler. In guter Erinnerung ist mir eine Aktion zum „Frühlingsspektakel“ im Jahr 2015 geblieben. Bilder des Radebeuler Malers Klaus Liebscher mit Punkten, Streifen, Klecksen und Quadraten korrespondierten mit Farbbüchsen, Farbfächern und sonstigen Malutensilien. Und alles verschmolz zu einem herrlich intensiven Farbenrausch.
Rückblickend meint Frieder Jesch, dass der gesellschaftliche Umbruch mit sehr viel privater und geschäftlicher Unsicherheit verbunden war. Aber die neuen Herausforderungen eröffneten auch neue Möglichkeiten. Der klassische Einzelhandel wird, ähnlich wie die Telefonzellen, nach und nach verschwinden. Erhalten werden sich Dienstleistungen, Nischensortimente und regionalspezifische Angebote.
Viele Kunden bedauern die Schließung und bedankten sich sehr liebevoll für die schöne gemeinsame Zeit. Frieder Jesch selbst war 45 Jahre seines Berufslebens in diesem Geschäft tätig. Ein Abschnitt geht nun für ihn zu Ende. Die Entscheidung als Händler zu arbeiten, hat er nie bereut. Weitestgehend frei und selbstbestimmt arbeiten zu können, war ihm immer wichtig. Dass er nun viel mehr Zeit für seine privaten Interessen haben wird, darauf freut er sich schon sehr. Sportliche Aktivitäten wie Radfahren, Wassersport, Langlauf und Wandern gehörten schon immer dazu. Ein regelmäßiges Muss ist seit 1991das jährliche FolkFestival in Rudolstadt. Und vielleicht sehen wir uns dann auch wieder bei einigen der zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen, die allmonatlich in Vorschau & Rückblick angekündigt werden. Denn das kulturelle Monatsheft liest er noch heute regelmäßig und, wie Frieder Jesch schmunzelnd meint, fast immer vollständig.

Karin (Gerhardt) Baum

Beziehungsweisen

Zur Premiere von „Das perfekte Geheimnis“ am 25. Januar 2025 in den Landesbühnen

Seit einigen Jahren stellen die Landesbühnen Sachsen ihre Spielzeiten unter ein Motto, in diesem Jahr ist es „NEBENAN-nah dran.“ Rein optisch setzt das Theater dieses Motto mit gelungenen Fotos des Ensembles sowohl im Foyer als auch im Jahresspielzeitheft um, indem die Akteure sich in unterschiedlichen Konstellationen an verschiedenen Orten in Radebeul haben ablichten lassen. Das Signal, was davon ausgeht, ist klar: Wir sind die Landesbühnen für Sachsen, aber in besonderer Weise fühlen wir uns auch als Stadttheater für Radebeul den Menschen hier vor Ort verbunden. Für die meisten Besucher lässt sich dieses Motto ja ebenso leicht mit Leben erfüllen, schließlich wohnen viele nahe am Stammhaus und haben Zugang zu den vielfältigen Angeboten des Vierspartenhauses. Diese Angebote umfassen inzwischen neben dem eigentlichen Kulturerlebnis auch begleitende Aktionen wie die Nachbarschaftsfeste, die zu den Premieren auf der Hauptbühne das Publikum vor der Aufführung mit thematischen Angeboten passend zum neuen Stück unterhalten und natürlich involvieren wollen. Zwar hat sich meiner Beobachtung nach die Mehrzahl des etablierten Premierenpublikums wohl vorranging dem geselligen Parlando bei Sekt und Brezel hingeben, aber für diejenigen, die sich darauf einlassen, bieten diese Einstimmungen durchaus einen Reiz. Anlässlich der Premiere von „Das perfekte Geheimnis“ von Paolo Genovese (Regie: Jan Meyer) war eine Dresdner Wahrsagerin ebenso am Werk wie eine Radebeuler Kunsttherapeutin, die mit Besuchern über ihren Beruf ins Gespräch kam. In welcher Weise also stehen diese Berufe in Verbindung zum Stück? Dazu später mehr. Möglicherweise war ein Teil der Besucher mit dem Plot der Bühnenversion schon vertraut, weil diese auf einem Film basiert, der zunächst 2016 im italienischen Original, 2020 dann in seiner deutschen Variante sehr erfolgreich in die Kinosäle kam, gleichwohl die Corona-Pandemie manchem geplanten Besuch dann doch einen Riegel vorgeschoben hatte. Auf eine umfangreiche Nacherzählung des Inhaltes soll hier deshalb auch verzichtet werden, stattdessen das Augenmerk darauf gelenkt werden, was das Stück im Publikum auslösen will und warum es sich anzuschauen lohnt.
Die drei beteiligten Paare und ein Single (Sandra Maria Huimann/Michael Bernd-Canana, Moritz Gabriel/Cathrine Dumont, Dominik Tippelt/Karoline Günst und Johannes Krobbach) bilden einen Querschnitt durch die berufstätige Erwachsenenwelt und deren Lebenswirklichkeiten. Akademiker (u.a. Psychoanalytikerin, plastischer Chirurg, Tierärztin, Sportlehrer, leitender Angestellter), aber auch ein Taxiunternehmer und eine Mutter in Elternzeit treffen sich zu einem fröhlichen Abend bei einem der Paare. Man kennt sich zum Teil seit langer Zeit, insbesondere die vier Männer sind beste Freunde. Man (ver)traut einander, oder glaubt es zumindest. Das Stück ist insoweit ein Spiegelbild unserer seit gut 15 Jahren veränderten Gewohnheiten der Mediennutzung, als dass jeder der Akteure auch noch (s)ein Leben mit und durch das Smartphone führt. Bestehende Beziehungen werden hintergangen und neue digital getestet, Unwahrheiten auf die Tastatur getippt und amouröse Avancen in den Hörer gehaucht. Das Smartphone als ausgelagerter Teil des Gehirns und Herzens, als Träger und Medium des gut verheimlichten zweiten Ichs. Dass der Vorschlag der Gastgeberin, an diesem Abend die Handys offenzulegen und jede eingehende Text- und Sprachnachricht miteinander zu teilen nur auf verhaltene Zustimmung stößt, schließlich aber doch jeder mitmacht, um den Verdacht ein pikantes Geheimnis zu haben abzuwenden, ist verständlich. Der Reiz des Stückes liegt für die Zuschauer also vor allem darin, die sich anbahnenden Paarkonflikte und Freundschaftsenttäuschungen aus sicherer Entfernung verfolgen zu können. Spätestens aber auf dem Nachhauseweg dürften sich so manche Paare mehr oder weniger offen fragen: Und du, Schatz, was ist mit dir und deinem Handy? Möglicherweise ist das der Moment, in dem das Stück seine eigentliche Wirkung entfaltet: Wenn man (zu zweit) darüber nachdenkt, ob absolute Offenheit wünschenswert oder doch eher zum Fürchten ist. Ob ein gut gehütetes Geheimnis die Liebe zum Partner konservieren hilft oder sie doch eher destruiert. Ob der Spruch „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ auch in einer Liebes- und Paarbeziehung gelten sollte oder nicht. Die Antworten auf alle diese Fragen mögen unterschiedlich ausfallen, aber sie zu provozieren ist ein Verdienst des Stückes. Fraglich ist im Fall eines Zweifels an der Treue des Partners, ob eine Wahrsagerin Antworten wüsste. Und wenn es so wäre: Würde wohl eine Kunsttherapie die geschlagenen Wunden heilen können? Womit wir wieder beim Beginn des Abends wären…
Alle Akteure erfüllen ihre jeweiligen Figuren authentisch mit Leben und vermögen sowohl Sympathien als auch Antipathien hervorzurufen. Ungewöhnlich und zugleich sehr zu würdigen ist übrigens die Entscheidung, die kleine Rolle der heranwachsenden Tochter Sofia des gastgebenden Paares einer Schauspielerin anzuvertrauen, die behindert ist. Lena Flögel als Gast durchlief eine dreijährige Schauspielausbildung an der „Freien Bühne München“, dem ersten professionellen inklusiven Theater in Deutschland, wo sie auch den Regisseur des Stückes, Jan Meyer, kennenlernte, der vor seiner Tätigkeit in Radebeul eben dort tätig war.
Die sehr geschmackvoll eingerichtete Bühne und die passend zu den Charakteren ausgewählten Kostüme (Ralph Zeger) vermitteln den Eindruck, als sei die konkret in Frage stehende Problematik typisch für die Mittelschicht. Das ist sicherlich nicht der Fall. Aber möglicherweise ist in der Mittelschicht die Sehnsucht nach dem Kitzel, dem Geheimnis, dem Risiko stärker ausgeprägt als in der Unter- oder Oberschicht, weil die Mittelschicht der Geruch des Normalen, Gut-Bürgerlich-Langweiligen umweht. Zur Bühnenausstattung gehört auch ein im Verlauf des Abends größer werdender Mond, der im zweiten Akt fast schon drohend über der Bühnenmitte hängt. Es erschließt sich aus der Logik der Handlung anfangs nicht, warum überhaupt dieser Freundesabend anlässlich einer Mondfinsternis stattfindet, aber im Verlauf des Stückes schält sich eine Deutung heraus. Indem der Mond sich gar nicht verfinstert, sondern im Gegenteil immer größer, leuchtender wird, bildet er einen Kontrast zu den dunklen Geheimnissen der Protagonisten, die nach und nach ans „Mondlicht“ kommen.
Dem Programmheft lag ein Zettel bei, auf dem die Landesbühnen die Besucher darum bitten anzugeben, warum sie Theater mögen. Meine Antwort mache ich an dieser Stelle öffentlich: Ich mag Theater, weil sich dort Sprache von seiner vielfältigsten Seite zeigt. Langer Schlussbeifall im nicht ganz vollbesetzten Saal rundete einen unterhaltsamen Abend ab.

Bertram Kazmirowski
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Nächster Termin: 9. März, 19 Uhr, Stammhaus Radebeul

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